Polnischer Fußball für Touristen

  • Nachdem in Berlin die heimische Wohnung mit Turnfest-Gästen komplett angefüllt war, blieb nur ein spontaner Kurzausflug - und warum nicht ins schöne Nachbarland Polen und dort in den sozialgeographisch spannendsten Teil - das oberschlesische Kohlerevier.


    (entsprechende Stadionbilder in der Rubrik 'Stadien weltweit')


    Fußball in Polen - einiges gelesen - bis dato wenig selbst erfahren - also los.
    Das erste Etappenziel - Mittwoch, 17.30, Slask Wroclaw - Odra Opole, ein Nachholspiel der III.Liga - schien vorübergehend in Gefahr, nachdem sich hinter der Grenze eröffnete, dass auf ca. 150 km gerade EU-Gelder verbaut werden, um eine zukünftig geschmeidigere Autobahnverbindung herzustellen, also weitgehend einspurige Verbindung mit Überholverbot - glücklicherweise preschen die polnische LKW dermaßen durch die Landschaft, dass sie kein Überholhindernis darstellen - eher wird man im eigenen Kleinwagen selbst eins.
    Na ja, im Endeffekt hat's grad noch gereicht. Karte für 7 zl. (knapp 2 EUR) - Gegentribüne. Die erste polnische Verpflegung des Tages war - ebenso wie die letzte 4 Tage später - eine hervorragend fettige Kielbasa (6 zl.). Nur der damit in Verbindung zu bringende Durst konnte aufgrund von wohl weitgehendem polnischem Stadions-Alkoholverbot nicht gestillt werden - also Zeug selber mitbringen - Kontrollen hab ich als deutlich lascher empfunden als hierzulande.
    Odra Opole mit ca. 150 Mann am Start (insges. 2500 Zuschauer) - sehr sangeskräftig (u.a. druga liga, druga liga, polonia (Bytom - damals auf Platz 3) und hielten gut mit den WTSlern mit. Besonders reizend: Wechselgesänge zwischen trybuna kryta (überdacht) und odkryta (offen). Nahezu durchgängiger Support auf beiden Seiten, die Odras mussten wohl 5 Minuten vor Schluss das Stadion verlassen. Enorm viele Polizeiautos in sämtlichen Nebenstraßen und als 'Begleitschutz' für die fan-ableitenden und -pulsierenden Straßenbahnen. Schönes, altes Stadion, wenig Arenenhaftes. Das Spiel war ziemlich mau, Odra hielt gut mit und wurde durch einen etwas zweifelhaften Elfer schlussendlich 1:0 besiegt. Zur großen Freude des weiten Rundes.
    Übernachtungsmöglichkeit in Zentrumsnähe im Haus irgendeiner Lehrergewerkschaft oder so ähnlich (sinnigerweise auch in der 'Lehrerstraße') - ein schniekes 2-Zi-Appartment für 107 zl. - allerdings Parkraumbewirtschaftungszone davor.


    Der fußballfreie Donnerstag führte in breslauische Antiquariate (um den Polen deutsches Kulturgut zu entwenden) und später durch diverse Werksiedlungen backsteinscher Art im Revier sowie auf immer wieder bemerkenswerten belebten Plätzen und Straßen incl. Freiluftausschanken.


    Freitag war ein Abstecher ins 80 km entfernte mährische Ostrava dran - ebenfalls eine Bergbau- und Stahlgegend (derselbe Flöz wie weiter nördlich). Im alten und zum Teil desolaten Arbeiterstadtteil Vitkovice spielt der gleichnamige Zweitligist in einer recht neuen Arena, die aber mangels Zuschauerzuspuch etwas blutleer wirkte. Gegner war heute Viktoria Plzen, Vitkovice wahrte vor 512 Zuschauern (0 Gäste) mit einem verdienten 2-0 in einem mittelmäßigen Spiel seine Aufstiegschance.


    Übernachtung in der Zalezie-Vorstadt von Katowice - ca. 40 EUR pro Nacht war allerdings etwas teuer, dafür nette Gegend und unkomplizierter Parkplatz.


