Dieses Schreiben geht an die Polizei, NOFV, SV Babelsberg 03, MAZ, PNN
Offener Brief mehrerer Fangruppen zu den Ereignissen am Ostermontag
Da haben wir wieder das Beispiel, dass Rassismus und Faschismus nicht nur zum Alltag in Deutschland und in deutschen Stadien gehört, sondern auch auf blinde Ignoranz stößt und Stichwörter wie die als beispielhaft geltende „Zivilcourage“ nur leere Worthülsen sind.
Anders sind die Geschehnisse während des Oberligaspiels zwischen Babelsberg 03 und Viktoria Frankfurt/O. am Ostermontag nicht zu bewerten.
Über die gesamte Spielzeit provozierten etwa 50 angereiste Gästefans, die erkennbar der rechten Szene zugeordnet werden können mit Parolen und Gesängen wie „Arbeit macht frei – Babelsberg 03“ , „Wir bauen eine U-Bahn von Babelsberg nach Auschwitz“, „Juden“, ZickZackZeckenpack“, um nur einige zu nennen.
Dadurch hatten die 50 Rechten eine viel größere Plattform für ihre Ideologie und eine viel breitere Öffentlichkeitswirksamkeit, als es – von der Polizei abgeschirmte – Demonstrationen bieten können.
Neunzig Minuten lang mussten über 1800 Menschen - vom Kleinkind bis zum Rentner - diese geistigen Ausfälle über sich ergehen lassen.
Zahlreiche Fans konnten sich nicht auf die eigentliche Hauptsache - das Fußballspiel - konzentrieren, da dies angesichts der Parolen zur Nebensache degradiert wurde.
Zum Glück gibt es Menschen, die nicht „einfach weghören oder weggucken“, bedenkt man die Geschichte.
Doch nun zu den eigentlich erschütternden Tatsachen.
Es schien von Seiten der Verantwortlichen, also vom Veranstalter oder denen die für die Sicherheit verantwortlich sind, kaum jemanden zu interessieren, denn es blieb unkommentiert.
Die Nordkurve und auch weite Teile der Gegengerade machten permanent und lautstark auf diesen Missstand aufmerksam. Besonders gegen Spielende schallte aus mehreren Hunderten Kehlen ein „Nazis raus“, als die Frankfurter ein weiteres Mal den Trennzaun erklommen um „direkter“ zu provozieren.
Damit haben ca. ein Viertel des Stadions(!) deutlich gemacht, dass Rechtsradikale unerwünscht sind. Wenn sich in einer unbestimmten Lokalität ein Viertel der Stammgäste über eine unbestimmte Personengruppe – zu recht – beschwert, fliegt diese im Normalfall raus. Warum nicht bei Babelsberg 03? Zählt es rein gar nichts, was die aktiven Fans zu sagen haben?
Es kam zu keiner Zeit eine Stellungnahme oder Aussage des Vereins bezüglich der Ereignisse. Selbst der Stadionsprecher fand kein einziges Wort, um auf gewisse gesellschaftliche Selbstverständlichkeiten hinzuweisen.
Aber als von den Gästen Rauch gezündet wurde, kam sofort der Hinweis auf die Stadionordnung. Ist es wirklich so schwer?
Auch die Ordner und die Polizei sahen sich nicht genötigt einzugreifen und die Gesänge zu unterbinden. Es wäre zumindest zu erwarten gewesen, dass nach unzähligen Wiederholungen mit Ausschluss o.ä. gedroht wird.
Schließlich hat nur das Verhalten der Gästefans für die angespannte Stimmung gesorgt. Fairerweise muss gesagt werden, dass wenigstens beim Aufhängen der Schwarz-Weiß-Roten Reichsfahne die Polizei eingriff, diese nach dem Spiel aber wieder aushändigte.
Das die Geschehnisse in der Lokalpresse keine Erwähnung finden ist nicht verwunderlich, denn schließlich handelte es sich ja „nur um eine Fußballranderscheinung“. Die ohne Licht fahrenden Radfahrer im Polizeibericht sind jedenfalls erwähnenswerter.
Es ist vielleicht unpassend das anzuführen, aber nach gesundem Menschenverstand wäre am Montag ein Spielabbruch gerechtfertigter gewesen, als beim Spiel gegen Neuruppin.
Dieser Tag hat auf jeden Fall erneut vielen Menschen eindrucksvoll vor Augen geführt, wie akzeptiert rassistisches und diskriminierendes Verhalten und Gedanken“gut“ in unserer Gesellschaft sind.
Von Zivilcourage war nichts zu spüren. Die Ausnahme waren „nur“ die Fans aus der Nordkurve bzw. teilweise der Gegengerade, die eindeutig Stellung bezogen.
Dafür Danke und Respekt!
„Filmstadt Inferno ´99“
Im Namen von „Stehplatz Ermäßigt“, „FC Munke e.V.“, „Collectivo Babelsberg“