Na endlich Donnerstag. Nach der Arbeit schnell nach Hause, und die präparierte Checkliste abgehakt. Krankenversicherungskarte? Dabei! Ausweis und Reisebestätigung? Dabei! Die Mappe mit dem lebenswichtigen Insulin? Dabei! Im Koffer ist auch alles drin. Stopp. Sicher ist sicher. Schnell noch eine zusätzliche Flasche Insulin und eine Ersatzspritze in die Hosentasche, der kluge Mann baut eben vor, und fertig waren meine Reisevorbereitungen für einen Wochenendtrip nach Glasgow.
Organisiert wurde dieser Trip von einigen Freunden aus dem Internet, die sich u.a. schon im Frühjahr auf den Weg gemacht hatten, und mit ihren Berichten alte Sehnsüchte schürten. Gebucht wurde deshalb ein Wochenendtrip, der den Besuch der Partien Celtic gegen Inverness, und Heart of Midlothian gegen die Rangers beinhaltete. Insgesamt bestand unsere Gruppe aus acht Mitreisenden, von denen, bis auf meine Wenigkeit, alle gebürtige "Ossis" waren, deren drei es nach der Wende in den "Westen" verschlagen hatte, ohne dabei, bis auf eine Ausnahme, ihre fußballerischen Präferenzen aufzugeben.
Die größte Unbekannte in diesem Quartett dürfte hierbei Inverness FC darstellen, weshalb ich die Gelegenheit nutze, auf diesen Verein etwas näher einzugehen. Der Klub mit dem kompletten Name Inverness Caledonian Thistle Football Club entstand im Jahre 1994 als Zusammenschluss der Vereine Inverness Thistle F.C. and Caledonian F.C, die beide im Jahre 1888 zu den Gründungsmitgliedern der North of Scotland Football Asscociation gehörten, wobei deren Wurzeln in das Jahr 1885, bzw. 1886 zurückreichen
Beide Vereinigungen trennte zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine eingefleischte Rivalität, doch zwangen wirtschaftliche Begebenheiten, die Neueinteilung der schottischen Liga in vier Divisionen mit je zehn Vereinen im Jahre 1993, und einem deshalb erwarteten Dahindümpeln beider Vereine in der dritten schottischen Liga, dazu, gemeinsam einen Weg zu suchen, eine Phalanx der "Highlands" in die eher von den "Lowlands" dominierten Fußballszenerie zu schlagen.
In der Saison 1996/97 gelang, nach einem jahrelangen Aufenthalt in der dritten Liga, dann endlich der Aufstieg in die zweite schottische Division, wobei am 09.11.1996 das neue Stadion mit einem 1:1 gegen die Albion Rovers eingeweiht wurde. Somit war nun auch endgültig der Weg vom Feierabendfußball zum Vollprofitum geebnet, der in der Spielzeit 1998/99 seinen krönenden Abschluss mit dem Aufstieg in die erste Liga, nicht zu verwechseln mit der Premiere League, fand.
Die Saison 99/00 brachte einen weiteren Höhepunkt im Vereinsleben, als Celtic Glasgow in deren Stadion mit 1:3 aus dem schottischen Pokal eliminiert wurde, und mit dem sechsten Platz gleichzeitig der Ligenerhalt gesichert werden konnte. Leider zeigten sich in diesem Jahr extreme Finanzprobleme, die in der darauf folgenden Spielzeit gelöst schienen, aber nur um am Ende der Spielzeit 2000/2001 erneut aufzutreten. Dies führte zum Rücktritt fast des gesamten Vorstands. Dennoch beendete das Team die Saison auf einem kaum für möglich gehaltenen vierten Platz, dem ein sechster im nächsten Jahr folgte
In der darauf folgenden Spielzeit kam es zu einem erneuten Duell gegen Celtic Glasgow im schottischen Pokal, in welchem die Grün-Weißen diesmal mit 1:0 den Kürzeren zogen. Im Semifinale ging es dann gegen Dundee United, wo man in Glasgows Hampden Park mit einer 1:0 Niederlage die Segel streichen musste.
Im sich anschließenden Jahr gelang mit dem ersten Platz der Aufstieg in die Premier League, der von einem weiteren Einzug in das Halbfinale des schottischen Pokals begleitet wurde. Dort unterlag man allerdings Dunfermline mit 2:3. Dies war umso ärgerlicher, als die Teilnahme am Finale wegen der vorzeitigen Qualifikation des Widerparts Celtic Glasgow für die Champions League gleichzeitig einen Platz im UEFA-Cup garantierte hätte.
