Das große Nuscheln
Erich Mielke dürfte not amused gewesen sein: Eine Diskussion zum Thema Fußball in der DDR (von Frank Willmann - erschienen in "Junge Welt" - Frank Willmann war einer der wenigen Journalisten, die die Diskussion am vergangenen Dienstag in der Landesvertretung Thüringen in Berlin besucht haben - Diskussionsteilnehmer waren Bernd Heynemann und Dr. Hanns Leske)
Letzten Dienstag fand in der Landesvertretung des Freistaats Thüringen eine Veranstaltung der BStU zum Thema »Fußball im Abseits« statt. Als Diskutanten saßen der Exschiedsrichter und jetzige Bundestagsabgeordnete Bernd Heynemann sowie Hanns Leske, Autor des Buches »Erich Mielke, die Stasi und das runde Leder«, auf dem Podium.
Es steht außer Frage, daß im DDR-Fußball nicht alles mit rechten Dingen zuging. Es gab eine interne Untersuchungskommission des DFV aus den 80er Jahren, die merkwürdige Schiedsrichterentscheidungen bei BFC-Spielen feststellte. In der Folge dieser Untersuchungen wurden einige Schiedsrichter aus dem Verkehr gezogen. Etliche waren informelle Mitarbeiter der Staatssicherheit.
Es gibt allerdings bisher keinen einzigen wie auch immer gearteten Beweis für eine direkte Anweisung an Schiedsrichter von Stasichef Mielke oder irgendeinem anderen Mann der Staatssicherheit. Vorausschauender Gehorsam heißt also das Argument, was in die Waagschale geworfen wird. Die Schiris waren gierig nach NSW-Auslandseinsätzen, dafür soll jedes Mittel recht gewesen sein.
Zu Beginn der Veranstaltung wurde gruselig von einem bärtigen Thüringer der große Vorsitzende Mielke benuschelt. Nach allgemeinem Gejammer über das heutige Fußballprofitum ging’s los. Heynemann wurde vor und nach seinen Schiri-Auslandseinsätzen nie in Versuchung geführt, eh klar.
Leske erzählte von seinen frühen Forschungen vorm Fernseher in Westberlin. Bereits in jungen Jahren wurde er durch die Sendung »Sport Aktuell« des DDR-Fernsehens sehr angeregt. Fünf bis sechs Meistertitel des BFC wären o.k. gewesen, der Rest erschummelt. Heynemann nickte ab und weiter ging’s.
Außerdem hatten die Schiris der Zone den Eindruck gehabt, sie müßten die Mannschaften der bewaffneten Organe vor bösen Zuschauern schützen, so Leskes neuste Forschungen. Allerdings soll die Schiri-Betreuung beim BFC echt lässig gewesen sein. Anreise zwei Tage vor Spielbeginn, Mädels en masse und hoch die Tassen. Zeugen oder Namen beteiligter Schiris nannte Leske nicht.
Heynemann erzählte, wie er die Wende verbrachte, natürlich beim Schiri-Lehrgang in Hettstedt. Muß toll gewesen sein. Bissel demonstriert hat er auch, zirka im Mai 1990, in den Dom hat er sich nicht getraut. Er wußte zu Zonenzeiten selbstredend nix davon, daß Schiris bei der Stasi waren. Der BFC war unter Schiri-Kollegen Tabuthema. Arschbacken zusammenkneifen und Dienst an der Pfeife nach Vorschrift. Es soll aber in Magdeburg zu spontanen Arbeitsniederlegungen nach BFC-Spielen gekommen sein, schwante ihm.
Medienvielfalt und Mediendruck kannte man im Osten nicht, meinte Leske. Die Journalisten wären froh gewesen, nicht über den BFC schreiben zu müssen, das taten nur die Stasikombattanten.
Heynemann plauderte etwas kryptisch, »daß alle, die noch übrigblieben, Fußball spielten in der DDR«. Er weiß auch nicht, wie er um die Stasi rumkam. Fußballmäßig herrschte in der DDR echte Inzucht, da waren sich beide einig.
Das Thema Doping wurde berührt, die Stasi kaufte im Westen die schlimmsten Sachen ein und verfütterte sie an ahnungslose BFC-Spieler. Aber nur bei EC-Einsätzen, zu Hause sollte die Chancengleichheit gewahrt bleiben. Heynemann wußte naturgemäß schon damals vom Doping. War lustig in der DDR. Aber heute ist’s auch schön. Typen wie Heynemann kommen überall bestens zurecht.
Heynemann lachte in die Runde, nannte Leske mal Doktor, mal Professor und mußte im übrigen gleich zu IMI Schily, Otto. Leske sagte abschließend, Rudi Assauer wäre der Ewald des Ostens – der einzig erstaunliche Satz des Abends.
Nun kam kurz das Publikum dran. Ein alter Mann stand auf, um Leske auf einige Merkwürdigkeiten im Buch anzusprechen. Es ging um das erste Meisterschaftsendspiel in der DDR zwischen Zwickau und Dresden-Friedrichstadt. Leske behauptet im Buch, dort wäre zum ersten Mal vom Schiri ein Spiel verpfiffen worden. Der alte Mann, ein ehemaliger Zwickauer Spieler, bestritt das. Er bestritt auch, daß Dresdner Spieler die Siegerehrung verweigert hätten, um am nächsten Tag spontan in den Westen zu flüchten. Er meinte, alle Spieler feierten zusammen und wurden vom Spitzbart mit Medaillen behängt. Am nächsten Tag ging’s für die meisten Sachsen ab in den goldenen Westen, wo die Spielerfrauen und der rübergemachte Haushalt bereits auf sie warteten.
Der Moderator schritt ein und unterbrach den Alten. Wäre ja schön, Zeitzeugen zu haben, aber nun is mal gut.
Leskes Buch »Erich Mielke, die Stasi und das runde Leder«, womit er sich gleichzeitig für einen Doktortitel qualifizierte, strotzt vor sachlichen Fehlern. Lesen Sie die schönsten morgen an dieser Stelle.