BVB – Hansa Rostock 4:1
Am Samstag hatte ich die große Auswahl, und machte mich nach der Maikundgebung in Herborn auf den Weg in Richtung Ruhrgebiet. Ursprünglich hatte ich den Besuch des alten Westderbys Preußen Münster – Rot-Weiß Essen eingeplant, doch ließ der mit Hansa Rostock für ins Wessis nicht unbedingt attraktiv scheinende Gegner des BVB erwarten, problemlos an eine Karte heranzukommen.
Deshalb beschloss ich, nach sechs Jahren noch einmal das Westfalenstadion heimzusuchen. Dort angekommen machte ich erst einmal ein langes Gesicht. Obwohl schon um 12:30 Uhr vor Ort, gab es keine geöffneten Tageskassen. Wohl doch zu früh gefreut. Während ich mir noch mein weiteres Tun bei einem Bierchen überlegte, erkannte wohl einer der Schwarzhändler mein verzweifeltes Gesicht, und bot mir eine Karte für die Osttribüne Block 54, Reihe 28, Platz 7, Normalpreis € 20,- zum „Schnäppchenpreis“ von € 25,- an.
Da mich trotz der kurzen Entfernung die Weiterfahrt nach Münster doch nicht mehr sonderlich reizte, entschloss ich mich, das Angebot anzunehmen, und beobachtete bei einigen Bierchen, und einer Bratwurst das schon erstaunlich frühzeitig einsetzende bunte Treiben auf dem Stadionvorplatz.
Eingedenk alter Zeiten in der DDR hatten sich einige Hansafans mit den entsprechenden Utensilien, wie dem blauen Halstuch der jungen Pioniere, oder einem, bei manchen Demonstranten doch schon etwas knappen Hemd der FDJ, für eine zünftige 1. Mai Demo ausgestattet. Nur schade, wenn dann erst ein Wessi kommen muss, um mit ihnen den Slogan „Hoch die internationale Solidarität!“ einzuüben. Zum Dank bewiesen sie dann aber mit der gelungenen Intonation des Liedes vom kleinen Trompeter, dass die Grundausbildung durch die jungen Pioniere doch nicht ganz für die Katz war.
Für mich war die eigentlich gute Idee aber nicht so ganz ausgereizt. Warum denn nicht ein Plakat mit der Aufschrift „Ich bin Kandidat für die Hansamitgliedschaft“. Einige Großplakate mit Fotos von Spielern der Mannschaft, oder des „Genossen Generalsekretär“ Jiri Schlüntz, hätte der Kundgebung ein noch authentischeres Flair verliehen.
Gesichtet habe ich auch einige Fans des BFC Dynamo, und deren Fastnamensvettern aus Dresden. Einige anwesende Cottbuser gedachten aber wohl eher, den BVB, als den FCH zu unterstützen, und auch die Liebe scheint nicht vor divergierenden Vereinspräferenzen halt zu machen.
Irgendwann war es dann aber doch an der Zeit, den Tempel zu betreten. Nun. Mit einem Platz im Oberrang der Osttribüne hatte ich ja schon gerechnet. Aber direkt unter dem Dach? Meine Güte. Geht das steil da hoch. Da folgt die Höhenangst unmittelbar dem Muskelkater. Dennoch ist die Übersicht von dort natürlich unübertrefflich.
Die Mannschaftsaufstellung der Heimelf bot dann doch einige Überraschungen. Madouni und Demel in der Innenverteidigung. Ob das wohl gut geht? Mit dem Anpfiff versuchte der BVB das Heft in die Hand zu nehmen. Dies gelang aber weniger, weil einige Anspiele im Mittelfeld nicht unbedingt von großer Präzision gekennzeichnet waren. Hierbei leistete sich der mit diesem Teil des Aufgabengebiets offensichtlich überforderte Madouni einige eklatante Fehlpässe. Kein Wunder, wenn Hansa die erste Großchance besaß, wobei ein Fernschuss nur knapp über das Tor ging.
Der BVB hingegen ließ nur erahnen, wie sich Sammer den Verlauf des Spieles vorstellte. Diesmal sollte es wohl bevorzugt über die Außen versucht werden. Eine für den BVB offenbar relativ neue Erkenntnis, wenn man sich die ansonsten getätigten 08/15 Pässe auf Koller ins Sturmzentrum anschaut, der dort die Bälle auf seine Mitspieler verteilen soll.