Mit dem Aufstieg einher ging der erneute Umbau des Tulloch Caledonian Stadium gemäß den Anforderungen des schottischen Fußballverbandes, der größtenteils von einem privaten Unternehmen finanziert wurde, und dessen Name die 7500 Zuschauer fassende Spielstätte nun ziert. Während dieser Zeit wurden die Heimspiele übrigens im 200 Kilometer entfernten Aberdeen ausgetragen.
In den folgenden beiden Spielzeiten gelang es dem Verein erfolgreich, sich in der SPL zu etablieren, ohne dabei den "Großen" wirklich Paroli bieten zu können, was angesichts der Größe des Stadions, und der Begrenztheit der finanziellen Mittel nicht weiter verwunderlich ist. Derzeit rangiert der Verein auf Rang 5 der SPL, und scheint in diesem Jahr sogar der Abstiegsrunde entrinnen zu können.
Dem gegenüber hieße es Eulen nach Athen tragen, die Rivalität der beiden Glasgower Vereine dem Leser näher zu bringen. 51 schottische Meisterschaften gegen 40. Blau gegen Grün, Evangelisch gegen Katholisch, "Briten" gegen Schotten, oder soll ich besser sagen Iren, Gers gegen The Bhoys, Gut gegen Böse, Reich gegen Arm, Ibrox Park (50411 Zuschauer) gegen Celtic Park (60832), aber auch Goliath gegen Goliath. Ein Kampf, der mindestens viermal jährlich im so genannten Old firm seinen Niederschlag findet. Das geht sogar soweit, dass beide Vereine dazu übergegangen sind, verbilligte Dauerkarten zu verkaufen, die das Stadtderby explizit ausschließen. Nur. Welcher Fan lässt sich ein solches Ereignis schon freiwillig entgehen?
Sinnbild dieser Rivalität bleibt für mich der Auftritt von Paul Cascoigne in einem Derby, der nach seinem Treffer für die manchmal auch Hunnen genannten Rangers im Stile eines Flötenpfeifers des nordirischen "Oranjemarsches" am Fanblock der Celtics vorbeidefilierte.
Kenner der Szene behaupten allerdings, dass die Probleme des schottischen Fußballs im internationalen Wettbewerb genau in dieser Konstellation bestehen. Was fehlt ist die permanente Konkurrenzsituation mehrerer in etwa gleichstarker Teams.
Erst seit kurzem versucht der Verein Heart of Midlothian mit den Millionen des litauischen Unternehmers Wladimir Romanow, dieses Duopol aufzubrechen. Auf diese Art und Weise feiert ein Verein seine Widerauferstehung, dessen größte Erfolge sich in den schottischen Meisterschaften der Jahre 1895, 1897, 1958 und 1960 und sieben Pokalsiegen, der letzte im Jahre 2006, manifestierten. Ob diese Reanimation aber auf Dauer gelingt, wird erst die Zeit zeigen müssen. Spielstätte ist das Tynecastle Stadion in Edinburg, welches Sitzplätze für 18.008 Zuschauer bietet.
Am vereinbarten Treffpunkt mit meinem Chauffeur Han erkannten mich derweil drei Jugendliche an meinem Schal als Fußballfan und erkundigten sich nach dem Wer, und Wohin. Als ich ihnen dann erzählte, dass es zum Fußball nach Glasgow ginge, wollte sich einer von denen tatsächlich noch eine Schulbefreiung holen um Mitzufahren, wobei für ihn die Probleme bezüglich Tickets, Unterkunft, Klamotten und Reisepass wohl eher sekundärer Natur waren. Erst mit sanfter Gewalt gelang es uns, ihn aus dem schon okkupierten Sitzplatz im Gefährt meines Fahrers zu entfernen.
Die Reise nach Leverkusen zu El Blasso ging recht unspektakulär vonstatten. Hauptgesprächsthemen waren die Lage der von uns unterstützten Vereine, und die Geschehnisse um den SV Wehen, und dessen geplanten Umzug nach Wiesbaden. Dank der Orientierungskunst des Chauffeurs, gelang uns trotz des fehlenden Navigationsgerätes eine reibungslose Punktlandung in Leverkusen hinzulegen, wo uns ein weiterer Mitfahrer eine Übernachtungsmöglichkeit offeriert hatte.
