Weihnachten ist Geschichte, das neue Jahr steht vor der Tür. Ganz Deutschland liegt in dieser bleiernen Zeit vollgefressen auf dem Diwan, antriebslos, gequält von abartigsten Wiederholungen im sonst schon unerträglichen Fernsehen. Nur Deutschlands rebellische Jugend findet beim Spiel mit den Weihnachtsgeschenken einen Zeitvertreib. Nicht mit mir! Fest entschlossen, dieser Tristesse zu entfliehen, wurde schon Wochen vorher der Matchkalender des Kicker auf Fußballspiele im fraglichen Zeitraum überprüft. Dort kann man zwar seit der letzten Überarbeitung die einzelnen Tage nicht mehr in neuen Fenstern öffnen (Glückwunsch dazu), dafür wurden endlich auch die Termine des isländischen Frauenfußballs und der skandinavischen Polizeimeisterschaften aufgenommen. Oder eben die der maltesischen BOV Premier League. Und da sonst nur Nebel und Regen im Vereinigten Königreich auf dem Programm standen, fiel die Wahl auf Malta. Besoffene Engländer gibt es dort schließlich auch genug. Ein Mitfahrer war schnell gefunden, die Reise ebenso schnell gebucht, und fertig war die Flucht vor den schleppend dahinmäandrierenden Tagen im Weihnachtsland Sachsen. Hätte ich damals allerdings gewußt, daß ich am Heiligabend einen Apfelschäler samt Apfelteiler geschenkt bekomme, wäre ich zuhause geblieben und hätte eine Obstdiät begonnen. Denn mit diesem Wunderwerk aus Polyamidzahnrädern wird eine lästige Pflichtaufgabe zum reinen Vergnügen. Der deutsche DIN-Norm-Apfel kann endlich binnen Sekunden von seiner Schale befreit und in acht handliche Stücke zerteilt werden. Damit ist unser Heimatland wieder an der Spitze des technischen Fortschritts angekommen.
Beseelt von solchen Zukunftsaussichten machte ich mich auf ins EU-Mitgliedsland Malta. AirMalta fliegt unter anderem von Berlin-Tegel auf die Inselrepublik. Wenn ich jetzt schreiben würde, daß Malta mit seinen 400 000 Einwohnern das kleinste Land mit einer eigenen nationalen Fluggesellschaft ist, würden sicher die wenigsten widersprechen. Tja, denkste, Puppe. Tatsächlich gibt es noch dutzende andere noch kleinere Zwergstaaten mit einer solchen hochtrabenden Institution. Spitzenreiter ist nach meinen Recherchen Nauru (12 000 Einwohner), das mit einem von Taiwan geschenkten Jet die Südsee unsicher macht. Faszinierend. Da könnten auch Penig oder Aue eine Fluglinie unterhalten...
Aufgrund solcher Tatsachen war es für uns nur wenig verwunderlich, daß wir offensichtlich die einzigen Fluggäste waren, die zwei Stunden vor Abflug am Schalter von AirMalta ihre Flugtickets holen wollten. Eine weitere halbe Stunde später lugte dann sogar eine Mitarbeiterin aus ihrem Kabuff und stellte die Frage, die man von Fachkraft in so einer Situation erwartet: „Wollen Sie etwa zu mir?“. Ja, wollen wir. Wir warten sogar schon 3 Stunden darauf. Wie sich dann herausstellte, hatte uns AirMalta hereingelegt und uns schon die Tickets geschickt. Warum auf denen die Aufforderung stand, zum Schalter zu kommen, ist bis heute nicht restlos aufgeklärt. Wenigstens konnten wir so die 20 Teilnehmer des Osama-bin-Laden-Ähnlichkeitswettbewerbs beim Einchecken nach Istanbul beobachten.
Der aufmerksame Leser merkt an dieser Stelle vielleicht, daß ich als erfahrener Weltreisender bisher nur minimale Erfahrungen mit Flugreisen gesammelt habe. Sonst wäre ich wahrscheinlich auch nicht mit dem Auto zum Flughafen gereist. Bei den Kosten für den Stellplatz war ich jedenfalls sicher, bei meiner Rückkehr vergoldete Felgen an meinem Vehikel vorzufinden.