    Samstag früh die 75 Minuten nach Krakow (Mautautobahn und landschaftlich schöne Strecke) zum IV. Liga-Spiel Garbarnia - Zembrzyce: Stadion am südlichen Innenstadtrand gelegen mit Blick auf die Wawel-Kirche in der Ferne. Garbarnia holte sich in diesem Spiel den 12.Sieg in Folge - vor etwa 300 ausschließlichen Heimzuschauern, die auch durchaus für etwas Stimmung durch Anfeuern sorgten. Das Spiel auf gutem Niveau und abwechslungsreich mit einer starken Heimmannschaft in der 2. Halbzeit. Garbarnia weiterhin unangefochtener Tabellenführer. Es gab ein kleines Programmheft, das u.a. den fast 1000-minütigen Nicht-Überwunden-Worden-Rekord des Torhüters feierte, der aber im Spiel zuvor leider beendet wurde.


    Rückfahrt ins Kohlerevier über Landstraßen und beim Versuch eines Schleichweges so dermaßen verfahren, dass man gleich bei einem denkwürdigen 'Stadion' des ehem. KS Gornik Siersza landete. Der Ort liegt am Rand des Kohlereviers, überall wiederaufgeforstete Haldenflächen - von Zeit zu Zeit ragen Kühltürme in die Landschaft und der Sportplatz hatte seine Blüte wohl auch eher zu der Zeit, als es auch im Bergbau noch richtig gut abging. Ein dubioser Bau begrenzt den Platz (sieht eher nach Pleite-Rohbau als nach Abrissverfall aus). Es fand irgendein Jugendspiel statt vor so 20 Zuschauern, aber es musste ja weitergehen nach Jaworzno zum II.-Liga Spiel gegen LKS Lodz. Die Kleinstadt Jaworzno strahlt unterdurchschnittlichen Charme aus, gespielt wurde im Stadion des Stadtkonkurrenten Victoria, die Fangäste aus Lodz waren nicht anwesend (2 Auswärtsspiele gesperrt ?). Stimmung war mau, es war endlos heiß und dementsprechend gabs Sommerfußball und bei knapp 30 Grad den ersten Sonnenbrand des Jahres. Die Gäste gewannen leidenschaftslos 1:0, niemanden der 1500 Zuschauer freute es, niemanden schien es wirklich zu stören.


    Was folgte, war eine Hetzjagd über die Nationalstraße ins 30 km entfernte Chorzow, nachdem sinnvollerweise die zeitsparwirksame Autobahnauffahrt verpasst wurde. Ein weiteres Spiel der II. Liga. In Chorzow ein schönes Stadion, starke Atmosphäre im Fanbereich und auf der stilvollen Tribüne. Ruch verlor bereits im ersten Drittel der ersten Hälfte der ersten Hälfte einen Spieler nach Meckerns durch Gelb-Rot, so dass sich der Lokalkonkurrent aus dem 10 km entfernten Sosnowiec bei weiterhin großer Hitze zunächst Vorteile erarbeitet. Nach dem Wechsel ging Ruch überraschend nach schönem Spielzug in Führung, danach genügte den Gästen eine kurze Drangphase, um das Spiel zu drehen. Nach dem 1:2 steigerte sich Ruch allerdings fast in einen Aufholrausch, traf Latte und Pfosten und auch Anderes, das Publikum war höchst angetan und ging lautstark mit - auch noch nach besiegelter Niederlage. Irgendwie Old-school alles. 3000 Zuschauer, keine Gäste, die große Fangruppe aus Sosnowiec wurde von der Polizei am Verlassen der eigenen Stadt gehindert! Die Rückfahrt nach Katowice wurde von den üblichen, fanüberfüllten und laut schlachtrufschallenden Straßenbahnen flankiert.


    Sonntags, kurz bevor ein Pornofilmdreh im Hotel begann, stand das Vormittagsspiel im nahegelegenen Ruda Slaska Grunwald - Laziska Gorne an (IV. Liga). Eine etwa 50-stimmige Gästeschar sah sich auf 'gemischter' Tribüne etwa 300 Heimzuschauern gegenüber. Das Spiel war temporeich und gutklassig. Grunwald Ruda Slaska gewann verdient mit 2:1 und verschaffte sich etwas Luft im Abstiegskampf. Die Stimmung irgendwie wie bei einem durchschnittlichen Oberliga-Nordost-Spiel.