Dortselbst angekommen machte ich schnell Bekanntschaft mit seinem etwa handtaschengroßen Hund, dessen Anhänglichkeit ich mir während meines gesamten Aufenthaltes sicher sein durfte. Nach dem Verzehr einer derweil bestellten Pizza, und der kalorienreichen Aufnahme einiger Flaschen Bier, ging es gegen Mitternacht in die Heia, wobei ich mich ausdrücklich bei El Blassos Sohn für die möglicherweise nicht ganz freiwillige Überlassung seines Schlafplatzes bedanken möchte. Welcher fünfjährige Junge zieht schließlich, und sei es nur für eine Nacht, gerne in das Zimmer seiner älteren Schwester.
Die Nacht endete um 03:45, wobei wir gerne auf die sonst üblichen hygienischen Verrichtungen des Morgens verzichteten, und unser Frühstück auf eine Tasse Kaffee und eine Zigarette beschränkten. Um kurz nach Vier tauchte nämlich ein weiterer Freund auf, den El Blasso extra als Chauffeur zum Flughafen nach Düsseldorf engagiert hatte. Am Airport angekommen gestaltete sich der Check-In wegen der Frühe des Tages als weit kürzer als erwartet. Kein Wunder, dass es uns problemlos gelang, die inzwischen knurrenden Mägen mit einem Frühstück bei einer weltbekannten "schottischen" Imbisskette zu besänftigen.
Erste Hürde stellte dann die obligatorische Sicherheitskontrolle dar, an der es, nach der freundlichen aber bestimmten Aufforderung an El Blasso, sich doch bitte des Schuhwerks zu entledigen, zart nach Fußschweiß duftete. Tja. Kleider, soll heißen, Celtics Mützen lassen eben doch auf die Gesinnung der Leute schließen. Glücklicherweise hatte der Kontrolleur aber doch ein Einsehen, und entließ die Gruppe stirnrunzelnd in Richtung des Abflugterminals, wo ich mich im Duty-Free Shop schnell noch mit dem nötigen Nikotinvorrat eindeckte.
Allerdings tauchten nun beim "Boarding" Probleme auf, weil es tatsächlich ein Passagier wagte, ohne gültigen Flugschein das Flugzeug betreten zu wollen. Wie er trotz seines Aussehens, welches das Klischee eines vermeintlich typischen Terroristen mit Sprengstoffgürtel, und ohne Ticket die bisherigen Kontrollen überwinden konnte, wird wohl auf ewig sein Geheimnis bleiben. Im Endeffekt durfte er jedenfalls doch an Bord.
Der Flug selbst brachte uns ohne Komplikationen nach London. Anschließend ging es mit der Flughafenbahn zum Abflugterminal, wo wir einem erneuten Sicherheitscheck, El Blasso überlegte schon, ob er sich nicht demnächst zu Schuhen mit Klettverschlüssen durchringen sollte, unterzogen wurden.
Endlich in Glasgow angekommen, setzten wir uns in den Flughafenbus der uns für 3,30 Britische Pfund ins Zentrum brachte, und wo wir im gebuchten Eurohostel, einem riesigen neunstöckigen Komplex, unser Gepäck unterstellten, und ich meine eher den Celtics zuneigenden Mitreisenden zu einer Besichtigung des Ibrox Park nötigte.
Zu diesem Zweck benutzten wir die U-Bahn, welches sich in Glasgow recht einfach gestaltet, weil es sich um ein Ringsystem mit einem Inner Circle, der links herum führt, und einen Outer Circle, demzufolge rechts herum, handelt. Die Bahn selbst hält allerdings in keinster Weise bundesdeutschen Standards stand. Die Waggons erwiesen sich nämlich als sehr schmal und eng, wobei sich die Sitzplätze an den Längsseiten des Zuges befanden. Kein Wunder, dass einer der Mitreisenden sie mit einer Lore verglich, weil sie ähnlich quietschend und rumpelnd durch das Röhrensystem glitt.
Die U-Bahnstation Ibrox liegt jedenfalls so unscheinbar in einer Seitenstraße, dass sie ein Auswärtiger wohl kaum als solche erkennen könnte. Dennoch brauchten wir nur einmal um die Ecke zu gehen um wie die Celtics Anhänger meinen Mordor leibhaftig gegenüber zu stehen.