Ein ereignisloser Flug ohne geschälte Äpfel (Ha, Barbaren!) brachte uns dann zu unserem Reiseziel, dessen Flughafen ungefähr die Hälfte der Fläche des Landes einnimmt. Entgegen meinen Befürchtungen bestanden auch nicht 80 Prozent der Mitreisenden aus deutschen Groundhoppern, eher waren die Graukappenhools dominierend. Malta wird voraussichtlich 2008 den Euro einführen, die Münzsammler sollten sich also sputen. Derzeit bekommt man für 2,50 Euro etwa einen maltesischen Lira, die Preise auf der Insel sind in etwa mit den deutschen vergleichbar.
3 Tage Aufenthalt warteten auf uns, der erste sollte uns nach einem ausgedehnten Frühstück mit tätowierten englischen Rentnern und ihren rote Bohnen fressenden Schabracken aus Bugibba in die Hauptstadt Valletta führen. Im wesentlichen gibt es auf Malta zwei Möglichkeiten der Fortbewegung. Vom Mietwagen ist allerdings dringend abzuraten, wenn man nicht Erfahrungen als Geisterfahrer in Rumänien gesammelt hat. In Malta gönnt man sich nämlich die putzige Eigenart, die uralten Kleinwagen ohne allzu große Rücksicht auf Verkehrsregeln auf der linken Straßenseite über die teilweise kaputten Straßen zu jagen. Deshalb bietet sich der Busverkehr geradezu an.
Da der Berichtsschreiber hauptsächlich als Verfasser eines Nachschlagewerkes für einen weltbekannten Chemnitzer Baustoffprüfer engagiert worden ist, muß ich dem Kapitel „Busfahren in Malta“ einen eigenen Abschnitt widmen. Erster Schritt ist das Besorgen eines Fahrplanes, den man normalerweise im Hotel bekommt. Anschließend sollte man diesen mitsamt aller 100 Linien auswendig lernen, denn andere Orientierungshilfen sind rar gesät. An den Haltestellen findet man meist keine Angaben über Linien, genaue Termine gibt es gleich gar nirgends nicht. Demzufolge muß man dann an der Haltestelle blitzschnell die Liniennummer im Busfenster erkennen, mit dem DIN-A4-Fahrplan in seiner Hand vergleichen, ob diese Linie zum gewünschten Zielort fährt, und dann durch Handzeichen verständlich machen, daß man es begrüßen würde, wenn der Busfahrer einen Halt an der eigenen Haltestelle wohlwollend in Erwägung ziehen würde. Sonst wird man nämlich durchaus einfach stehengelassen, was auch bei einem vollbesetzten Bus passieren kann. Und Maltas Busse sind generell vollbesetzt. Grund hierfür sind die Preise, die von 20 Cent bis zu einem 1 Lira reichen, unabhängig von der Zahl der gefahrenen Stationen.
Im Bus gibt es auch einiges zu beachten. Wenn man aussteigen will, betätigt man eine Klingel an der Busdecke. Allerdings erinnern wir uns, daß die Haltestellen nicht mit überflüssigen Informationen wie Ortsnamen beschriftet sind. Im endlosen Häusermeer Maltas sollte man daher den Kontakt mit den Mitreisenden aufnehmen, um sein Ziel auch tatsächlich finden zu können. Übrigens führen die meisten Buslinien zum zentralen Platz in Valletta, von dem man einen idealen Startpunkt für eine Besichtigung der alten Festungsstadt hat.
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Valletta hat einiges zu bieten: Vom Shopping auf der Hauptstraße über beeindruckende Aussichtspunkte, die sehenswerte Kathedrale, malerische Gassen bis zu den Museen über die Kriege, die um das kleine, aber stets wichtige Malta geführt wurden.