    Nachdem die Terminierung des Wroclawer Derbys feststand, wurde der ursprüngliche Plan geändert (tschechisches Erstligaspiel in Jablonec nad Nisou gegen Sparta Praha, das aber aufgrund der Entfernung und der Baustellenbedingungen eh nur schwerlich rechtzeitig zu erreichen gewesen wäre). Also gabs zum Ausklang des Kurzurlaubs dann zum 2.Mal Slask (gegen den Tabellenspitze-Rivalen Polar Wroclaw). 5000 Leute, darunter die einigen wenigeren Polar-Anhänger auf der 'Dachtribüne' verstreut, bekamen ordentlich was zu sehen und erlebten eine sanges-, stimmungs- und pyrofreudig begleitete Aufholjagd von Slask von 0-2 auf 2-2. Also, Platz und Mannschaft sind einen Besuch wert - wohl auch nächstes Jahr in Liga 2.


    Die Baustellenochsentour am Sonntagabend ist dann etwas erträglicher gewesen, so dass in Berlin gegen halb zwölf noch das ein oder andere Erfrischungsgetränk möglich war.


    Fazit der Fahrt :
    +++ : umfangreiche Stadionsprecher-Infos, auch wenn ich sie nur ansatzweise verstehe, Kielbasa, Eintrittspreise (zw. 1,50 EUR (IV.Liga) bis 6 EUR (Tribüne Chorzow)), 'kurwa'-Rufe (das polnische 'fuck') als Stimmungsmacher, Atmosphäre bei Slask und Chorzow und charmante Provinzplätze der 4. Liga, wackere Opole-Auswärtsfahrer, Stadion Siersza, anständige Eintrittskarten, supernette Bevölkerung
    --- : Alkoholverbot (kommt allerdings einem einzelnen Autofahrer entgegen), Jaworzno- und Vitkovice-Stimmung sowie Stadionverbote für Gästefans und häufige Radarkontrollen

  • "kurwa" ist so was wie das ultimative Schimpfwort
    Man hört es ja auch in fast jedem Spiel auf Landesebene in Brandenburg oder Meck-Pom.

  • Zitat

    Original von VfB
    "kurwa" ist so was wie das ultimative Schimpfwort
    Man hört es ja auch in fast jedem Spiel auf Landesebene in Brandenburg oder Meck-Pom.


    Ich habe schon mehrere hundert Spiele in Brandenburg auf Landesebene gesehen und das komischerweise noch nie gehört...

  • Zitat

    Zitat:
    Original von VfB
    "kurwa" ist so was wie das ultimative Schimpfwort
    Man hört es ja auch in fast jedem Spiel auf Landesebene in Brandenburg oder Meck-Pom.



    Ich habe schon mehrere hundert Spiele in Brandenburg auf Landesebene gesehen und das komischerweise noch nie gehört... . wird


    Wnn du auf dem Platz stehst kannst du das Wort aber häufig hören.

  • Auf ausdrücklichen Wunsch:


    Ich fühlte mich gestern mal wieder ausreichend assi-ig, um einen weiteren Kurzausflug nach Polen zu unternehmen. Ziel war die etwas deprimierend wirkende Kleinstadt Nowa Sól (ca. 40.000 Ew, Arbeitslosenzahlen um die 30%, verlassene Industriebauten und der Vormarsch der Roten Armee seinerzeit ist dem Stadtbild auch noch anzusehen), wo der dort beheimatete Klub Arka (KS Dozamet) auf WTS Slask Wroclaw traf. Die Gäste kamen als Aufstiegsfavoriten und konnten an dem Tag selbigen klar machen.


    Das Stadion liegt in einem Plattenbauviertel an der Umgehungsstrasse und ist eher ein Sportplatz mit 8-9 Stufen an drei Seiten und einigen Reihen aus Plastiksitzen. Kurios ist ein Fahrschulübungsplatz hinter der Nordkurve, der auch eifrig benutzt wurde !). Käuflich zu erwerbende Verpflegungsmöglichkeiten: Popcorn, die unvermeidliche Kerne und so'n Knabberzeugs.


    Es fanden sich ca. 1.000 Zuschauer ein, davon ein etwa 100-köpfiger Heim-Fanblock und mehr als 200 Personen auf der Gästeseite. Der vorhandene 'Gästekäfig' wurde nicht benutzt, er hätte auch platzmäßig nicht ausgereicht. Es gab keine Blocktrennung, es schien also keine übergroße Rivalität zu herrschen - Polizei war im Stadion auch keine zu sehen.