Leider war es mir wegen der fehlenden Kreditkarte, zu der ich ein mehr als nur gespaltenes Verhältnis hege, von Deutschland aus nicht möglich, eine Besichtigungstour für 7,50 Britische Pfund zu buchen. Folglich enterte ich erst einmal den dem Stadion angegliederten Rangers Fanshop, um mich mit den nötigen Utensilien für meinereiner, und meinen Sohn einzudecken. Für einen näheren Blick ins Innere der von der FIFA mit fünf Sternen ausgezeichneten "Arena" fehlte uns wegen mangelnder Traute doch die Bereitschaft, weshalb wir uns auf einen äußerlichen Rundgang beschränkten. Hierbei zeigte sich aber, dass das Stadion wegen seiner Lage in einem Wohngebiet nicht nur in städtebaulicher Hinsicht im Herzen des Geschehens eines Teils der dort lebenden Menschen liegt. In Deutschland gäbe es bei dem am Spieltag entstehenden Lärm mit Sicherheit einen riesigen Aufstand der Anwohner, während es die Einheimischen offensichtlich eher als Ehre ansehen, in der Nähe einer solch ehrwürdigen Stätte leben zu dürfen.
Auffällig war hier das Denkmal für all jene, die bei den drei "Stadionunfällen" ums Leben kamen, und jener Teil der Backsteinmauer, auf der sich einige der unentwegten Fans mit ihrem "Stein" namentlich verewigt hatten. Das war es dann aber schon, und wir kehrten auf dem Inner Circle in das Stadtzentrum zurück.
Dort ging es in einen nahe dem Hostel gelegenen Pub, in dem ich erstmals nähere Bekanntschaft mit der zu Recht gerühmten schottischen Küche machen durfte. Das zu der Mahlzeit gereichte Bier war ja noch genießbar, was jedoch für die Chips, bestenfalls halbgar, und den eher salzlosen Burger, nicht galt.
An den Nachbartisch gesellten sich bald darauf zwei wild ausschauende Gesellen, die mit einem wenig einfallsreichen Liedgut, aus dem ich bestenfalls den Refrain "Paddy and The Bhoys" herausfiltrieren konnte. Bald darauf rückten wir aber in den Fokus ihres Interesses, wobei sich erneut mein Schal als hilfreich herausstellte, weil er uns offensichtlich hinreichend als Fußballfans auswies.
Nach der Frage, welchen Verein wir in Deutschland unterstützen würden, wies mich einer der Beiden darauf hin, dass sie Rangers Anhänger wären, und die Asiaten dabei seien, Schottland zu übernehmen. Dies ließ mich schon etwas mulmig werden, wies mich mein Schal doch einen eindeutig antirassistischen Spruch, unterlegt mit den entsprechenden Symbolen auf. Gleichzeitig schilderte er uns das typische Aussehen eines Celtic Fans, den er als verwahrlosten und torkelnden Typen mit einer rudimentären Zahnreihe, und fehlendem Fingerglied beschrieb. Allerdings hatte ich eher den Eindruck, dass er an diesem Morgen wohl vergessen hatte, in den Spiegel zu schauen, kam seine Schilderung einer Beschreibung seiner selbst doch sehr nahe.
Wie zur Bestätigung seiner These gesellte sich an seinen Tisch ein etwas ältlich und verhärmt ausschauendes männliches Wesen, dessen Schal ihn als Anhänger der Saints, eines örtlich ansässigen Rugby Teams auswies. Dies lag eben auch an seinem fehlenden Fingerglied, welches ihn und seinen Kumpel zu den entsprechenden Begeisterungsstürmen hinriss.
Jetzt begutachtete er endlich auch meinen Schal, den er mir wegen der bereits erwähnten antirassistischen Aussage angewidert zurück übereignete. Seine Vorbehalte gegenüber Ausländern reichte jedoch nicht allzu weit, schenkte er doch dem Angebot eines fliegenden Händlers, eindeutig asiatischer Abstammung mit Porno-DVDs und Vorabkopien aktueller Kinofilme gebührende Aufmerksamkeit.
Währenddessen erwarteten wir sehnsüchtig die Ankunft der übrigen Reisegefährten aus Berlin, die dann auch mit einem Kurzbesuch in der dem Hostel angeschlossenen Bar, gebührend gefeiert wurde. Anschließend checkten wir schnell ein, wobei sich mein Doppelzimmer als zwar räumlich limitiert, aber für den Zweck durchaus angemessen erwies.
Leider fanden im für den weiteren Verlauf der Feierlichkeiten vorgesehenen Pub, dem Waxys, allerdings so viele gebuchte "Weihnachtsfeste" statt, dass der Personalbestand aufs Äußerste strapaziert war Deshalb war eine der drei vorhandenen Bars nicht besetzt, und wir suchten wegen des daraus resultierenden Platzmangels dann lieber doch das Weite.
