Die neue Wahlheimat (Chemnitz) animierte mich am Wochenende dazu den regionalen Fußballclubs einen Besuch abzustatten und mit FSV Zwickau gegen den BFC Dynamo sowie Erzgebirge Aue gegen die Münchner Sechzger war das Rahmenprogramm auch angerichtet (selbst die Alternativen Dynamo Dresden - Fortuna Köln / Lok - RBL II wären für den geneigten Groundhopper nicht unattraktiv).
FSV Zwickau - BFC Dynamo 0:0 (2.883 Zuschauer, 800 Gäste)
Da ich am Zwickauer "Sojus 31" noch auf meine Karte für den Gästeblock warten musste, gab es mir die Möglichkeit den Berliner Gästemob bei meinem ersten BFC-Spiel in Augenschein zu nehmen. Abgesehen vom ALLESFAHRER spazierten fast nur die Kaputten der Kaputten Ostberlins gen Stahlrohrtribüne. Manch fußballfremder Passant hätte den Mob vielleicht auch als "asozial" beschrieben. Nach dem ganzen Public-Viewing-Hype im Sommer und immer währender RB-Diskussionen war ich auch froh mal wieder unter Fußballfans zu sein.
Ich war in Zwickau bisher immer nur im alten Westsachsenstadion und konnte so erstmals das "Sojus 31" in Augenschein nehmen. Und alle geschilderten Eindrücke stimmten halbwegs: Schulsportplatz, Stahlrohrtribünen - für diese Sportanlage wurde das Wort Provisorium erfunden. Wobei die Zäune und die "Haupttribüne" schon einen gestanden Eindruck machten. Die Gästefans verteilten sich dann auf die Stahlrohrtribüne und den benachbarten Hang. Die Stimmung in der ersten Hälfte ganz ok, die Akustik auf einem Sportplatz lässt entsprechend zu wünschen übrig. In der zweiten Halbzeit mühten sich sowohl die Akteure auf dem Feld als auch auf den Rängen nochmal, aber es sollte kein Tor gelingen. Zwickau war mit einem Pfostentreffer kurz vor Schluss am ehesten dran, das Spiel für sich zu entscheiden.
Das BFC-Liedgut in der zweiten Hälfte von der Thälmann-Kolonie bis zu vereinzelten kleine-Trompeter-Klassikern brachten die kleine hallesche Reisegruppe (inkl. mir zu viert) zum Schmunzeln. Es blieb in und um das Stadion komplett friedlich. Dabei bot allein die Gästeversorgung schon Zündstoff, da sie mit der Nachfrage hoffnungslos überfordert waren. Immerhin lief mir beim etwa 17minütigen Anstehen NOFBler Greg für nen kurzen Schnack über den Weg.
Insgesamt ein sportlich trister, aber fußballkulturell lohnenswerter Ausflug. Abends folgte noch ein Abstecher zu den "Chemnitz 99ers", die in der Pro A (2.Liga Basketball) das Kunststück fertigbrachten auch im dritten Saisonheimspiel in die Overtime zu gehen. Das bessere Ende hatten die Heidelberger Gäste vor ca. 1.700 Zuschauern für sich (79:82).
FC Erzgebirge Aue - TSV 1860 München 4:1 (3:0) (10.000 Zuschauer)
Über Erzgebirge Aue und die Schachtbewohner kursieren im Osten spätestens seit der Ära Gerd Schädlich unzählige Storys vom Fichtelberg bis ans Kap Arkona. Der MDR betont immer wieder die Bodenständigkeit der Erzgebirgler, höchste Zeit endlich mal vor Ort dabei zu sein. Bisher war die einzige Schnittmenge mit der Wismut das alljährliche Sommertestspiel gegen den HFC.
Ich wusste zwar das direkt auf der Bundesstraße oberhalb des Stadions geparkt wird, war aber doch etwas überrascht, nach einer umleitungsbedingten Stadtrundfahrt durch Lößnitz, dass hunderte Passanten auf der Bundesstraße vom 3 km entfernten Lößnitz zum Stadion pilgerten. Ich stellte mein Auto kurzerhand 1km vom Stadion entfernt auf der selben Bundesstraße ab und schloss mich dem Tross an. Die Karte kam für 6€ (ermäßigt, Stehplatz) rekordverdächtig preiswert. Da es das Stadionprogrammheft nur außerhalb am Fanprojektstand gab, betrat ich das Stadion gleich zwei mal: Karte scannen, Abtasten, nach Programmheft herumirren, "ausscannen", Programmheft kaufen und Einlassprozedere von vorn.
Beim scheinbar etwas überlasteten Grillstand wurde ein Fleischkäsebrötchen erworben (für 50% des Eintrittspreises). Obwohl der Andrang überschaubar war, gingen die Steaks teilweise halbroh über den Ladentisch. Egal, ich war schließlich nicht aus kulinarischen Gründen ins mittlerweile "Sparkassen-Erzgebirgsstadion" gekommen. Das Stadion war überall von gekreuzten Hämmern geprägt, dabei überschlug ich das ca. 90% der Besucher keinen oder nur noch einen entfernten Bezug zum Bergbau oder gar der Wismut selbst haben. Und trotzdem sang natürlich das ganze Stadion beim Einmarsch der Spieler das Steigerlied - quasi Liverpools You'll never walk alone des kleinen Mannes (oder des Erzgebirges).
Der Spielverlauf zwischen zwei Kellerkindern kam den Hausherren natürlich sehr entgegen. Aue bestrafte jeden Fehler der 60er eiskalt und führte nach einer Viertelstunde entsprechend 3:0 - die Löwen monierten später das 1:0 aus Abseitsposition hätte deren Konzept über den Haufen geworfen und die Schleusen geöffnet. Ich halte mal dagegen: wer sich in der Abwehr vielfach so dilletantisch verhält, geht auch bei Schlusslicht Aue als verdienter Verlierer vom Platz. Die drei Tore sollten auch die Vorentscheidung sein. 1860 selten zwingend, als Liga-Sorgenkind mit drei frischen Nackenschlägen auch nicht gerade mit breiter Brust. In der zweiten Halbzeit keimte nur ganz kurz Hoffnung beim Anschluss (51.) auf, am Ende hätte Aue auch höher als 4:1 gewinnen können. In den letzten zehn Minuten gaben sich die Münchner endgültig auf, die zahlreich mitgereisten Gästefans waren entsprechend aufgebracht. Ich hatte meinen sportlichen Unterhaltungswert bekommen und einen angenehmen Fußballausflug obendrein. Die Stimmung bei den Heimfans entsprechend ausgelassen und positiv.
So ging ein Wochenende bei allerbestem Fußballwetter mit der Erkenntnis zu Ende, dass sich der Abstecher zu den Vereinen der Region lohnt. In diesem Sinne...
Glück auf!