© Leipziger Volkszeitung vom Montag, 3. Mai 2004
Affäre um VfB-Bürgschaften weitet sich aus
Die zwei städtischen Bürgschaften für den bankrotten VfB Leipzig wachsen sich allmählich zur handfesten Affäre aus. So liegen der LVZ nun Dokumente vor, die belegen, dass der frühere Sportbeigeordnete Burkhard Jung (SPD) bezüglich der DePfa-Vereinbarung nicht ehrlich war.
Vor drei Wochen hatte Jung auf Anfrage der LVZ erklärt, bei der DePfa-Bürgschaft im Jahr 2000 sei alles ordnungsgemäß verlaufen. Wie berichtet, lieh sich der VfB damals 500.000 Euro - die Stadt bürgte dafür. OBM-Dienstberatung und Grundstücksverkehrsausschuss hätten dies zuvor abgesegnet. Den heutigen Beigeordneten für Jugend, Soziales und Schule müssen aber schon längere Zeit Zweifel plagen, ob hier wirklich alles ordnungsgemäß verlief. Zwar war der Bürgschaftsvertrag zwischen Stadt und VfB vom 4. April 2000 konform mit den Rathaus-Beschlüssen. Zur eigenen Absicherung schickte die DePfa aber noch eine "Rückzahlungsvereinbarung" an das Grundstücksverkehrsamt. Dessen damaliger Leiter Christoph Böckenförde warnte Jung am 6. April in einer Notiz davor, dieses Papier zu unterschreiben: "Es handelt sich um eine eigenständige unmittelbare Zahlungsverpflichtung - und nicht um eine Sicherungsabsprache oder Haftungserklärung. Meines Erachtens ist der Beschluss der Diensberatung und des Grundstücksverkehrsausschusses nicht ausreichend, um diese Erklärung zu rechtfertigen."
Trotzdem unterschrieb Kämmerer Peter Kaminski (CDU) - auf Bitten Jungs - am 11. April die "Rückzahlungsvereinbarung". Darin verpflichtete sich die Stadt gegenüber der Bank "unwiderruflich", die Million in fünf Raten abzustottern. Dem VfB wurde nur noch ein Recht auf "Sondertilgungen" eingeräumt, das er freilich niemals nutzte. Zu Kaminskis Ehrenrettung muss gesagt werden, dass dem Verein die Auslöschung per 19. April drohte. Auch erklärte der Kämmerer jüngst in einem Brief an OBM Wolfgang Tiefensee (SPD), Jung habe ihn seinerzeit darüber informiert, dass der Oberbürgermeister mit der Unterschrift einverstanden sei. Am Tage der Unterzeichnung hatte Kaminski Jung schriftlich mitgeteilt, dass man für das DePfa-Geschäft noch "eine gesonderte Beschlussfassung des Stadtrats" brauche und das Regierungspräsidium (RP) informieren müsse. Beides erfolgte nicht.
Trotzdem erneuerten Kaminski und der heutige Sportbeigeordnete Holger Tschense (SPD) vergangenen Sommer die Ratenvereinbarung mit der Bank. Zum Jahreswechsel floss die erste Rate über 102.258 Euro. Weitere Zahlungen hat die Stadt soeben auf Eis gelegt. Weil einst das RP umgangen wurde, war die DePfa-Bürgschaft eventuell ungültig. Obendrein verfolgt das Rathaus nun Hinweise, der VfB habe die Flutlichtanlage im Bruno-Plache-Stadion gleich zweimal als Kredit-Sicherheit verwendet. Auch das könnte die Stadt aus der Bürgschaftsklemme befreien - sofern sie aufs Stadion samt Grundschulden verzichtet.
Dann hätte Leipzig aber ein Problem mit dem Olympia-Konzept, so PDS-Stadtrat Rüdiger Ulrich: "2012 soll im Plache-Stadion Baseball gespielt werden." Seine Fraktion fordert eine "lückenlose öffentliche Aufklärung" der zwei VfB-Bürgschaften.
Im zweiten Fall - einem DKB-Kredit über 732.328 Euro - waren nach neuesten Erkenntnissen die Dezernate von Tschense und Kaminski beteiligt. Beide lehnen hier jede persönliche Verantwortung ab.
Jens Rometsch