    Das Spiel begann zäh, allerdings begleitet von stimmgewaltigen Anfeuerungen auf beiden Seiten.
    Leider bewegte sich nach 15 Minuten eine Gruppe von etwa 40 Personen zunächst gemächlich auf die Heimseite zu, begann dann zu rennen und trieb einige Heimfans aus dem Stadion. Dies sah eher nach gezielter Jagd auf einzelne Personen aus, und da diese sich auch aufs Spielfeld erstreckte und aufgrund eines 'Ambulans'-Einsatzes, wurde die Partie kurzzeitig unterbrochen. (Bei 90 minut ist im Forum davon die Rede, dass der Bruder des Arka-Torwartes schwer verletzt worden sei). Nach weiteren 10 Minuten bequemte sich dann auch die (inzwischen verstärkte) Polizei ins Stadion und 'sicherte' den Slask-Bereich.
    Arka wirkte nach dem Vorfall geschockt und kassierte durch zwei recht harmlose Fernschüsse zwei Treffer vor der Halbzeitpause (einmal war der Acker im Torraum schuld, das 2. mal ließ der Torwart einen Ball unglücklich passieren). Ansonsten war das Spiel in dieser Phase eher schwach. Weitere negative Begleiterscheinung war ein sintflutgleicher, zwanzigminütiger Regenguss, der mir - laienhaft ausgerüstet - erst vier Stunden später in Berlin wieder trockene Kleidung bescherte.


    Die zweite Halbzeit 'gehörte' Nowa Sól:
    Sowohl den Spielern, die - obwohl sie lange Zeit wie die sicheren Verlierer aussahen (Slask hatte noch ein, zwei große Gelegenheiten) durch einen Kopfball nach Eckstoß sowie einen Konter aus abseitsverdächtiger Position noch zum Ausgleich kurz vor Schluss kamen;
    als auch den Fans, die - nachdem sie sich schon in Halbzeit 1 wieder formiert hatten - einiges auf die Beine stellten (mehrfach Pyros, Böller, Silvesterraketen, Silberfolienkonfetti, Luftballons). Die Slask-Fans beschränkten sich im wesentlichen auf Anfeuerungsrufe.


    Slask hatte also am Ende den sicheren Sieg vergeigt, da aber der ärgste Rivale Polar Wroclaw ebenfalls unentschieden spielte, konnte der direkte Aufstieg doch perfekt gemacht werden. Der Platzsturm einiger Slask-Anhänger galt dann auch den eigenen Spielern.

  • Zitat

    Original von sohni
    also komme aus Meck-Pomm habe das Wort Kurwa schon öfter gehört, aber dachte immer ist nen anderes Wort für Schlampe !


    Das trifft den Kern der Übersetzung schon eher als all das, was vorher in etwa mit Scheiße übersetzt wurde. Im Grunde heißt Kurwa Nutte - und zwar nicht im Sinne von Prostituierte, sondern im Sinne des untersten Gossenstrichs.
    Erstaunlich also, dass das noch steigerbar ist "Kurwa Mac" = Kurzform für Kurwa twoja mac = Deine Mutter ist ein Gossennutte.


    Wer sich jetzt wundert wieso man bei manchen Polen soviel Kurwa hört... Kann man eigentlich nicht erklären, aber viele Prolls benutzen das Wort wie andere ein Komma im Satz!

  • Zitat

    Kann man eigentlich nicht erklären, aber viele Prolls benutzen das Wort wie andere ein Komma im Satz!


    ist doch cool und macht spass!

    Kiedys zatrzymam czas - I na skrzydlach jak ptak - Bede lecial co sil - Tam gdzie moje sny - I wroclawskie kolorowe dni

  • Mittlerweile haben einige polnische Städte wie z.B. Stettin Verordnungen erlassen, in denen dieser Sprachgebrauch als Ordnungswiedrigkeit geahndet wird. Dieser Ausdruck hat dermaßen Überhand genommen und ist auch um ein vielfaches derber als ein simples deutsches Scheiße, so dass ich - der auch mal in Fekalsprache verfällt - dafür Verständnis habe. Wer Kurwa sagt hat sich wirklich als Megaproll geoutet, so harmlos oder witzig das auch einem Deutschen erscheinen mag.