Ich arbeite auch im Hafen. Es ist zwar "nur" der Binnenhafen Magdeburg, aber die Auswirkungen des Streiks werden auch für uns immer komplizierter. Und wer denkt ab Samstag um 02:00 Uhr läuft alles erstmal wieder normal, der hat keine Ahnung. Das dauert Wochen und Monate, diesen Rückstand auf zu holen.
Wer als Schichtbrot mit 1-2% Lohnzuwachs (wenn überhaupt) zufrieden zu sein hat, der kann über die Forderungen der GDL doch nur milde lächeln. Und das ich als Lokführer nicht unbedingt von Mo.-Fr. pünktlich um 16:30 zu Hause bin und das Familienwochenende geniessen kann, hab ich doch vorher gewusst.
Bin absolut nicht gegen gut begründeten Arbeitskampf, inclusive auch unbefristeter Streiks. Doch speziell die Hauptforderung der Herren-Lokführergewerkschaft halte ich für masslos.
Ein eigener Tarifvertrag nur für das Fahrpersonal? Wo soll denn das hinführen?
Die fahren ohne all die anderen Eisenbahner doch nicht einen Meter
Aber wer sich nur ein klein wenig in der Materie auskennt, weiss um den Standesdünkel der da mitschwingt.
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Schade, dass Du Dich offensichtlich nicht richtig informiert hast, bevor Du hier reinschreibst. Wie viele eben... Okay, vieles kann man nicht wissen. Ich hatte mich in dem "Vorgänger-Thread" "Warnstreiks bei der Bahn" schonmal ausführlicher dazu geäußert. Ich bin selbst Lokführer und Mitglied der GdL. Deshalb nochmal einiges dazu:
Fakt ist, wir wollen einen eigenen Tarifvertrag ! Warum ? Ganz einfach: Die Lokführer sind eine kleine Berufsgruppe im Unternehmen DB AG, die ganz spezielle Arbeitsbedingungen haben - nicht zu vergleichen mit den anderen Arbeitnehmern im Unternehmen. Diese Dinge wollten wir immer auch in den vergangenen Jahren bei anstehenden Tarifverhandlungen geregelt haben, sind aber immer gescheitert, weil die Transnet darauf letztlich nicht eingegangen ist. Die haben einfach über unsere Köpfe hinweg entschieden. Klar, die Mehrheit der Eisenbahner (und hier fast alle, die keine Lokführer sind) scheren sich doch einen Dreck um die Probleme der Lokführer ! Höhepunkt des Ganzen war das Jahr 2002, als der Vorstand dem Fahrpersonal der Sparte DB Regio AG (zu der auch ich gehöre) einen so genannten "Regio Ergänzungstarifvertrag" aufs Auge drücken wollte. Soviel übrigens zum Thema "Solidarität" unter den Eisenbahnern bei der aktuellen Diskussion. Dieser TV war nur für den Regionalverkehrsbereich bestimmt und sollte massive Verschlechterungen bei der Anrechnung von Arbeitszeit beinhalten, die letztlich 18 Zusatz-Schichten ohne Lohnausgleich bedeutet hätte. Als Begründung wurde der Fortbestand der Wettbewerbsfähigkeit angeführt, weil man sonst keine Ausschreibungen gegen Privatunternehmen (Arriva, Veolia etc.) mehr gewinnen würde. Transnet/GdBA hatten diesen TV bereits unterschrieben, nur Dank des Widerstands der GdL konnte dies verhindert werden. Daran sieht man doch, wie sich die Transnet für ihr Fahrpersonal einsetzt ! Übrigens werden heute auch ohne diesen RegioErgänzungsTV Ausschreibungen von der DB gewonnen.
