Hmmmmh. Was soll ich jetzt machen? Seit gestern Abend versuche ich einen "Einsteiger" für meinen heutigen Beitrag zu finden. Kilometerfräse hat die Steilvorlage geliefert. Soll ich jetzt
a) den Anwalt meiner Chefin beauftragen, Unterlassungsklage gegen Teile seiner im Glühweinrausch weltweit verbreiteten Internas über mich einzureichen? oder
b) ihn wegen der Gesamtheit seiner originellen Texte gleich mal für den Literatur-Nobelpreis vorschlagen? Allein die Duden-Redakteurinnen und -Redakteure müssten ja in Anbetracht seiner Wortschöpfungen kollektiv vor Neid erblassen!
Richtig wäre wohl Antwort c): ich mache einfach das, was ich immer mache und schreibe ein bissel über Fußball und das unmittelbare Drumherum. Das ist aber nach so einem denkwürdigen Nachmittag wie gestern gar nicht so einfach.
Also fange ich mal am Freitag Abend an. Ich sitze wie immer um diese Zeit, wenn ich nicht bei einem Sportereignis bin, zu Hause vorm Fernseher. Derzeit läuft snooker, nebenbei Videotext. Die Eislöwen gewinnen 6:3, ich ärgere mich ein bisschen, nicht dabei gewesen zu sein - aber noch ist nicht Weihnachten, für diese Spiele habe ich die Tickets längst. Dummerweise gehen die dann bevorzugt 2:4 oder 1:2 nach Penalty aus und nicht 6:3, aber damit muss ich leben. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich noch nicht ahnen, dass mir das 6:3 keine 18 Stunden später frei Haus geliefert wird.
Am Sonnabend ist besseres Wetter als erwartet. Also sogar noch mal das Fahrrad rausgeholt. Tommy ist eher da als ich, aber die Gesamtzahl der Zuschauer hält sich in den erwarteten Grenzen. Noch vor Spielbeginn auch das Zusammentreffen mit KMF (die Abkürzung sei mir ab sofort gestattet) im tagesaktuellen Nikolaus-Look. Sportlicher Mittdreißiger, der Gegensatz zum bequem vor sich hin lebenden Endvierziger mit Bauchansatz könnte nicht größer sein. Aber über das gemeinsame Hobby Fußball wird schnell eine gemeinsame Sprache gefunden. Erzgebirge Aue liegt zu diesem Zeitpunkt schon hoffnungslos hinten, und KMF sagt einen denkwürdig vernichtenden Tag für lilaweiß voraus. Ich lächele innerlich darüber...
Damit zu den sportlichen Fakten, die der ehemalige Mathematikstudent natürlich in Form einer "Text gewordenen EXCEL-Tabelle" rüberbringt *g*
VfL Pirna-Copitz 07 - Meissner SV 08 6 : 3 (4:1).
1:0/2. Schmidt 1:1/18. Salomon 2:1/24. Swozil 3:1/25. Kreher 4:1/34. Schur 4:2/56. Salomon 4:3/59. Müller 5:3/69. Schur 6:3/82. Berthold. Die Minutenangaben könnten etwas ungenau sein, der hohe Verbrauch an Glühwein (durch die Gästefans) und Bier (im Copitzer Fanblock) hat irgendwie auf meine Zeitmessung eingewirkt...
Zu. etwa 90, genau 5 Gäste
SR Wolter aus Görlitz wurde von Tommy (der mich immer mehr an eine bestimmte Figur aus der Sabine-Ebert-Reihe erinnert) herzlich begrüßt, hat er doch den einzigen Saisonsieg der Domstädter in Wesenitztal gepfiffen. Wirklich zu tun hatte er nicht, ich habe in Hälfte zwo je eine Gelbe Karte registriert. Beim abendlichen Volleyball gab es unüblicherweise mehr strittige Entscheidungen des Referees!
Beim VfL musste die Abwehr umgestellt werden, Hendrik Geißler sah in Gröditz die 5. Gelbe Karte (mein Kommentar vor dem Spiel: "besser, er fehlt heute als gegen Sebnitz oder in Wesenitztal!") und auch Frank Paulus war nur als Zuschauer im Stadion. Auf deren Positionen spielten nun auch gestandene Fußballer, aber das Defensivverhalten der gesamten Mannschaft wird Elvir eine Steilvorlage für die Rückrunden-Vorbereitung geliefert haben. Dabei belasse ich es, Einzelkritik ist in der Vorweihnachtszeit eh nur dosiert angebracht.
