Am Samstag begann die zweite Runde des UI-Cups, die ich mir natürlich nicht entgehen lassen konnte. Wir entschieden uns diesmal für das Spiel zwischen Nijmegen (Nimwegen), die in dieser Runde ihr Debüt gaben, und Cork City. Die Iren hatten in der ersten Runde überraschend Malmö ausschalten können.
Schon vor Beginn der Fahrt hatte ich mir vorgenommen, aufgrund meiner hohen Ansprüche an mich selbst bestimmte Worte möglichst nicht in einem Bericht zu verwenden. Wegen einer kleinen Episode ist mir das aber unmöglich. Immerhin habe ich aber die Möglichkeit, alle diese Begriffe in folgendem Satz unterzubringen: Da Teile unserer Reisegruppe einen Coffee Shop besuchen wollten, irrten wir durch Nijmegens grachtenlose Straßen, auf denen sich die teilweise die Fahrräder wie nach einer Sturmflut bis zum ersten Stock stapelten, bis der Käskopp, der am ehesten nach einem im Wohnwagen gezeugten Deichkind aussah und lief, als hätte er Holzpantinen an, uns den Weg ins dunkelste und freudloseste Gäßchen wies. Nachdem meine Kollegen diese Drogenhölle wieder verlassen hatten und wir glücklich vereint im Auto zum Stadion saßen, zeigte sich, daß nicht jeder Nachwuchsjunkie die holländischen Spezialitäten verträgt. Einem meiner Mitfahrer war nämlich nach einem halben Joint so unglaublich übel, daß er nicht nur stöhnend und jammernd im Auto umherschwankte, als wäre Dynamo Dresden gerade in die erste Liga aufgestiegen. Nein, er entschloß sich sogar, die nächsten Stunden, in die zufällig auch ein UI-Cup-Spiel fiel, im Auto zu verbringen und sich ausgiebigst auf die Rückfahrt vorzubereiten.
Fazit: Keine Macht den Drogen. Vielleicht wäre das was für den nächsten Fernsehspot. Ich könnte mir Andi Brehme und Lothar Matthäus auf einer großen Wiese vorstellen, die mit freundlichem, aber gleichzeitig mitfühlend-sorgenvollem Gesicht in die Kamera sagen: "Kinder, Hände wech von dem Zeuch. Sonscht werd ihr so doof wie mir und verpaßt unner Umständen den UI-Cup." Nur so können wir die Seuche stoppen! Ob diese Initiative Mayer-Vorfelder noch retten könnte?
Zum Wesentlichen: Fußball gespielt wurde natürlich auch noch. Da die Mehrzahl der Deutschen ihre niederländischen Nachbarn nicht leiden kann und ich mich in diesem Punkt nicht unsolidarisch verhalten wollte, verfolgten wir das Spiel aus dem Gästeblock. Als alter Ire, der auch am Imbißstand mit seinen Englischkenntnissen protzen wollte, konnte ich erneut meine kulinarischen Wünsche nicht befriedigen. Woher sollte ich auch wissen, daß eine "Broodtje Worst" keine Bratwurst, sondern ein lappriger Hotdog ist? Außerdem werde ich mein Credo, im Ausland als konsequenter Wassertrinker aufzutreten, wohl notgedrungen aufgeben müssen. Denn nachdem ich meinen Wunsch nach etwas "water" geäußert hatte, verschwand die Verkäuferin kurz nach hinten, und ich hatte schon bezahlt, als mir bewußt wurde, daß man mir erneut nur Leitungswasser angedreht hatte. Wenn in Zukunft irgendwelche besoffene Kapitäne ihre Säureschiffe versenken, sollte dies bitteschön im holländischen Trinkwassereinzugsgebiet geschehen.
Im Block befanden sich dann etwa 200 echte Iren. Ihr werdet es nicht glauben: Keiner von denen wollte ein Wasser. Auch 4300 Niederländer waren im Stadion De Goffert, die im Gegensatz zu mir wußten, daß es sich nicht lohnen würde, das EM-Spiel um Platz 3 mit ihrer Nationalelf anzuschauen, weil dieses nämlich gar nicht stattfand. Die Musik im Stadion machten aber die Iren. Diese präsentierten sogar ein Intro aus 4 Schwenkfahnen. Die NEC-Fans hatten außer einem wunderschönen Regenbogen am Himmel hinter ihrem Block nichts zu bieten. Eigentlich kann man noch nicht einmal von Fans sprechen, da keinerlei Unterstützung für die eigene Mannschaft zu hören war. Nicht einmal die Zaunfahne einer größeren Gruppe war auszumachen. Wenn es hier jemals Fans gab, sind diese wohl bei der Renovierung des modernen, also versitzplatzten, Stadions mit eingemauert worden. Die "Rebel Army" von der grünen Insel dagegen sang ziemlich durchgängig und lautstark, trotz der etwas begrenzten Kreativität ein toller Auftritt. Sogar die Kinderchen im Familienblock nebenan ließen sich davon völlig begeistert mitreißen, weil sie so etwas in ihrem Städtchen anscheinend noch nicht gesehen hatten.
Wer ganz wild auf die Höhepunkte des Spiels ist, kann sich diese als Video von www.eirways.com/citynet herunterladen. Es war ein 0:0 der unterhaltsamen Sorte. Cork hat aus einer sicheren Abwehr die Holländer das Spiel machen lassen und von Zeit zu Zeit für Gefahr vor dem gegnerischen Tor gesorgt. Die enttäuschenden Nijmegener, die übrigens vom bekannten Alt-Internationalen Neeskens trainiert werden, hatten erst in der 75. Minute ihre erste Chance, konnten aber im Schlußspurt immerhin noch einen Lattenknaller und einen traumhaften und ebenso traumhaft parierten Seitfallzieher verbuchen. Man kann ihnen aber zugestehen, daß sie stark ersatzgeschwächt waren und im Gegensatz zu Cork gerade erst das Training aufgenommen hatten. Cork ist die zweite Überraschung im Wettbewerb nicht nur zuzutrauen, sondern nach diesem beherzten Auftritt von Mannschaft und Fans auch zu wünschen.
Verblüffend war erneut die große Zahl von Deutschen im De Goffert. Findet in Europa auch noch Fußball ohne deutschen Besuch statt?