Nach einigen Diskussionen mit der Gesellschaft, die auf die Zuführung von flüssiger Nahrung in Form von Mangers, einem irischen Cidre, bestanden, fand sich schließlich doch noch ein Pub, der allen Beteiligten zusagte, und auch noch den entsprechenden Platz bereithielt. Leider drehte sich hier, und auch in einer weiteren Kneipe, die Diskussion fast ausschließlich um Belange von Union Berlin, was ich zuerst noch mit dem Eingang einiger SMS bezüglich der Zwischenstände des Spieles Sportfreunde Siegen - Kaiserslautern II kompensieren konnte, mich anschließend aber doch sehr stark ermüdete, weshalb ich schon recht früh ins Hostel zurückkehrte, um meinem altersgemäß steigenden Schlafbedürfnis nachzukommen.
Nach einer nur von einer kurzen Unterbrechung gestörten Nachtruhe enterte ich als einer der ersten unserer Gesellschaft den Frühstücksraum, wo ich meiner Vorliebe für Haferschleim relativ ungestört frönen konnte, während die anderen so nach und nach eintrudelten. Anschließend war dann noch Körperpflege angesagt, welcher ein Besuch in der City folgte.
Dort wurde unter anderem der Laden mit den unvermeidlichen Schottlandklamotten heimgesucht, in dem ich mich in eine Jacke für 50 Pfund verliebte, an deren Erwerb aber wegen mangelnder Barschaft nicht zu denken war. Anschließend führte uns der Weg in den unvermeintlichen Celtic Fanshop, der dem Ansturm der zum Spiel gegen Inverness angereisten Fans kaum Herr wurde.
Per pedes erreichte wir dann jenen Stadtteil, der den Mitreisenden zufolge eher an Dublin, denn an Glasgow erinnern sollte. Einen so großen Unterschied zum Rest der Stadt konnte ich, bis auf einige offensichtliche Ruinen, eigentlich nicht feststellen. Bemerkenswert waren aber immerhin die nun verstärkt auftretenden, meist asiatischen Straßenhändler, die nicht nur Waren für Celtic Fans feilboten, sondern auch Güter des alltäglichen Lebens im Angebot führten.
Genau hier befand sich auch Bairds Bar, bei deren Betreten ich mich stark an eine Spelunke übelster Art erinnert fühlte. Das Interieur dieser Örtlichkeit wurde eindeutig von allen möglichen Fanartikeln jeglicher Couleur bestimmt, wobei natürlich das unvermeidliche Celtic Grün-Weiß dominierte. Dort wurde ich dann auch gleich meinen extra deswegen mitgebrachten Sportfreundeschal los, der nun auch eine der Wände oder Decken zieren dürfte.
Das Publikum erwies sich, wen wundert's, nicht nur als sehr lautstark und trinkfreudig, sondern auch der Sangeslust zugetan. Das Liedgut handelte aber nicht nur von Celtic, sondern eben auch von der Befreiung Irlands von der britischen Vorherrschaft, weshalb eine große Menge lautstark ihren baldigen Eintritt in die IRA ankündigte.
Gleichzeitig liefen im angebotenen TV Programm einige der herausragenden Celtic Matches im Old firm. Allerdings ließ die Endlosschleife von vier Siegen gegen die Rangers darauf schließen, dass die Erfolge in den letzten Jahren arg dünn gesät waren. Dennoch hatte diese Begebenheit einen für mich arg bitteren Beigeschmack, kristallisierte sich doch schnell heraus, in welch guter Form sich der ehemalige BVB Torwart Stefan Klos zeigte, dessen unrühmlichen Abgang aus Dortmund ich deshalb umso mehr bedauerte.
Inzwischen war auch George eingetroffen, der die bestellten Tickets verteilte. Im Stadion selbst, ein riesiger Allseater für 60.000 Fans befindet sich auf der grünen Wiese, und ist deshalb nur per Bus und Pkw erreichbar. Gleichzeitig würde sich auf einer Tribünenseite noch die Möglichkeit eines Ausbaus in Form der Einführung eines Oberrangs ergeben, was dem Stadion seine etwas asymmetrische Gestaltung nehmen würde.
Bis etwa 15 Minuten vor Spielbeginn schien die Arena fast vollkommen verwaist, ehe dann der große Ansturm begann, und rechtzeitig vor dem Anpfiff etwa 55.000 Anhänger, davon etwa 400 aus Inverness das Stadion füllten. Das ganze Drumherum enttäuschte mich dann aber doch etwas. Keine Schalparade, kaum Support, keine Fahnen. Da war vom berühmten Celtic Roar nichts zu spüren.
