Sportvereine in der Hauptverantwortung für soziale Missstände?
Die Vorkommnisse von Gewalt und Rassismus beim Fußball in den letzten Wochen haben eine Lawine von Pressemitteilungen, Medienberichten, Äußerungen der Polizei/Verbände und Politiker losgetreten.
Grund genug, dass wir, die 79er, eine sportbegeisterte Fangruppierung, uns Gedanken gemacht haben.
Uns beschäftigt die Frage: kann man wirklich die Sportvereine verantwortlich für Gewalt und Rassismus machen? Wir sagen ganz deutlich: NEIN!
Wir sind seit mehr als 30 Jahren leidenschaftliche Fußballfans. Viele von uns spielten jahrelang Fußball; einige sind noch heute aktiv.
Mittlerweile spielen auch unsere Kinder mit Freude und Leidenschaft Fußball in Vereinen.
Sportvereine, insbesondere die Fußballvereine, haben weltweit eine über 100jährige Tradition. Sportler aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Schichten, Herkunft, Religion und Hautfarbe fanden zueinander. Unsere Kinder & Jugendlichen lernen nicht nur den Sport kennen; sie lernen vor allem soziale Eigenschaften, wie Achtung und Respekt vor anderen Menschen, Selbstbewusstsein, Umgang mit Sieg und Niederlage, Fairness, aber auch Ehrgeiz, Fleiß, Ordnung und Disziplin kennen. So werden Aggressionen, Frust, Vorurteile abgebaut; sie bekommen neben ihrem Elternhaus und Schule einen wichtigen gesellschaftlichen Rückhalt in ihrem Leben!
Realisiert wird dies durch die überwiegend ehrenamtliche, engagierte Arbeit von Trainern, Helfern und Vereinsfunktionären. Nicht vergessen dürfen wir die Hilfe und Unterstützung von Lottogeldern oder Großfirmen. Viele Vereine sind auf Spenden angewiesen; kämpfen täglich ums Überleben und werden oft von Wirtschaft und Politik im Stich gelassen.
Ursachen für die Gewaltausbrüche Einzelner sind gesellschaftliche Missstände, soziale Probleme und Brennpunkte. Die Verantwortlichen aus der Politik reagieren darauf seit Jahren mit Hilflosigkeit und einem immer größer werdendem Polizeiaufgebot. Gewalt wird mit Gegengewalt beantwortet, so dreht sich die Gewaltspirale immer weiter. Die wirklichen Ursachen dieser gesellschaftlichen Brennpunkte werden ignoriert und medienwirksam, parteikonform ausgeschlachtet. Hierfür werden Unsummen von Geldern verschwendet.
Wir fragen uns, warum? Warum werden diese Gelder nicht wenigstens bruchteilhaft in Jugend- und Fanprojekte basisorientiert eingesetzt? Es würde helfen, die Probleme an der Wurzel zu packen! Stattdessen werden in Sitzungen von Politikern und Verbänden aus unserer Sicht unsinnige und vor allem unfassbare Entscheidungen gefällt. Die Sportvereine sollen zur Verantwortung gezogen werden und somit die Hauptverantwortung für soziale Missstände und deren Auswirkungen tragen.
Auswirkungen dieser Entscheidungen würden u.a. die Aussetzung vom Spielbetrieb oder die Auflösung von Vereinen bedeuten. Das wäre aber genau der falsche Ansatz! Damit trifft man genau die, die ihre ganze Kraft, Energie und Zeit in die Bekämpfung der Ursachen stecken. Die sollen bestraft werden? Was verspricht man sich davon?
Vereine verschwinden, der Spielbetrieb wird eingestellt – doch die sozialen Probleme bleiben und verstärken sich!
Mit solchen Entscheidungen zerstört man wichtige gesellschaftliche Grundpfeiler. Das kann nicht die Lösung sein.
Wir sprechen uns daher gegen die Bestrafung und Verurteilung von Vereinen aus.
Die Bekämpfung der Probleme an der Wurzel und deren Ursachen wäre die richtige Maßnahme. Fangt hier an! Das eigentliche Problem kann der Fußball nicht lösen. Gewaltbereite Menschen gehören mittlerweile leider zum Alltag in unserer Gesellschaft. Der Fußball ist für Einzelne von ihnen eine Bühne, er ist aber nicht die Ursache der Aggressionen. Die haben andere Wurzeln. Sie einzudämmen, ist vor allem eine Aufgabe der Politik.
Fangruppe 79er
Torsten von Wietersheim
Präsident der 79er
Unterstützt diesen offenen Brief per E-Mail an 79er-@gmx.de