Komischerweise gibts schon einen Thread daß Rot-Weiß zurück in der 2. Liga ist, aber noch keinen Spielbericht. Nun, ich hole dies mal nach :
13. Mai 1995 : Mein erster Besuch im Erfurter Steigerwaldstadion. Das 8:0 gegen den BSV Brandenburg sehen ganze 646 Zuschauer. 29. Mai 2004 : Mein ca. 25. Besuch hier. Das 2:1 gegen den 1. FC Saarbrücken sehen 20.000 Zuschauer. - Viele male zuvor hatte ich in der Südkurve gestanden. Durch persönliche Kontakte wurde ich ca. 1995 zum RWE-Sympathisant, besuchte regelmäßig Spiele - was durchs Hoppen und die Konzentration auf Stahl ca. 2000 nachlies. Die Kontakte bestanden immer, und da ich privat in letzter Zeit eh wieder des öfteren in Erfurt bin, wurde es natürlich nach 2 Jahren mal wieder Zeit für einen Spielbesuch. Mein Karte hatte ich mir Montag sichern lassen, und ich tat gut daran, bekanntlich war das Spiel ausverkauft. Nachdem ich "meine" Jungs des alten RWE-Fanclub "Die Treuen" begrüßt hatte, gings zusammen in die Südkurve. Bereits 75 Minuten von Spielbeginn war alles überfüllt, sehr bewegend die Ansage um ca. 14:00 : "Bitte rückt noch etwas weiter nach unten zusammen, es stehen noch Tausende draußen". Irgendwann nachdem der längste Fan-Strickschal der Welt entrollt wurde (436 Meter lang), ging das Spiel los - und das Stadion war tatsächllich proppevoll. Okay, von ein paar Lücken im Gästeblock abgesehen - im ca. 2.000 Mann fassenden Sektor hatten sich "nur" ca. 1.200 Saarbrücker einngefunden. Auf dem Platz standen sich 2 hypernervöse Mannschaften gegenüber, die sich sofort nichts schenkten und beide schnell zu Torchancen kamen. Die Rot-Weißen erzielten schnell das 1:0 (8. Minute, Müller), und dieser Treffer war wie ein Bruch des RWE-Spiels. Fortan war bis auf wenige Entlastungsangriffe nur noch Saarbrücken am Drücker : Spielerich sah das, was die Blau-Schwarzen zeigten, schon ganz klar nach 2. Liga aus. Hinzu kam, daß die Gäste sehr hart spielten, oftmals an der Grenze zum Erlaubten, und der Schiedsrichter sie gewähren ließ. Zwar lag er bei den wichtigen Entscheidungen fast immer richtig, nur hätten es 2/3 gelbe Karten mehr für die Randfranzosen sein müssen. - Nach 45 Minuten waren knapp 19.000 der 20.000 wohl der froh über den Halbzeitpfiff - doch auch nach Wiederbeginn drückte der FCS immer mehr und kam in der 63. Minute zum längst überfälligen Ausgleich. Nun dachten viele Anwesende, daß das Spiel kippen würde - zu oft in der Vergangenheit gaben die Thüringer entscheidende Spiele noch aus der Hand. Doch diesmal war es anders : Als haben die Rot-Weißen das Gegentor als Weckruf gebraucht, rissen sie das Spielgeschehen wieder an sich, besonders die Einwechslung von Enrico Neitzel sorgte schnell für neuen Schwung auf dem Platz. In der 79. Minute wurden alle Bemühungen endlich belohnt : Einen Schuß aufs Saarbrücker Tor konnte Ronny Hebestreit per Hacke zum vielumjubelten 2:1 abfälschen. Der Torpogo war der mit Abstand bewegenste, den ich jemals im Steigerwaldstadion erlebt habe - der Rest war nur noch Jubel. Nach 92 Minuten pfiff der Münchner Referee ab, die Tore wurden geöffnet - und 5 Minuten nach dem Spielende befanden sich mehr als 10.000 Menschen auf dem Rasen und ließen ihren Gefühlen freien Lauf. Natürlich mußte der Rasen dran glauben, sogar das Tor in der Südkurve wurde aus seinen Angeln gehoben und von Souvenierjägern mit nach Hause genommen. Es spielten sich Szenen ab, die man oft genug im Fernsehen erlebt hat - selbst unten auf dem Rasen zu stehen ist aber was ganz anderes : Es ist bewegend, es ist ganz ganz groß !
Bevor ich zum "Nachspiel" komme möchte ich noch ein paar Worte zur Stimmung verlieren : Diese war absolut Klasse. Sicherlich nicht so laut wie anderortes, aber für RWE-Verhältnisse einmalig. Die halbe Südkurve (bis unter die Anzeigetafel) beteiligte sich über die gesamte Spielzeit am Support. Das Intro war mit roten und weißen Luftballon-Schlangen und einem großen Transparent "Bahn frei für Liga 2" eher durchschnittlich - aber Dinge wie eine La Òla oder besonders der Wechselgesang zwischen Südkurve und Tribüne ("RWE" - "RWE" bzw. "Rot-Weiß" - "Erfurt") wußten schon zu beeindrucken. Schade nur daß die ehemalige Mitteldeutsche Kampfbahn extrem weitläufig und stimmungsfeindlich ist. In einem anderen Stadion wäre alles viel lauter rübergekommen. Es war laut, es war vielseitig und vor allem konstant - kurz gesagt einfach Klasse, nur kam es nicht rüber, schade. Ein weiteres Indiz dafür ist, daß man von der Südkurve quasi über 90 Minuten einen tobenden und supportenden Saarbrücker Block beobachten konnte, man aber leider nur 2 oder 3 mal überhaupt was gehört hat. Laut Aussagen von Tribünensitzern soll die Stimmung im Gästeblock beeindruckend gewesen sein.
Nun noch kurz zum Nachspiel : Nach ein paar Getränken im Fan-Haus und zum Schluß sogar Freibier auf dem Stadiongelände wurde ich von den "Treuen" noch kurzerhand zu einer Aufstiegsparty eingeladen, die in einem Garten stattfand und wo es neben lecker Bier, Rostbratwurst und Brätel auch noch eine ganz andere Spezialität gab : Private Videoaufnahmen aus 12 Jahren Erfurter Drittligafussball. Und so sahen alle Anwesenden nochmal die Pyro-Shows gegen Jena, Sachsen Leipzig oder Cottbus (aus dem Jahre 1996, wo woanders an Ultras noch gar nicht zu denken war), den Hundebiß in Fulda samt anschließender Krankenwagen-Parrade auf dem Spielfeld, den Einmarsch am Bahnhof von manchen Auswärtsspielen oder auch Bilder vom Spiel beim Spandauer SV im alten Stadion an der Neuendorfer Straße. Und da ich in den Mitschnitten oft genug die BRB-Boys-Fahne sah, überkam mich mit fortschreitender Stunde immer mehr das Gefühl, daß ich mich trotz der immer weniger gewordenen RWE-Besuche doch noch irgendwo dazugehörig fühle...