Möglicherweise lag dies aber auch an dem Gegner, der zwar überraschend gut in die Saison gekommen ist, aber keineswegs attraktiv erschien. Und genauso spielte Inverness auch. Ohne Selbstvertrauen, ohne Kenntnis der Laufwege der Mitspieler, und auch nicht körperlich dagegenhaltend. Dabei erwies sich die Defensive von Celtic keineswegs als sattelfest, schwamm sie in einigen Situationen doch bedenklich. Allerdings wusste die Offensive aus diesem Vorteil kein Kapital zu schlagen.
Das sah auf der anderen Seite schon besser, nur fehlte die letzte Konsequenz im Abschluss. Insbesondere Gravesen spielte häufiger zurück, oder quer, und suchte in keinster Weise den Steilpass in die Sturmspitze. Dennoch kamen die Gastgeber zu einigen Chancen, wobei ein Tor keine Anerkennung fand, weil der Schiedsrichter im Strafraumgedränge übersah, dass der Keeper das Leder erst nach dem Überschreiten der Torlinie sichern konnte.
Hätten die Grün-Weißen in Rot-Weiß gespielt, und deren Wappen ein weiß-blaues Rautenmuster "geziert", hätte man fast geglaubt, einem Spiel der Bayern beizuwohnen. Kein Wunder, dass kurz vor dem Halbzeitpfiff doch noch das 1:0 fiel. Nach dem Wideranpfiff erlahmte der Widerstand der "Highlander" immer mehr, weshalb die Gastgeber sich einen lockeren 3:0 Heimsieg erspielten.
Dennoch hatte auch dieser Besuch seine angenehmen Seiten. Keine nervtötende Werbung vor dem Spiel, und als Pausenprogramm statt irgendwelcher Cheerleader eine Truppe Jungfußballer, die auf dem Rasen einige Trainingseinheiten absolvierten. So etwas würde ich mir auch in Deutschland wünschen. Die einfache Reduktion auf das Wesentliche.
Nach dem Match ging es dann erneut in Beards Bar, wo noch einiges an Bier und Cider vernichtet wurde. Anschließend trennte sich die Gruppe, und die Hungrigen unter uns stürmten in der Innenstadt das Büffet eines Chinesen, der ein "All-you-can-eat" für 9,65 Britische Pfund im Angebot führte, von dessen vielfältigen Möglichkeiten wir reichlich Gebrauch machten.
Daraufhin kehrten wir ins Hostel zurück, um es uns dort an der Hotelbar gemütlich zu machen. Dort verfolgten wir über Sky-TV das Match Mallorca - Barca, wurden dabei von einem DJ empfindlich gestört, der meinte, die technischen Möglichkeiten seiner Anlage mit minderwertiger Techno-Mucke ausreizen zu müssen.
Folglich wurde ich auch an diesem Abend nicht sonderlich alt, und sonderte mich gegen 23:00 Uhr in Richtung meines Zimmers ab. Dort angekommen stellte ich allerdings fest, meine Mappe mit den Insulinutensilien nicht dabei zu haben. Die darauf folgende Suchaktion in der Bar führte zu keinem Ergebnis, weshalb ich annahm, das gute Stück unfreiwilligerweise beim Chinesen zurückgelassen zu haben. Allerdings hatte dieser um diese Zeit selbstverständlich noch zu, weshalb ich auf mein Ersatzbesteck zurückgriff. Also Spritze in die Flasche gesteckt, und die entsprechende Ration Pi mal Daumen aufgezogen.
Unglücklicherweise befand ich mich zu diesem Zeitpunkt aber auf etwas schwankendem Boden, weshalb die Spitze abbrach, und ich unverrichteter Dinge zu Bett gehen musste. Der steigende Zuckerspiegel, und der damit unvermeidlich einhergehende Haardrang zwangen mich gegen 03:00 Uhr das Bett zu verlassen, weshalb ich nach dem Verrichten meines Geschäfts das Hostel verließ, um vor der Tür eine Zigarette zu rauchen.
In der Hotellobby selbst fiel mir ein etwa 20-jähriges Mädchen ins Auge, welches mit einem knappen Top, einer kurzen Hose, Netzstrümpfen und Highheels den örtlichen Wetterverhältnissen trotzte. Diese machte sich an dem dort installierten Telefon zu schaffen, ohne dabei aber der Technik Herr zu werden. Laut fluchend randalierte sie in der Halle, und konnte erst von einer anwesenden Freundin halbwegs beruhigt werden.