Tag zwei sollte von einem abendlichen Erstligaspiel im Nationalstadion gekrönt werden. Dieses liegt im Ta’Qali Crafts Village, einem Touristennepp im Nirgendwo zwischen Mosta und Mdina. Wer hier ebenfalls ein Abendspiel sieht, sollte den Rest des Tages zur Besichtigung der Umgebung nutzen. Von Mdina aus kann man beispielsweise am Palast des Präsidenten vorbei zu den steinzeitlichen Schleifspuren und den Klippen an der Südküste wandern. Der Bus übernimmt den Rücktransport. Allerdings rate ich davon ab, wie mein Mitfahrer zu versuchen, das Fenster auf der letzten Bank zu öffnen. Das ist nämlich kein Fenster, sondern ein Notausstieg. Und wenn man den nicht wieder zukriegt, muß man es ganz unauffällig festhalten, um einerseits nicht aus dem Bus zu fallen und andererseits nicht parkende Autos mit der geöffneten Tür zu demolieren. Irgendwann bekam dann leider der Busfahrer den ganzen Spaß mit und beendete mit bösem Blick die Vorstellung. Zurück in Mdina empfehle ich dringend das Restaurant „Belle Vue“ am Busplatz, wo man zu günstigen Preisen hervorragendes Essen bekommt, zum Beispiel das Nationalgericht Timpana, eine Art Pastaauflauf. Vom maltesischen Hasen war ich in Valletta schon geheilt worden, da dieses Gericht etwas von Leichenschändung hat: Man bekommt ein braun angemaltes Hasenskelett...
In Mdina selber kann man dann eine atemberaubende Aussicht auf Malta genießen:
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Auch das Nationalstadion, übrigens ein Geschenk von Gaddafi, sieht man von der Festungsmauer. In Hoppingberichten heißt es immer wieder, daß abends kein Bus mehr vom Stadion abfährt. Das ist zwar richtig, allerdings kann auch dieses Problem gelöst werden. Auf dem Bild vom Nationalstadion ist nämlich im Hintergrund Mosta zu sehen, an dessen Kuppelkirche bis 21.30 Uhr Busse nach Valletta oder Bugibba fahren. Wer also rechtzeitig am Stadion aufbricht, erreicht nach einem kleinen Fußmarsch recht schnell wieder den ÖPNV. Aus diesem Grund sahen wir auch nur das erste Spiel des Tages zwischen Birkirkara und den Sliema Wanderers. Wer wie ich im Sommer die ersten Qualifikationsrunden der Champions-League und des Uefa-Cups verfolgt, ist diesen Exoten vielleicht schon einmal begegnet. Wie Europapokalteilnehmer spielten sie aber beileibe nicht, dafür war die Zuschauerresonanz sehr beachtlich. Auf der sehr gut gefüllten Haupttribüne war je einer der Sitzplatzblöcke für die Anhänger der beiden Teams reserviert. Zwar gibt es einige Zaunfahnen und Fanartikel, mit Stimmung sieht es aber erwartungsgemäß ganz schlecht aus. Das sollte sich auch beim Kick am nächsten Tag nicht ändern, obwohl hier sogar der Spitzenreiter der Liga im Victor Tedesco Ground antrat. Dieser liegt in Hamrun, einem Vorort von Valletta, und ist nicht ganz einfach zu finden. Ansonsten finden Erstligaspiele meines Wissens nur noch im Hibernians Ground in Paola statt, den man als Busreisender aus Valletta gar nicht übersehen kann.
In Malta finden übrigens grundsätzlich zwei Spiele hintereinander statt, wobei der Eintritt von 3 Lire für beide Spiele gilt. Wer allerdings erst zum zweiten Spiel eintrifft, bezahlt trotzdem den gleichen Preis.
Fazit: Malta ist eine Reise wert, der maltesische Fußball ist durch fehlendes Niveau und mangelnde Stimmung nur etwas für den Liebhaber. Da auf der Insel im Sommer extreme Temperaturen herrschen, bietet sich ein Kurztrip im Winter geradezu an, zumal zwei Wochen auf einer so kleinen Insel auch nicht jeden reizen.
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