We love Wednesday, we do!
(Sheffield Wednesday vs. Wolverhampton, 28.12.2005, 24.295 Zuschauer)
Vier Siege in 25 Ligaspielen und trotzdem wird der älteste bestehende Fußballvereins (1867 als Wednesday F.C. gegründet) inbrünstig besungen. Wobei das Spiel der „Owls“ die Wednesday-Fans auch diesmal nicht ermuntern konnte. Eine nicht für möglich gehaltene Aneinanderreihung von Fehlpässen, geistige Langsamkeit im Abwehrverhalten und überhastete Angriffe ließen keinen wirklichen Spielfluss bei den Gastgebern entstehen. Die von Glen Hoddle trainierten Gäste machten es da schon besser: Zwei Schüsse von der Strafraumgrenze – zwei Tore. Die Owls hatten eigentlich nur zehn wirklich starke Minuten. Pünktlich mit dem 0:1 in der 34. Minute fingen Sie an leidenschaftlich das Tor der Wolves zu berennen. Mehr als unzählige Ecken und ein Pfostenschuss sprangen dabei aber nicht heraus. Nach dem 0:2 wurden dann nur noch hohe Bälle nach vorn gespielt, in der Hoffnung dass doch mal ein eigener Spieler einen davon zufällig erreicht. Fußball auf der Insel kann manchmal sehr grausam sein. Der Spitzname „Owls“ ist offensichtlich abgeleitet von der Eule im Vereinslogo, die wiederum ihren Ursprung im Stadtteilnamen Owlerton haben könnte.
Der Support von den etwa 900 Fans der Wolves war einfach nur enttäuschend. Da war außer Torjubel und die Feststellung, dass die Wednesday-Fans nach dem 0:2 nichts mehr zu singen haben, fast nichts zu hören. Die Heimfans kamen auch eher langsam in Fahrt. Ein Teil der sangesfreudigen Fans (ca. 300) stand (das gesamte Spiel über!) direkt neben dem Gästeblock im „North Stand“ und lieferte sich ab und an eine Art Wechselgesang mit den Fans auf der „Kop“. Wirklich beeindruckend war der durchgängige Support nach dem Rückstand bis zur Halbzeitpause. Es schein fast so, als wenn die Fans darauf gewartet hätten. Auf jeden Fall schön anzuhören, wenn in allen Blöcken mitgesungen wird. Traurig ist allerdings, dass jeder etwas länger stehende Fan auf der „Kop“ von den Stewards wieder zum Hinsetzen aufgefordert wird. An der Stelle haben sich die Engländer wohl doch etwas zu sehr an die Leine nehmen lassen.
Was soll noch über das Hillsborough geschrieben werden? Ich habe mal ein paar Fakten aus einem Stadionbuch abgeschrieben, dass ich von meinem Gastgeber in Birmingham bekommen habe. Wednesday spielt seit 1899 am jetzigen Standort, nachdem sie zusammen mit der Tribüne umgezogen sind. Der Stadionrekord (72.841) stammt von einem Spiel gegen ManU, nach dem letzten Umbau 1994 passen nur noch 39.859 Zuschauer rein. Den größten Eindruck hinterlässt natürlich die riesige „Kop“, dazu passend das Lieblingslied der SWFC-Fans in Division Two: „We got one stand bigger than your ground“. Bleibt zu hoffen, dass der SWFC als Aufsteiger dieses Lied nicht bald wieder ausgraben muss. Nach meinem Besuch gewann SWFC zwei Spiele in Folge, was bei der bisherigen Bilanz schon als grandiose Siegesserie bezeichnet werden kann.
Fucking german bastard!
(Aston Villa vs. Arsenal, 31.12.2005, 37.114 Zuschauer)
Zum Glück war damit nur die Nummer Eins im Tor von Arsenal gemeint, denn offensichtlich konnte sich mein Sitznachbar so überhaupt nicht mit den Paraden von Jens Lehmann anfreunden. Wäre interessant geworden was er gerufen hätte, wenn Thomas Hitzlsperger ein Tor für Villa geschossen hätte. Aber der wurde noch nicht einmal eingewechselt. Das Spiel war auf jeden Fall extrem schnell und spannend. Mit Schnickschnack wie Spielaufbau und Ballsicherung wird sich in der Premier League nicht groß aufgehalten. Auf Seiten Arsenals hatte Terry Henry wohl nicht seinen besten Tag. Häufig stand er ziemlich gelangweilt herum und schien auf einen passgenauen Steilpass zu warten. Wenn er dann am Ball war, ist es natürlich ein Genuss ihm zuzuschauen. Was bei der Tabellenposition nicht unbedingt zu erwarten war – Villa hatte mehr Chancen als Arsenal. Während die Gunners nur einen Lattentreffer und einige „Halbchancen“ verzeichnen konnte, hätte Villa mindestens bei zwei Alleingängen von Baros einfach treffen müssen. Aber jeweils war Lehmann auf dem Posten und rettete das 0:0 über die Zeit. Seine leicht tollpatschige Verarbeitung eines Rückpasses hätte fast zu einem Gegentor geführt. Ballberührungen mit dem Fuß sollten sich bei ihm dann doch besser auf Abschläge beschränken.
Hat jemand behauptet in der Premier League ist keine Stimmung mehr? Ich fand es OK. Vielleicht auf Heimseite mit einigen Stimmungslöchern in der ersten Halbzeit und vielleicht nicht ganz so deutlich wie hier: http://www.germanvillans.de/startseite.html, aber auch im Villa Park haben mich die seltenen Momente in denen es im gesamten Stadion laut wird schwer beeindruckt. Der Arsenal-Auswärtssupport (ca. 2000) war ebenfalls ganz annehmbar. Auch hier habe ich manchmal gedacht: „So ist es OK, jetzt singt einfach nur weiter“. Das Motto „Kurz, dafür laut“ scheint wohl ein britisches Phänomen zu sein. Kreativitätswertung (auch mal längere Lieder) geht an die Villans, Lautstärke wusste bei den Gunners zu gefallen.