Nun zu den Arbeitsbedingungen: Die dämlichste Aussage, die ich immer höre, ist "Die haben sich doch den Beruf selbst ausgesucht...". Klar habe ich mir den selbst ausgesucht und ich bin Lokführer aus Überzeugung und mache den Beruf immernoch gern. Fakt ist aber auch, dass die Bedingungen seit meinem Beruftsantritt und der Bahnreform schlechter geworden sind. Für das gleiche Gehalt habe ich in der Zwischenzeit auf einen Urlaubstag verzichten müssen und habe mittlerweile (offiziell) eine 41-, statt einer 38-Stunden-Woche. Insgesamt hat der Lokführer seit Beginn der Bahnreform seine Produktivität immens gesteigert. Es gibt zwei Zahlen, die ich mal gelesen habe: 156 und 211%. Keine Ahnung, welche jetzt da stimmt. Zum einen kommt diese Produktivität mittlerweile zustande, weil wir Aufgaben übernommen haben, für die früher ein separater Mitarbeiter da war (un der eingespart wurde), zum anderen sind die Schichten und Dienstpläne immer straffer und familienunfreundlicher gestaltet worden. Hatte man früher z.B. in so ziemlich jeder Schicht eine Pause mit Erholwert (heißt, man verbringt seine Pause einem Raum, in dem man einen Kaffeeautomaten und z.B. keinen Kundenkontakt hat), kommt man heutzutage oftmals garnicht mehr von der Lok runter. Bei uns gibts Schichten, da kommt man 5 Stunden nicht vom Fahrzeug runter, um mal pinkeln zu gehen. Lumpi , Du hast angeführt, dass man vorher wusste, dass man nicht immer das Familienwochenende genießen kann... Richtig, aber ein Lokführer hat auch ab und zu darauf ein Anrecht. Ich habe fast alle 2 Wochen ein freies Wochenende. Es gab mal die Vereinbarung, dass ein freies WE heißt: Freitag bis spätestens 18 Uhr Dienstende, Montag frühestens 6 Uhr Dienstbeginn. Wie sieht es inzwischen oft aus ? In der Nacht von Freitag auf Samstag um 1 Uhr Feierabend, Montag um 03:30 Uhr Dienstbeginn. Und sowas wird dann von unserem Betriebsrat (der in unserem Betrieb Transnet-geführt ist) abgesegnet. Von planmäßigen Übergängen (Zeit von Dienstende, bis -beginn), die 9 Stunden betragen, rede ich garnicht. Mit all diesen geschilderten Dingen haben Verwaltungsmitarbeiter, Werkstattpersonale (haben ja geregelten Schichtdienst) etc. nix am Hut. Und deshalb kann man unsere nicht mit ihrer Arbeit vergleichen.
Nun noch zu dem leidigen Thema 31% mehr Lohn. Diese Forderung ist so nie von der GdL gestellt worden. Das war reine Propaganda vom Arbeitgeber, um die Dummen dieses Landes gegen die Lokführer aufzuhetzen. Und das ist ja zum Teil gelungen. Das Grundgehalt soll laut Entwurf des eigenständigen TV um 31% angehoben werden, aber dafür sollen Urlaubsgeld und eine ganze Reihe an Zulagen gestrichen werden. Gerade bei den Zulagen sieht heutzutage keiner mehr richtig durch und das sollte damit entflechtet werden. Außerdem wird dadurch mehr Geld auf die Rente angerechnet (Zulagen kommen nämlich nicht auf die Rente) und wenn man mal länger krank ist oder Urlaub hat, schlägt sich das nicht gleich auf den Lohn nieder.
Darüber hinaus soll der neue TV eine Staffelung besitzen, der Berufserfahrung und Unternehmenzugehörigkeit belohnt. Ich denke, sowas ist nicht unüblich in großen Firmen. Bisher bekommt man als Lokführer eine Gehaltsstufe, die man bis zur Rente behält. Außerdem würden dann auch endlich zusätzliche Engagements vernünftig belohnt, wenn man z.B. als Ausbildungslokführer im Einsatz ist. Dafür soll es dann auch eine eigene Entgelttabelle geben.
Ich hoffe, hiermit einen Beitrag dazu geleistet zu haben, für unsere Streiks Verständnis zu entwickeln. Weitere Fragen beantworte ich gerne, solange es sachlich zugeht.