Meine Saison ist zu Ende. Doch nicht nur die Verbandsliga ist zuende, auch alle anderen Ligen. Und doch ist ganz Deutschland im Fussball-Fieber. Bei Mc Donalds gibts nen EM-Burger, bei Bäckern gibt es Fussball-Brote, selbst auf Frauen-Zeitschriften ist nen Fussballer auf dem Cover und überall hört man nur noch Fussball, Fussball, Fussball. "Was regt der sich auf" werdet Ihr Euch fragen - "der kann doch von Fußball sonst nicht genug bekommen". Ja, ist ja auch normalerweise so. Was mich nur ankotzt, ist daß jeder Arsch durch ein großes Turnier zum Fussball-Fan mutiert. Es ist halt "in" - und was derart "in" ist, daß es fast jeder gut findet, find ich meist schon mal prinzipiell scheiße. Soviele Leute halten Fussball für einen Idioten-Sport, bei dem 22 Leute einem Ball hinterher rennen (was ja schon mal falsch ist, da ja nur 20 der 22 dem Ball hinterher rennen, aber das mal nur am Rande). Aber während der EM sind sie plötzlich alle die größten Fans und auch alle Patrioten. Komischerweise sind die am meisten für Deutschland und am stolzesten auf die Mannschaft, die ansonsten am meisten auf die Elf schimpfen. Und 2 Wochen nach dem Turnier, wenn es keine WM-Burger oder –Brote mehr gibt und Duplo und Hanuta wieder ohne Spieler-Sammelbildchen verkauft werden, ist das alles nicht mehr wahr und Fussball ist wieder der Sport für die Proleten. Wie sehr freu ich mich auf die Zeit. Vorher aber muß man noch diversen Leuten erklären, daß weder Brasilien, noch Bayern München, St. Pauli oder die Türkei Europameister werden können, daß ein Spieler trotzdem mitspielen kann, auch wenn er im letzten Spiel ausgewechselt wurde oder – das ist mir gestern wirklich passiert !!! – daß Torsten Frings weiterhin dabei ist, auch wenn er jetzt zu Bayern gewechselt ist. Den Modus durfte ich auch schon mal erklären und auch meine Tipps schon zahlreich abgeben – ich hab ja schließlich Ahnung von Fußball. Wenn ich dann sage daß mich die EM eigentlich gar nicht so sehr interessiert, dann werde ich entsetzt gefragt : „Wieso, Du bist doch Fußball-Fan“ – und wenn ich dann versuche zu erklären daß ich in allererster Linie Stahl-Fan bin und dann erst Fußball-Fan, und daß jedem Fan der Vereinsfußball viel mehr bedeutet (den Verein hat man schließlich das ganze Jahr) dann heißt es : „Wieso denn ? Wenn Deutschland spielt ist es doch viel wichtiger, da gehts doch um viel mehr“ – und so weiter und sofort. In solchen Momenten dreh ich dann innerlich durch. Wir erklärt man solchen Menschen, daß man Fan eines kleinen Fünftligisten ist, der mehr verliert als alles andere und nur 200 Zuschauer hat ? Daß es gar nicht so wichtig ist „ob da viel los ist“ und daß man sich über Identifikation und Vereinstreue definiert ? – Ich weiß es nicht, aber alle 2 Jahre bei einer EM oder WM stellen sich diese Fragen wieder. Ganz Deutschland ist für ein paar Wochen im Fußballfieber – nur ich, der sonst sein ganzes Leben im Fußballfieber verbringt, nehme mir ne Auszeit, meine Sommerpause sozusagen. Und ich freue mich schon jetzt drauf, auch wenn die zumindest in diesem Jahr sehr kurz sein wird – denn zwischen dem EM-Enspiel und den ersten Stahl-Vorbereitungsspiel liegen grad mal 5 Tage. Aber ich freu mich trotzdem drauf.
Nun werdet Ihr bestimmt denken daß ich total spinne und nur so tue als ob ich das alles Scheiße finde – und in gewisser Hinsicht habt Ihr ja auch Recht. Natürlich interessieren mich die Spiele sportlich. Natürlich schaue ich sie mir, wenn ich nix anderes vorhabe, auch im Fernsehen an. Natürlich bin ich für Deutschland und mindestens genauso natürlich gegen Holland und England. Aber ich ärger mich halt über dieses Medien-Trara, den Hype. Ich will Fußball schauen und will es für mich schauen oder zumindest im Kreise von echten Fans. Mit Leuten, die regelmäßig ins Stadion gehen, von mir aus auch zu Hertha - aber eben Fans und nicht mit Leuten, die sich nur alle 2 Jahre von einer Massen-Hysterie anstecken lassen. Die bei einer WM auf Brasilien tippen, dummerweise prompt auch noch Recht haben und sich dann für Fußball-Experten halten.
Am nächsten Wochenende hab ich z.B. Besuch aus Polen – und wenn Deutschland das Viertelfinale erreicht, wäre es bestimmt nen tolles Erlebnis, das Spiel im Sony-Center am Potsdamer Platz zu schauen. Aber ich werd das den beiden auf jeden Fall ausreden – ich schaue dieses Spiel nicht inmitten tausender Leute, von denen wahrscheinlich nicht mal 5% regelmäßig zum Fußball gehen, aber sich statt dessen schwarz-rot-gold ins Gesicht schmieren oder sogar in den tiefen Ausschnitt - vielleicht kommt man ja ins Fernsehen. Da gehöre ich nicht dazu, und da will ich auch gar nicht dazu gehören.