Aston Villa FC gehört ebenfalls zu einem der ältesten Fußballclubs der Welt. Gegründet wurde der Club 1874, der Villa Park wurde 1897 eröffnet. Bei der Eröffnung wurde noch der Hang eines Botanischen Gartens für Stehplätze genutzt, heute ist das komplette Stadion in hübscher Backsteinbauweise gehalten. Die letzte Umbauphase wurde 2002 abgeschlossen, Planungen für ein Schließen der Ecken des „North Stands“ liegen schon in der Schublade. Zuschauerrekord aus alten Zeiten: 76.588 (vs Derby County), heutige Kapazität 42.584 Plätze. Was die Konzentration von Erstligisten angeht, dürfte Birmingham wohl auch London noch um einiges voraus sein: die Stadien von Aston Villa, West Bromwich und Birmingham City (Blues) liegen alle in einem Radius von etwa zwei Meilen.
Von einer völligen „Fan-Befriedung“ kann in der Premier League nun auch nicht gesprochen werden. Beim letzten Derby zwischen den „Blues“ und den „Villans“ gab es einen Platzsturm und auf den Straßen ist es auch alles andere als ruhig geblieben. Ähnlich sieht die Situation in Sheffield in der Championship aus. Wer sich in englischen Buchhandlungen umschaut, kann dort auch ganze Regale mit Literatur über Hooligans entdecken.
Be loud, be proud, be a eagle!
(Crystal Palace vs. Leicester, 02.01.2006, 20.089 Zuschauer)
Als der Stadionsprecher die Fans mit diesem Motto in die Partie schickte, dachte ich mir nur: „Na dann mal los“. Und ich wurde nicht enttäuscht. Nach einem mäßigen Start, ist Palace wieder voll im Aufstiegsrennen. Auch Dank eines Andrew Johnson, der momentan von so ziemlich jedem sturmschwachen Premier League Club umworben wird. Sollte er Palace treu bleiben ist der WM-Zug wohl für ihn wohl endgültig abgefahren und es bleibt vorerst bei den beiden Einsätzen für England aus der letzten Saison. Für deutsche Augen und Ohren sind die Palace-Spieler Marco Reich und Gabor Kiraly sicher noch ein Begriff. Das Spiel war auch wieder eines von der intensiveren Sorte. Zwischen zwei Großchancen von Palace und Leicester sind in einem Fall gefühlte zehn Sekunden vergangen. Leicester hatte das ganze Spiel über nicht den Hauch einer Chance. Palace vergab eine Chance nach der anderen, spielte engagiert aber für meine Begriffe etwas hektisch immer wieder auf Johnson und erhielt dann zehn Minuten vor Ende doch noch einen Elfmeter. Publikumsliebling Johnson schoss scharf halblinks aufs Tor und dem Torwart direkt in die Arme. Der Moral der Eagles konnte das aber nichts anhaben. Ein Tor nach einer Ecke etwa fünf Minuten vor Ende und ein Abstauber von Johnson in der Nachspielzeit stellten den überaus verdienten Heimsieg sicher.
Das Beste zum Schluss hieß es bei meiner kleinen England-Tour. Während die etwa 500 Leicester-Fans eher selten zu hören waren, wollten die Palace-Fans zeigen, dass sie die Aufforderung ihres Stadionsprechers durchaus ernst nehmen. Besonders gelungen fand ich den Wechselgesang zwischen Arthur Wait Stand und Holmesdale Stand. Wobei Wechselgesänge bei Palace wirklich ganze Liedzeilen und nicht nur drei Buchstaben oder einzelne Wörter umfasst. Besonders genial auch hier wieder die Momente in denen das gesamte Stadion mitzieht, bei Palace wirklich auf allen Tribünen. Nach dem Tor von Johnson wurde noch ein extra Lied für ihn angestimmt, vielleicht ja auch um ihn zum Bleiben zu überreden.
Der Mainstand des Selhurst Park macht einen außerordentlich alten und damit sehr kultigen Eindruck. Der Großteil dieser Tribüne ist noch komplett in Holz gehalten, während die Klappsitze auch schon das eine oder andere Jahrzehnt auf den Buckel haben müssen. Für Nostalgiker ein absoluter Hingucker. Die übrigen Tribünen sind von außen mit Backstein verkleidet und eher modernerem Ursprung. Stadion (eröffnet 1919) und Verein (gegründet 1905) gehören eher zu den jüngeren Vertretern in England. Es passen aktuell noch 26.400 Zuschauer rein, während gegen Burnley mit 51.482 Fans der Stadionrekord aufgestellt wurde. Im Selhurst Park bin ich auch das einzige Mal abgetastet wurden, wobei in London selbst in Museen und Kirchen strenge Kontrollen keine Seltenheit sind. Die Terroranschläge haben leider zu einer sehr beklemmenden Atmosphäre in der gesamten Metropole geführt.
Fazit
Die Stimmung in britischen Stadien mag in den letzten Jahren und Jahrzehnten gelitten haben, ich fand es trotzdem sehr genial. Interessant auch, dass sich der Support von Spiel zu Spiel gesteigert hat. Habe ich so nicht erwartet. Die Stadien und die kampfbetonte Spielweise lohnen sich ohnehin anzuschauen.