Dem 1:0 ging eine von Thorsten Frings getretene Ecke voraus, die von dem von mir inzwischen schon äußerst kritisch beäugten Madouni per Kopf versenkt wurde. Na. Da sah die Abwehr aber nicht sonderlich standhaft aus. Auch die nächste Großchance resultierte aus einer Ecke von rechts. Frings auf den kurzen Pfosten zu Koller. Kopfballverlängerung auf Ewerthon, der den Ball aber knapp am Pfosten vorbeisetzt. Wie er dieses Kunststück aus einem Meter Entfernung fertig gebracht hat, wird sich selbst dem wohl gesonnenen Beobachter niemals so recht erschließen.
Auch das 2:0 war das Ergebnis einer diesmal aber von links getretenen Ecke. Der Ball wird erneut mit dem Kopf auf den kleinwüchsigen Ewerthon verlängert, der, am zweiten Pfosten stehend, den wahrscheinlich ersten Kopfballtreffer seiner Karriere erzielt.
Dortmund allerdings immer noch nicht sonderlich souverän. Immer wieder sorgte der ein oder andere Fehlpass im Mittelfeld für einen erhöhten Adrenalinspiegel meinerseits. Nur gut, dass Demel Hansastürmer Martin Max recht gut im Griff hatte, und das Hansa Mittelfeld mit den unfreiwilligen Geschenken nichts anzufangen wusste.
Das 3:0 fiel dann endlich aus dem Spiel heraus. In der 38. Minute ging Demel auf rechts durch, marschierte bis zur Grundlinie, und flankte scharf nach innen. Dort schraubte sich Jan Koller in die Höhe, und drückte, trotz bedenklicher Rücklage, den Ball per Kopf über die Linie.
Bis zur Halbzeit plätscherte das Spiel dann ereignislos vor sich hin, was die Fans von Hansa zum weiterhin optimistischen Anstimmen des Rufes „Auswärtssieg“ animierte. Chapeau Mesdames et Messieurs. Eine insgesamt hervorragende Leistung der Supportercrew. Die Fans der Heimelf hingegen erfreuten sich zwischenzeitlich eher an den über die Videowand eingeblendeten Zwischenergebnissen aus Bremen
In der zweiten Hälfte dann immer wieder der engagierte Dede über links, und Evanilsson über rechts. Nur Jensen sollte seine Flanken doch noch etwas üben. Nach etwa 55 Minuten kam der Gast dann etwas besser ins Spiel, und lancierte einige Angriffe, die aber immer wieder verpufften. Dennoch erreichte eine Flanke von rechts den freistehenden Martin Max am linken Eck des Fünfmeterraums, der, vollkommen unbedrängt, den Anschlusstreffer markierte. Wenn Roman Weidenfeller sich in dieser Form hätte überflanken lassen, wäre das Zetern fanseitig groß gewesen, doch besitzt der Franzose Warmusz als Torwart die wohl weitaus größere Lobby. Für mich jedenfalls liegt das weitaus größere Potential immer noch beim derzeitigen Ersatzkeeper.
Weitere Angriffe der Gäste waren die Folge, die aber von einem erfolgreich abgeschlossenen Konter des eingewechselten Odonkor im Keime erstickt wurden. Die gelbe Karte für das Verschenken seines doppelt übergestreiften Trikots seitens des Schiedsrichters fand ich dann doch etwas übertrieben. Der Torschütze hingegen nahm die Angelegenheit wohl weniger tragisch.
Nur schade, dass der BVB gegen immer mehr abbauende Rostocker nichts für sein Torverhältnis tat. Dafür wurden die Angriffe aber zu inkonsequent vorgetragen. Dennoch Grund genug, ein ums andere Mal „La Ola“ durch das Stadion laufen zu lassen.
Warum die Journalisten nach dem Spiel aber dem meines Erachtens recht unauffällig agierenden Sebastian Kehl den Titel „Spieler des Tages“ verliehen, erschließt sich mir nicht so ganz. Dieser gebührte meines Erachtens eher dem eifrigen Dede. Aber auch Thorsten Frings wäre ein akzeptabler Kandidat gewesen.
Fazit: 83000 Zuschauer können ein Höllenspektakel veranstalten, doch lässt sich diese Masse von der Südtribüne nur schwerlich kontrollieren. Da hatten es die Rostocker trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit doch etwas leichter.
Spieltaktisch gesehen trug die Maßnahme von Sammer, das Flügelspiel mit hohen Flanken nach innen zu forcieren, offensichtlich Früchte. Hierbei war die linke Seite mit Dede und Jensen aber stärker als deren Pendant auf rechts mit Evanillson und Gambesi, wobei der letztgenannte, im Wechsel mit Ewerthon, häufig nach innen rückte. So wird jedoch dem unermüdlichen und effektiven Jan Koller einiges an Last abgenommen. Auch die „junge“ französische Innenverteidigung hat Potential, wenn es insbesondere Madouni gelingt, seine Defizite im Spielaufbau zu beseitigen.
GAGA