Die Gäste wären sicher froh gewesen, wenn sie nur unsere Besetzungsprobleme hätten...
Das Spiel begann mit einer sensationellen Druckphase des MSV. Eckenstand nach einer Minute 0:1 (am Ende gab es weniger Ecken als Tore, ich glaube 4:2 oder 5:2). Doch bereits im Gegenzug wurde Martin Schmidt steil geschickt und vollendete zum 1:0. Geht das so weiter nach 9:0 und 5:0 in der Vorsaison? Hat der "Elb Classico" seine Spannung aus den Jahren 2011 und 2012, als der VfL im "Heiligen Grund" mehrmals ganz unheilig auf den Boden der Tatsachen geholt wurde, endgültig verloren? Der VfL schien endgültig auf der Siegerstraße zu sein, als auch der Eckenrückstand in eine 2:1-Führung verwandelt werden konnte. Doch was machte dann der erfahrene Copitzer Spieler XYZ (Name von der inneren Zensur gestrichen) Mitte der eigenen Hälfte? Der weise Salomon bestätigte seinen Torriecher, sagte danke und Tommy jubelte durchs weite Rund. Ich lächelte innerlich darüber...
Die folgenden Minuten fachten den Glühweinverbrauch an, da ich KMF pro VfL-Tor einen Becher versprochen hatte. Copitz keineswegs mit Chancen im Minutentakt wie im letzten September, aber effektiv und jederzeit mit der Spielkontrolle. Dabei kamen uns individuelle Fehler der Gäste-Abwehr ebenso entgegen wie die Tatsache, dass sich Meißen keineswegs so intensiv vorm eigenen Strafraum einigelte, wie das die meisten anderen Gegner im "Willy" für gewöhnlcih tun.
Jetzt kommt Psychologie ins Spiel. Also etwas, wovon ich nicht so viel verstehe. Ich als Fan habe das gute Recht, ein Spiel zur Halbzeit beim Stand von 4:1 als "abgehakt" zu betrachten. Ein Spieler, der sich dieses Recht auch in der untersten Amateurspielklasse herausnimmt, wird von jedem Trainer der Welt in den kommenden Trainingseinheiten daran erinnert werden, dass er dieses Recht eben bis zum letzten Pfiff des Schiedsrichters NICHT hat. Die ersten zehn MInuten der zweiten Hälfte plätschertenn so dahin, der Ball war meist in der Meißner Hälfte. Es passierte nichts Entscheidendes. Nur Tommy glaubte unerschütterlich daran: "Ihr dreht das Spiel noch!". Ich lächelte innerlich darüber...
Der Hallo-Wach-Effekt für Torhüter Axel Keller kam in der 55. Minute, als er seine erste Parade zeigen musste. Leider kam dieser Effekt bei seinen Vorderleuten erst fünf Minuten später an, aber da stand es schon 4:3. Und plötzlich war das ein anderes Spiel. Bisher sieben Gegntore in zwölf Partien, jetzt drei vom Tabellenvorletzten. Da beginnt man zu denken. Die Souveränität, die zuletzt die Auftritte des VfL in Coswig (beim Stand von 1:0) bis in die Schlussphase und in Gröditz (beim Stand von 0:0 über 75 Minuten) geprägt hatten, war plötzlich wie weggeblasen. Die nächsten zehn Minuten könnten als "Allgemeine Verunsicherung" in die Copitzer Fußballgeschichte eingehen, ohne dass Meißen nun wirklich eine Riesenchance zum Ausgleich gehabt hätte. Aber wer weiß, was bei diesem Spielstand mit zunehmender Spieldauer passiert wäre!
