Nachhilfe statt Subventionen für den Osten
Mit Hansa Rostock verliert die Bundesliga ihren einzigen Ostklub
Die Debatte über Gründe und Folgen ist oft zu oberflächlich - von Martin Henkel
Als der FC Hansa Rostock, einziger Erstligist aus den neuen Bundesländern, im März verloren am Tabellenende dümpelte, griff Dr. Harald Ringstorff zu einem Sinnbild, das er immer dann gebraucht, wenn ein Ereignis den wirtschaftlich kargen Nordosten Deutschlands überstrahlt. Es wäre fatal, wenn Hansa abstiege, sorgte sich der Landesvater von Mecklenburg-Vorpommern: "Schließlich scheint dieser Leuchtturm weit über die Grenzen hinaus." Gestern stellte der Scheinwerfer des Ostens seine Arbeit ein.
Kommende Saison trifft Rostock auf die alten Konkurrenten Aue, Dresden, Cottbus, dann als Turm unter Türmen. Zum ersten Mal seit der Wende sind die Landschaften östlich der Elbe erstligafrei. Was in der vergangenen Woche eine aufgeregte Debatte über die flächendeckende Erfolglosigkeit ostdeutscher Fußballklubs auslöste.
Dabei fiel auf: Bei den Auguren der deutschen Balltreterzunft haben sich die Argumente abgenutzt. Wie schon so oft war die Rede von fehlenden Sponsoren, von Nachwuchskickern, die nach Westen ziehen, und davon, daß die Klubs von Westlern in den Ruin getrieben wurden. Summa summarum, orakelte ein Sportfachblatt, gehe es mit dem Fußball im Osten zu Ende.
Nur einige wagten in all dem apokalyptischen Getöse darauf hinzuweisen, daß sich seit der Wende im Grunde gar nichts verändert hat. Genauso wenig wie der Ostfußball im Sommer seinen Aufschwung erlebte, erleidet er jetzt seinen Abschwung. Vielmehr ist alles, wie es immer war.
Seit 15 Jahren leiden die Ostklubs unter der Wirtschaftsschwäche ihrer Regionen, seit 15 Jahren pendeln die Klubs zwischen Finanzgerichten, Oberliga, Regionalliga und Zweiter Liga. Und seit 15 Jahren haben die meisten Klubs ihre Misere selbst herbeigeführt.
Nur, wer redet schon gern darüber? Statt hektisches Getue durch eine fundierte Analyse zu ersetzen, geistern populistische Vorschläge ohne Tiefgang durch die Republik. Wie etwa der von Franz Beckenbauer, die Bundesliga solle auf 20 Klubs aufgestockt werden. Oder der von Lothar Matthäus, der forderte, Westvereine sollen die Kollegen im Osten mit Geld unterstützen. Woran sich der Rekordnationalspieler nicht zu erinnern vermag: Schon einmal flossen Millionen in Vereine zwischen Kap Arkona und Bad Elster. Gebracht haben sie nichts.
Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) pumpte 20 Millionen Euro Aufbauhilfe in den Ostfußball - so wie private Investoren. Ende der neunziger Jahre etwa überwies Kinowelt-Besitzer Michael Kölmel Union Berlin 13, Sachsen Leipzig sieben, Dynamo Dresden sechs und Carl-Zeiss Jena 3,5 Millionen Euro. Die Folge waren Jahre der Prasserei und des Größenwahns.
Bei Union Berlin, Pokalfinalist 2001, wurden die Löhne zeitweise aus Koffern bezahlt. Mittelstürmer Sreto Ristic verdiente 2003 pro Jahr 500 000 Euro. Union, hochverschuldet, ist gerade aus der Regionalliga abgestiegen.
Auf ähnliche Weise wirtschaftete Sachsen Leipzig. Spieler Carsten Klee, damals 31, kassierte 18 000 Mark monatlich, plus Auto, Wohnung und Auflaufprämien. Gern blähte sich der mittelmäßige Stürmer auf: "Das konnte mir kein Zweitligist bieten". Profi Karsten Sänger, damals 35, erhielt 15 000 Mark, Trainer Uwe Reinders 25 000 Mark, Trainer Hristo Bonev ebenso. Als der Bulgare entlassen wurde, verfrachtete er die Anbauwand aus der gestellten Wohnung in seine Heimat. Leipzig spielt heute in der Oberliga.