Danach reichte es mir endgültig, und ich kehrte auf mein Zimmer zurück. Gegen 06:30 Uhr wachte ich wieder auf, und nahm im Frühstückszimmer erst einmal einen Kaffee zu mir. Anschließen fragte ich an der Rezeption nach einer geöffneten Apotheke in der näheren Umgebung, um mir wenigstens eine Spritze zu besorgen.
Dies erwies sich allerdings als sehr schwierig, weshalb ich mich selbst auf den Weg durch die Innenstadt machte, da ich meinte, am Freitagabend eine Apotheke gesehen zu haben. Allerdings erwies sich dieser Weg als umsonst. Möglicherweise sind die Schotten durch den ständigen Genuss ihres Whiskeys ja so abgehärtet, dass sie eine solche Einrichtung nicht benötigen. Jedenfalls sollte man dem hiesigen, dem Vernehmen nach darbenden Berufsstand vielleicht einmal einen Tipp geben, dass es in diesem Land eine offensichtliche Marktlücke auszufüllen gilt.
Ins Hostel zurückgekehrt informierte ich erst einmal meine Freunde von dem Dilemma, weshalb wir nach dem Frühstück bei dessen Einnahme ich den Jungs hungrig zuschaute, gemeinsam nach einer Pharmazie Ausschau hielten, bzw. beim Chinesen vorbeischauten, ob dieser schon geöffnet hatte.
Dies war natürlich nicht der Fall. Also ging es erst einmal zur Queens Station, wo wir für 08,95 Britische Pfund pro Nase eine Rückfahrkarte nach Edinburg erwarben. Eine Preisgestaltung für insgesamt 160 Kilometer Strecke an der sich unsere DB einmal ein Beispiel nehmen könnte.
Für die Schönheiten der Stadt hatten wir erst einmal keinen Blick, suchten wir doch verzweifelt die in angeblich in der Princess Street gelegene Einrichtung. Doch erst Hans Adlerauge führte uns in ein Gebäude, in dem ich bestenfalls eine Drogerie vermutet hätte. Glücklicherweise fand sich im hinteren Teil jedoch eine Theke, an der die gewünschten Utensilien verkauft wurde, und ich durfte mir, sichtlich erleichtert, meine Spritze setzen.
Anschließend ging es dann durch die Altstadt zur berühmten Burganlage, wobei wir allerdings nur einen Blick von Außen erhaschten, da uns der zu entrichtende Besichtigungspreis von 10,30 Pfund und eine lange Schlange an der Kasse von einem Besuch abhielten. Dafür schauten wir aber kurz am Laden des Whiskeymuseums vorbei, wo uns die angebotenen Köstlichkeiten das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Kaufen konnten wir jedoch nichts, weil in Schottland sonntags der Erwerb von Alkoholika vor 12:30 Uhr offensichtlich verboten ist.
Folglich ging es wieder einmal per pedes in Richtung eines Pubs, wo die Übergabe der Tickets für das Match der Hearts gegen die Rangers stattfinden sollte. Da sich inzwischen aber auch der Magen zu Wort meldete, und auch die Leber ihren Anteil verlangte, gedachten wir, dort schnell noch einen Happen zu uns zu nehmen. Dies gestaltete sich, zumindest was das Essen anging, recht schwierig, weil Thommy, erst einmal in Besitz der Speisekarte, sehr lange brauchte, um mit deren Inhalt klarzukommen. Schließlich einigten wir uns auf Burger und Chips, deren Ankunft, im Gegensatz zu den bestellten Alkoholika aber auf sich warten ließ.
Folglich fanden wir erst 10 Minuten vor dem Anpfiff aus der Kneipe, und beeilten uns zum Stadion zu kommen. Als wir schon meinten, auf dem falschen Weg zu sein, erschien mitten im Häusermeer tatsächlich die Arena vor uns, wobei wir dann auch noch einige Zeit benötigten das Stadion zu umrunden um unsere Sitzplätze einzunehmen. Der aus der Kampfstätte zu vernehmende Roar machte mich dabei ganz schön hibbelig, doch flog mir bei Thommys Anblick beim Passieren des Stadionkreuzes doch ein Lächeln über das Gesicht. Wer die Leibesfülle des Guten kennt, weiß was ich meine.
Die Spielstätte selbst ist für 18000 Zuschauer konzipiert, und bis auf die fehlenden Stehplätze genauso, wie ich mir ein Stadion vorstelle. Klein und eng mit fast direktem Kontakt zum Geschehen. Besonders gut gefiel mir hierbei die Haupttribüne, deren Schindeldach sich zum Spielfeld hinneigt.