Jetzt dürfen alle Leser ihr Erinnerungsvermögen einschalten. Dynamos letzter Heimsieg datiert vom 27. September gegen den CFC. Das Siegtor löste seinerzeit genausoviel Ekstase aus wie die jüngsten Gegentore in der 93. Minute Entsetzen. Wer dieses Tor noch vor seinem inneren Auge hat, ersetze Sinsn Tekerci durch Maxinilian Swozil und Sylvano Comvalius durch Kevin Schur - genaus fiel das erlösende 5:3, nur das der Köpfer von Schur nicht die Lattenunterkante touchierte, sondern direkt ins Netz flog.
Damit war der Drops gelutscht, aber das muntere Spielchen ging weiter. Der eingewechselte Berko Berthold durfte auch noch ein Tor erzielen. In dessen Entstehungsphase sah Tommy exklusiv eine Abseitsstellung, in deren Folge sich der Disput zunächst mit dem Linienrichter und anschließend mit unserem Tino entwickelte. Die ohnehin heitere Stimmung wurde noch heiterer. Da Tommy die Regularität des sechsten VfL-Treffers anzweifelte, will ich nicht verhehlen, dass ich glaube, vorm dritten Gästetor aus achtzig Metern Entfernung das Mitnehmen des Balles mit der Hand genau erkannt zu haben. Damit wir wenigstens noch irgendwo unterschiedlicher Meinung sind. Man könnte sonst glatt denken, es war gestern zuviel Harmonie auf den Rängen!
Am Ende also Friede, Freude, Nikolaus. Über die Zwischenstände aus Mittweida und Lommatzsch war man übrigens immer informiert, die Zusammensetzung der Zuschauer hatte gestern halt etwas "abstiegskampfhaftes". Tommy kündigte für die ersten drei Spiele der Rückrunde schon mal sieben Punkte für den MSV an, und KMF ist der festen Meinung, dass sowohl Meißen als auch der SVL die Klasse halten. In diesem Sinne hat er sich ganz bestimmt noch über den Sieg der Heidenauer gefreut. Aber bei diesem Gegner konnte sogar ich diesem überraschenden Resultat etwas Positives abgewinnen.
Allgemein gab man beim Abschied noch der Hoffnung Ausdruck, Dynamo möge heute in Großaspach drei Punkte einfahren.
Ich entschied mich dann kurzfristig doch noch für Live-Volleyball und gegen Ronnie OSullivan und die Bundesliga im TV. Aber es war ein Spiel Erster gegen Vorletzter, und die hatten gestern so ihre Tücken:
...wird noch n 5-Satz-Sieg
Zu diesem Zeitpunkt eine gewagte Voraussage, denn auch im fünften Satz lag der DSC außer beim 1:0, 16:15 und schlussendlich 17:15 nie in Führung. Ende gut, fast alles gut in einem umkämpften Match mit einem Spitzenreiter, dem man die Belastung der englischen Wochen deutlich anmerkte und einem Gegner, der besser war als der Tabellenstand. Doch die Köpenickerinnen durften wenigstens noch einen Punkt nach Hause mitnehmen. Dieses Pünktchen blieb den Meißnern wieder mal vorenthalten...
Achso, nachdem mich KMF zwar in Einzelheiten völlig falsch, aber im Gesamtbild durchaus nicht unpassend dargestellt hat, frage ich mich, womit er eigentlich seine Brötchen verdient. Seine Beobachtungsgabe prädestiniert ihn für irgendeinen Geheimdienst, aber die machen ihr Wissen nicht öffentlich. Zielgruppenforscher für die Werbeindustrie wäre ein passender Job für ihn - er weiß wenigstens nach der ersten Begegnung, wofür ich mein Geld nicht ausgebe. Interessant wäre übrigens gewesen, was er für Worte für seinen Vornamensvetter VfL-Sammy gefunden hätte, wenn dieser anwesend gewesen wäre und bei den vielen Toren und Auswechslungen gar nicht dazu gekommen wäre, dem Spiel zuzuschauen, weil er ständig etwas mitschreiben hätte müssen (Schachtelsatz Ende und Bericht auch gleich!)
In diesem Sinne freue ich mich auf die Rückrunde - nicht nur, aber auch wegen solcher Typen wie Tommy, KMF & Co, die dem Amateurfußball doch die richtige Würze geben!
Eine sportliche Hinrunden-Analyse folgt noch, wenn ich ein bissel Abstand zum gestrigen Nachmittag habe!