Zur Einleitung für die nun folgende Preziose der Amateurberichterstattung zu selbstfinanzierten bundeslandübergreifenden Auswärtsfahrten mit Berliner Drittligafussballern, eine kleine Seitenarabeske zum letztens beschwingt diskutierten Thema Spielernoten: wenn ich mich recht erinnere, las ich vor einiger Zeit in einer der besseren Belletristikfußballpublikationen, Tim Parks 'Eine Saison Mit Verona', einmal etwas über den Usus der Benotung der Spieler in der Italienischen Tagespresse. Die These war, dass es scheissegal ist, wie gut ein Spieler war, sondern dass bei einem Bewertungssystem von 1 (merda) bis 10 (grandioso) die Spieler immer eine Note zwischen 5 und 7 bekommen. Das sei halt Tradition, war wohl die Behauptung neben einigen evtl auch etwas gewagteren Thesen, aber ein alter Mann ist schliesslich keine Datenbank (und ich habe das Buch ohnehin an Unbekannt verborgt...). Nun nahm ich gestern einmal eine Repubblica von letzten Montag in die Hand - mit den Spielberichten und -benotungen aller Seria-A-Partien des Wochenendes. In allen 10 Spielen gab es insgesamt genau einen Spieler mit einer 4, der Rest - zwischen 5 und 7.;)
Zum insgesamt 5. Mal verschlug es den schönsten FC Union der Welt, der nicht aus Solingen stammt, nach Lübeck und mit ihm auch die Besatzung des Partybenz. Die bisherige Bilanz las sich ausgeglichen "auf" der Lohmühle, wie es die Originaldiktion verlangt. 4 Spiele, 2 FCU-Siege, 2 VfB-Siege, wobei letzteres natürlich nur durch schlechte Schiedsrichterleistungen oder andere mafiöse Begleitumstände zu erklären ist. A propos Schiedsrichter: der zuletzt als "Quotenschiri" in die Kritik gekommene Babak Rafati erkrankte kurzfristig, so dass das Elfmetergespenst aus Düsseldorf die Spielleitung zugewiesen kam: Kuno Fischer. Der damals von ihm in der 93. verhängte unberechtigte Elfmeter bedeutete den Anfang der Niederlagenserie, die jedoch glücklicherweise am letzten Wochenende mit dem 2:0 gegen Dortmund II gestoppt werden konnte. So ausgeglichen wie die Bilanz bisher war auch das Tabellenbild, mit jeweils 24 Punkten waren der VfB und Union vor der Partie Tabellennachbarn.
Die Lohmühle im speziellen und Lübeck im allgemeinen sind im Übrigen relativ unspektakulär, auch wenn man auch beim 5. Besuch jedes mal etwas neues entdecken kann - diesmal war es der Schnaps, den es unter der Tribüne zu kaufen gibt, in der dritten Liga nicht unbedingt alltäglich. Dafür, und hier gibt es ein ganz böses Dudu oder Siesie, wurden die Eintrittspreise erhöht, anstatt der sonst zu entrichtenden 3,50 für die ermässigte Gästeblockkarte wurden dieses mal 6,00 fällig - von der Tribüne ganz zu schweigen :cry:. Bei schwachen 4.200 Zuschauern (Lübeck lag im Heimschnitt sogar knapp vor Union) fanden sich dennoch etwa 1.000 Berliner und Artverwandte im Stadion ein. Zur Begrüssung wurde ihnen auch zum Unmut der Heimfans die Hagen präsentiert, kurz gefolgt von der VfB-Hymne Youll never walk alone...
Da zu fortgeschrittener Saison die Spieler bei jeder Mannschaft knapp wurden, lief auch heute wieder nicht die numerische Bestbesetzung Unions auf. Rechtsverteidiger Göhlert verletzte sich zusätzlich im Abschlusstraining, so dass Coach S. in die drollige Verlegehnheit kam, beide Aussenbahnen komplett mit Linksfüssen besetzen zu müssen. Ich finde solche Massnahmen zwar eher bedenklich, aber manchmal ist Systemtreue halt alles, was?
Um es vorwegzunehmen (wie bei Columbo! :freak: es war ein sehr einseitiges Spiel. Das die Mannschaft mit den 30 Prozent Ballbesitz gewann. Wie kam es nun dazu? Die Lösung ist relativ einfach: weil Lübeck doof ist. Also nicht als Kardinalvorwurd gegen Stadt und Einwohner, ich bin mir sicher, es gibt dort ein paar verlässliche Kfz-Mechaniker und eine Handvoll hübsche Vorzimmerdamen, nein, der Stolz der Lübecker Fussballwelt soll hiermit gedisst werden. Sagt man so. Nach beschwingten ersten 10 Minuten stellte Union nämlich leider grösstenteils das Fussballspielen ein. Zu dumm für die Gastgeber, dass diese zehn Minuten zu zewi Grosschancen gereichten, von denen eine Kapitän Biermann nach Vorlage vom Ex-Lübecker Streit aus kürzester Distanz knapp über die Linie drücken konnte.