Ähnlich wie im Celtic Park gibt es, wenn man einmal von einer Ecke der im Übrigen größeren Gegentribüne absieht, jedoch auch hier keinen separaten Supporters Block. Dennoch war deutlich zu spüren, wie des Volkes Seele kochte, und auch die Rangers Fans machten in ihrem Bereich einen ordentlichen Lärm.
Insgesamt machte das Team der Rangers den aktiveren Eindruck. Allerdings kann ich mir vorstellen, dass der Trainer die Rückkehr von Stefan Klos ins Tor herbeisehnt, erwies sich doch die Strafraumbeherrschung des dort eingesetzten Spielers als bestenfalls mangelhaft. Dessen Unsicherheit strahlte eindeutig auf die gesamte Abwehr aus, die aber mit ihrem Körperbetonten Spiel dann meist doch für klare Verhältnisse sorgte.
Im Sturm überzeugte derweil die Nummer 9, die es in der zweiten Halbzeit sogar schaffte, im Strafraum drei Gegenspieler zu narren, und den Ball gefährlich, aber vergebens in die Mittelstürmerposition zu spielen.
Krönender Abschluss eines Spielers zweier nicht nur in der Tabellenstand etwa gleichwertiger Mannschaften war jedoch der Siegtreffer der Gäste, als ein Schuss aus etwa 20 Metern leicht abgefälscht und unhaltbar für den Keeper am langen Pfosten einschlug.
Zusammenfassend war es das Match, welches ich mir als typisch schottisch vorstelle. Schnelligkeit, gepaart mit rassigen Zweikämpfen, langen Flügelläufen und gefährlichen Flanken von der Grundlinie in die Mitte. Fußballherz was willst du mehr. Schließlich ging auch das Publikum entsprechend mit, wo mir besonders ein etwa neunjähriges Mädchen auffiel, welches ständig mit dem ausgefahrenen Stinkefinger in Richtung der Gästefans herumfuchtelte. Dieses Spiel entsprach also voll meinen Erwartungen.
Anschließend ging es dann zurück nach Glasgow, wo eigentlich der Illumination Day, also der Tag, an dem die Entzündung der Weihnachtsbeleuchtung mit einem großen Feuerwerk begrüßt werden sollte, anstand. Nicht mit in Rechnung gezogen hatten die Veranstalter allerdings das Wetter, wobei sich in mir der Eindruck manifestierte, dass an diesem Abend der Himmel in flüssiger Form auf Glasgow herabfallen wollte.
Während ein Teil unserer Besatzung die Gegend nach einem indischen Restaurant abklapperte, suchte ich erst einmal den Chinesen auf, um mich nach dem Verbleib meines Insulinbestecks zu erkundigen. Aber auch dort erhielt ich nur unbefriedigende Auskunft. Also zurück ins Hotel, bzw. an die Bar, wo mir die Bedienung eröffnete, die Tasche schon am Abend vorher auf dem Boden gefunden zu haben. Nun. Offensichtlich sollten wir alle einmal dringend einen Augenarzt zur Untersuchung der Sehstärke aufsuchen.
Der Rest des Abends wurde dann mir dem Verprassen der restlichen Barschaft verbracht, wobei sich jeder noch fünf Pfund für den am nächsten Morgen anstehenden Taxitransport in Richtung Flughafen behielt.
Der folgende Tag verlief, bis auf die Tatsache des langen Wartens bei der Sicherheitskontrolle am Airport, und der daraus resultierenden erneuten Ausziehpflicht für El Blasso Schuhe, man schien also auch in Schottland von seinem wahren Wesen gehört zu haben, recht unspektakulär.
Einzige Ausnahme war die in Transithalle in London, in der sich tatsächlich eine Raucherzone befand, die ich neudeutsch in Wellness Area umtaufte. Nach einer etwas unsanften Landung in Düsseldorf wurden wir von El Blassos Frau Jessie abgeholt, und Han und ich erreichten trotz eines Staus am Autobahnkreuz in Olpe meinen Wohnort frühzeitig genug, damit ich meinen Koffer zu Hause abstellen konnte, um anschließend meinen Sohn zum, na was schon, Fußballtraining zu fahren.
Sollte meine Ex-Frau also tatsächlich mit ihrer Diagnose einer bei mir grassierenden Verrücktheit Recht haben? Ich fürchte ja. Dennoch möchte ich mich zum Schluss noch bei allen Teilnehmern für die angenehme Gesellschaft und bei Thommy, Han und El Blasso für die Organisation, den Transit, und die gewährte Unterkunft bedanken.
GAGA