[...] Als die Fahnder an einem Donnerstagmorgen im September überraschend vor der Zentrale der Baufirma Tecklenburg im niederrheinischen Straelen vorfuhren, hatten sie nicht nur einen Durchsuchungsbeschluss dabei. In ihren Taschen befanden sich auch Fotos von Fußballspielern. Denn bei der Razzia wollten die Ermittler prüfen, ob die Kicker des örtlichen Fußball-Regionalligisten neben ihrem Job auf dem Rasen tatsächlich einer Hauptbeschäftigung in dem Unternehmen nachgehen - oder ob sie die Arbeitsverträge nur zum Schein geschlossen hatten. [...] Seit Langem stehen die fünf Regionalligen in Deutschland wegen dubioser Praktiken in Verdacht. Fingierte Verträge, Zahlungen am Fiskus vorbei, windige Investoren, selbst Verbindungen zur Wettmafia scheinen in der vierthöchsten Spielklasse nicht die Ausnahme zu sein. [...]
2014 klagte die Staatsanwaltschaft Verantwortliche des FC Kleve an, fast eine halbe Million Euro Steuern hinterzogen zu haben. Laut Ermittler hatten die meisten Spieler mindestens zwei Verträge: einen als Vertragsspieler mit einer monatlichen Bruttovergütung von 400 Euro sowie eine oder mehrere Zusatzvereinbarungen. Darin wurden hohe Handgelder ebenso garantiert wie Auflauf- und Punktprämien, verbilligte Wohnungen und kostenlose Leasingautos inklusive Tankkarte. 2015 wurden die Verfahren gegen Geldauflagen eingestellt. Die Angeschuldigten hatten die Vorwürfe zunächst bestritten, dann eingelenkt und mit den Finanzbehörden eine Einigung erzielt, nach der 300 000 Euro an den Fiskus gezahlt werden müssen.[...]
Im Herbst 2019 ging Wattenscheid 09 pleite. [...] Das Regionalligateam wurde mitten in der laufenden Saison aufgelöst. Hochfliegende Aufstiegspläne waren gescheitert, ein Investor zog sich zurück. Übrig blieb ein überschuldeter Verein, der zeitweise weder Gehalt noch Sozialversicherungsbeiträge für seine Mitarbeiter gezahlt hatte. Prominentestes Opfer der Pleite war Peter Neururer, einst Bundesligatrainer, von Wattenscheid kurz vor dem Offenbarungseid noch als Sportdirektor engagiert. Der 65-Jährige berichtet »von schier unglaublichen Zuständen« in der Führungsetage. Viele Spieler hätten mit dem Verein 450-Euro-Verträge geschlossen und seien darüber hinaus durch die »Einbindung von Investoren« bezahlt worden. In der Regionalliga, so sein Fazit, dürfe »inzwischen jeder Investor in Wildwestmanier agieren. Das interessiert keinen Menschen«. [...]
Dubiose Praktiken sind keine Spezialität der Vereine im Westen. Auch im Osten haben die Fahnder reichlich Arbeit: Im thüringischen Nordhausen etwa ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den ehemaligen Präsidenten des dortigen Klubs, weil er die Unterschrift in einem Sponsorenvertrag gefälscht haben soll, um einen Bankkredit zu bekommen. Der bestreitet das. Wacker Nordhausen ist inzwischen in die Oberliga abgestiegen.
In Sachsen und Sachsen-Anhalt sorgte vor zwei Jahren ein chinesischer Sportvermarkter für Aufregung, der Vereinen finanzielle Angebote unterbreitete und wo-möglich in Verbindung zur Wettmafia stehen könnte. Tatsächlich kam eine Vereinbarung mit dem Regionalligisten Halberstadt zustande. Zum Skandal wurde dies, als ein Verantwortlicher des Vereins vor einer Partie gegen Babelsberg zwei gegnerische Spieler - aus »Jux«, wie er sagt - anrief und sie aufforderte, schlecht zu spielen. Er soll ihnen Geld angeboten haben. Die Staatsanwaltschaft Magdeburg ermittelte wegen versuchter Spielmanipulation, stellte das Verfahren aber mit einer kuriosen Begründung ein: Der entsprechende Paragraf im Strafgesetzbuch untersage Beeinflussungsversuche nur bei »berufssportlichen Veranstaltungen«. Dies sei in der Regionalliga nicht der Fall, weil dort nur Amateure spielten. [...]
Der DFB und seine Verbände sehen dem Treiben seit Jahren tatenlos zu. Seit 2012 liegt die Trägerschaft bei den Regional- und Landesverbänden - und die haben die Prüfung der Finanzen, die zuvor einmal im Jahr stattfand, nach und nach einfach abgeschafft. Die Vereine wollten das aufwendige und teure Verfahren nicht mehr, heißt es zur Begründung beim Norddeutschen Fußball-Verband.
Die Funktionäre freilich schützen sich selbst. So müssen alle Vereine vor Beginn einer jeden Saison beim zuständigen Verband einen fünfstelligen Betrag für die Organisation der Spiele und die Bezahlung der Schiedsrichter hinterlegen. So bleiben die Verbände im Fall einer Pleite nicht auf den Kosten sitzen.
Dabei könnten sie ohne großen Aufwand zumindest teilweise selbst kontrollieren, ob bei der Anstellung der Kicker alles mit rechten Dingen zugeht. Denn die Vereine müssen die Verträge vorlegen, um die Spieler registrieren zu lassen. Eine inhaltliche Überprüfung finde indes nicht statt. [...]