Der Wahnsinn macht Zwischenstopp in Leutzsch
Das Spiel
Wer Krimi, Drama und Helden erleben wollte, brauchte am Sonntag nicht den ganzen Tag für Tatort, dicke Bücher oder Besuche am Völkerschlachtdenkmal aufzuwenden. In gerade zwei Minuten zwischen abgrundtiefer Enttäuschung und sternchentreibendem Jubel war alles dabei was den schönsten Rasensport ausmacht.
Dabei hätte nach gerade fünf Minuten die positive Hamburger Auswärtsserie ihren Fortgang finden können. Den unkontrolliert durch den Strafraum springenden Ball, konnte Gibbs doch noch annehmen und aus kurzer Distanz auf das Leutzscher Tor schießen. Aber Rechner hielt mit einer spektakulären Fußabwehr. Dieser Warnschuss schien die Gastgeber aufgeweckt zu haben, nur wenige Minuten später schoß Cramer aus 15 Metern knapp am Hamburger Pfosten vorbei. Mit einem Schuss von der Strafraumgrenze versuchte sich auf der Gegenseite nochmals der auffällige Gibbs. Aber wieder war Rechner mit einer Faustabwehr zur Stelle. Die bemühten, aber vor dem Tor zu zögerliche Chemiker, konnten bis zur Halbzeit ihren Gegner in die Defensive drängen. Wie so oft in dieser Saison ohne zählbares Resultat.
Aber wozu gibt es die 49. Spielminute. Gleicher Spielstand, gleiche Spielminute wie im Spiel gegen Braunschweig und wieder das 1:0. Zimmermann konnte seinen stolpernden Bewacher abschütteln und am herausstürmenden Hollerieth vorbeischieben. Leider übernahm nun auch St. Pauli, wie schon die Gäste aus Niedersachsen, das Kommando. Ein gefährlicher Angriff auf den nächsten musste eine viel beschäftigte Leipziger Abwehr abfangen. Nach einem Eckball konnte Friedrich mit viel Mühe noch einen Kopfball von der Linie schlagen. Dann die letzten zehn Minuten: erst scheiterte Bergner mit einem Kopfball am Lattenkreuz, dann wird fünf Minuten vor Schluss ein Tor der Gäste nicht gegeben. Aber das war nur ein Vorspiel für die 89. und 90. Minute. Zuerst konnte Neuzugang Nwosu die Leutzscher Fans aus allen Träumen reißen und nach Unsicherheit von Friedrich und Rechner zum Ausgleich treffen. Platzsturm der Auswechselspieler und Jubel mit den mitgereisten Fans schien allerdings den Blick für die immer noch siegeswilligen Sachsen zu vernebeln. Kujat und Koslov blieben hellwach und leisteten mustergültige Vorarbeit für Niko Kanitz. Der hatte nur noch die Aufgabe den Ball unter Kontrolle und aus 11 Metern ins Tor zu bekommen.
Insgesamt ein glücklicher Sieg in einem auffällig fair geführten Spiel. Mit den drei Punkten hat Chemie das erste Mal die Oberliga-Berechtigungsplätze verlassen und kann etwas entspannter die folgenden Spiele angehen. Wer so verrückt ist Chemie in seine Fußball-Wetten einzubeziehen, sollte allerdings für den Rest der Saison auf einen „Zu-Nulltipp“ verzichten. Alles ist möglich, aber immer mit Gegentreffer(n).
Die Fans
Zu Beginn des Spiels gab es ein wahres Festival an Choreos zu bewundern. Die Sankt Pauli Fans mit einem Transparent, dass sinngemäß beide Vereine gemeinsam gegen Rechts kämpfen sieht. Auf Seiten der Chemiker ein 30-Meter-Antirassismus-Plakat, dass vor dem Spiel über den Rasen getragen wurde, eine Choreo auf dem Norddamm und der Start von 2012 Luftballons auf dem Dammsitz. Ein wenig die Politik überbewertet für meinen Geschmack. Akustisch war im Gästeblock sehr durchgängig Support zu vernehmen, auch nach dem Rückstand. Eine für diesen Auswärtsfahrerzahl überdurchschnittliche Feierlaune war allerdings nicht zu vernehmen. Dieser Ruf geht schließlich den Fans vom Hamburger Hafen voraus. In den Chemieblöcken war es über weite Strecken des Spiels einfach zu leise. Zeitweise hat zwar das ganze Stadion gesungen, nur einfach zu selten und besonders laut eben nur nach den Führungstreffern. Kein Wunder. Außerdem beachtlich: nicht eine verbale oder visuelle Schmähung der gegnerischen Fangruppe.
Das Umfeld
Ein wirklich sehr gut pfeifendes und winkendes Schiedsrichtergespann hatte der DFB für dieses Spiel aufgestellt. Eine unaufgeregte Leistung wie die des Marc Seemann ist in der Regionalliga wirklich nicht alltäglich. Unverständlich war dagegen das unglaubliche große und mit nichts zu rechtfertigende Polizeiaufgebot. Selbst im Stadion wurden Fans kontrolliert, warum auch immer.
Die Statistik
Tore:
1:0 Zimmermann (49.)
1:1 Nwosu (89.)
2:1 Kanitz (90.)
Zuschauer: 7.586 (ca. 1.100 für Sankt Pauli, davon 150 aus Connewitz)