Was dann folgte war ein Sturmlauf der Enttäuschten. Die letzen beiden Spiele, zuhause gegen Werder II bei Hertha II, hatte Lübeck verloren, und da das Saisonziel Aufstieg bei 4 Punkten Rückstand auf Platz eins eigentlich schon abgeschrieben werden kann, hüstel, stand Trainer und Hobbyphilosoph Bernd Hollerbach erheblich unter Druck, wobei das Problem aus sicht des parteiischen Beobachters allerdings eher die mangelnde Qualität seiner Spieler zu sein scheint. Bis auf diverse exzellent ausgeführte Standards brachte nämlcih seine Truppe kaum etwas sinnvolles zustande, und wenn mich mein Gedächtnis nciht bescheisst, habe ich in dieser Saison noch keinen Kopfballgegentreffer nach einem Standard gegen uns ertragen müssen - also sind gute Standards noch nicht mal ein Erfolgsgarant. Ist ja auch klar, Glinker ist ein solider bis guter Torwart und in der Innenverteidigung spielen mit Stuff und Schulz insgesamt knapp 4 Meter Körperhöhe, die mit dem Schädel wieder gutmachen konnten, was ihre Kollegen grösstenteils ohne eben jenes nicht zu unterschätzende Werkzeug verzapften.
Der Punkt ist, dass Lübeck wirklich drückte und wollte, aber in diesem imaginären Dreieck vor Glinker war immer Endstation. Wenn die Heimmannschaft mal mauert, hört man von bekloppten Phrasenrecyclern gerne: "verkehrte Welt - Kontern in eigenen Stadion!". Ich bin also heute geneigt, zu juchzen: "Richtige Welt: Angreifen im eigenen Stadion! Der Gast steht hinten drin und kontert! So muss es sein und nciht anders!". Naja, ich kann mich zurückhalten. Ich habe 15:2 Ecken für Lübeck gezählt, und wie oben erwähnt schätze ich etwa 70 Prozent Ballbesitz (und etwa 90 in Hälfte 2) für Heim, aber eigentlich gab es nur 2 gefährliche Torschüsse, und denen wurde Glinker Herr, einmal sogar sensationell (57.). Leider traf diesmal nicht eine weitere Kommentatorenwahrheit zu, nämlich, dass sich sowas immer rächen würde. Zwar tauchte Benyamina zweimal alleine vor Torwart Frecher auf, jedoch versagte er beide male kläglichst. Nun könnte man natürlich weiter phrasendreschend fabulieren, dass sich dann eben DAS rächen müsste - aber auch Fehlanzeige. Lübeck war einfach viel zu einfallslos und schwach gegen die konsequent mauernden Unioner.
Kurz vor Ende bekam dann auch noch Schiri Fischer die Chance, sich für seinen Fehler in Düsseldorf zu revanchieren. Nach einer etwas undurchsichtigen Situation gab es an/auf/hinter/vor/weissnichtgenau Strafraumlinie ein klares Handspiel eines der 4 langen Blonden dahinten (ich tippe auf Bergner), aber der fällige Pfiff blieb aus. Die lethargischen Heimfans protestierten allerdings nicht einmal besonders lautstark, neben dem spielverlaufsbedingten Stimmungsplus im Awayblock hatten die Lübecker genug damit zu tun, ihren Coach zu verdammen. Ist der nun eigentlich schon gefeuert?
In der etwas hektischen Endphase ententspannte Herr Bergner die personelle Lage noch ein wenig, indem er sich für sein zweites Stolperschubsfoul die Gelbrote Karte abholte. Es fällt in der Summe schwer, über das verdient oder nicht verdient dieses ersten Auswärtssieges seit dem 1.10. ein Urteil zu bilden, aber sagen wir es einmal so: Wer keinen zählbaren Vorteil daraus zieht, dass er alle Einwürfe von Kaiser direkt in den Fuss gespielt bekommt, der darf auch nicht gewinnen. Und gegen uns schon gar nicht. Eisern Union!
..............................Glinker 2
Kaiser 4,5........Stuff 2.......Schulz 2.......Ruprecht 3,5
.............................Bergner 4
Biermann 3,5............Spork 5..................Streit 3
.........Benyamina 5..............Patschinski 4,5
Wechsel: Weber für Patschinski (88.), Rogoli für Streit (90.+2)
Tor: 0:1 Biermann (7.)
Gelb-Rot: Bergner (90.)
Zuschauer: 4.200 (1.000)