Der Wecker rasselt, die verquollenen Augen suchen nach Orientierung….wie watt, wassen los? Ist doch Wochenende! Ach ja, es steht ja die erste Auswärtsfahrt der Saison an. Schnell die alten Knochen unter die Dusche gehievt, nen starken Kaffee runtergewürgt und schon gings ab in Richtung Babelsberg, wo schon das Gefährt des Vertrauens auf die reisewütige Gruppe wartete. Nachdem auch Lepetit sich mit der akademischen Viertelstundenverspätung auf die letzte Reihe neben den Berichteschreiber gequetscht hatte, ging es fast pünktlich los gen Sachsen.
Auf der A9 der erste Schreck, Fahrbahnmarkierungsarbeiten! Aber so ein Stau vergeht ebenso schnell wie der Appetit des Vizeherbstmeisters, wenn man interessante Reportagen über die Blutwurstmanufaktur Neukölln im inforadio geboten bekommt. Wusstet ihr, dass die Blutwurst, gekocht aus gewürztem Schweineblut, zu den ältesten bekannten Wurstsorten gehört? Wenn nicht, kann ich jetzt meinen pädagogischen Part des Berichtes abhaken.
Natürlich gab es auch wieder das Fußballquiz, bei dem das Team Rotationsstehplatz das munkeresk anmutende Zweiergespann mit 3:2 in die Schranken verwies. Locker leger kam auf die Frage: Wer wurde auch die Katze von Anzing genannt?“ wie aus der Pistole geschossen die Antwort „Schwarzenbeck“! Vollkommen logisch: Georg Schwarzenbeck, seinerseits bester Torwart Deutschland in Diensten des FC Bayern, nicht zu verwechseln mit dem Verteidiger „half mens, half stier“ Sepp Maier. Eine Leichtigkeit für Experten wie lepetit und mich. Etwas schwieriger dann schon die Fragen „was macht ein Schiedsrichter“ oder nach dem Austragungsort des DFB-Pokalfinalendspiels. Aber jahrelanges Quizzen und das immerwährendes Studieren von Fifa-Statuten, des Kicker-Almanachs und dem Aufsagen von jeglichen Fußballergebnissen sämtlicher Vereine der Welt machten sich schlussendlich bezahlt, so dass auch der Vizeherbstmeister dem geballten Fachwissen auf der Rückbank Tribut zollen musste.
Vorbei an der Ringelnatzstadt Wurzen näherten wir uns mit Siebenmeilenstiefeln unserem Ziel, als das Telefon schellte: Achtung, Stau vor Chemnitz! Die Zeit und die Blase drückten, ein nicht genannt werden wollender Marketingbeauftragter des Vereins musste notgedrungen auf dem Seitenstreifen zurückgelassen werden und unterspülte den Bereich der Kilometersteine 49,0 – 49,5. Über etliche Umwege erreichten wir dann zeitgleich mit den Fanbussen aus Babelsberg das Stadion an der Gellertstraße; das Spiel war 12 Minuten alt, als ich bei strahlendem Sonnenschein die ersten Schritte ins Rund tat.
Chemnitz hatte schon in der ersten Minute die erste dicke Möglichkeit, ein abgefälschter Schuss von Reinhardt klatscht an die Querlatte. Auch in der Folgezeit Babelsberg indisponiert, Jansens Heber geht knapp über das Tor (7.) Nach acht Minuten die erste Gelegenheit für den Aufstiegsaspiranten aus der Filmstadt, einen Freistoß nimmt Prochnow nach Kopfballverlängerung volley, der Schuss geht allerdings über das Gehäuse.
Kilicaslan hatte kurz darauf die Chance zur Führung, er wird über halblinks geschickt, seinen Schuss kann Klömich nur abklatschen, der Nachschuss von Kili landet auf dem Tornetz. Im Gegenzug Chemnitz brandgefährlich, Reinhardts Kopfball nach Ecke geht knapp rechts am Tor vorbei (22.) Chemnitz druckvoller als die Nulldreier und weiter im Vorwärtsgang. Boltze wird schön geschickt, seinen Schuss kann Unger grad noch zur Ecke klären. Von unseren Nulldreier war in dieser Phase des Spiels wenig zu sehen, die himmelblauen Sachsen bestimmten das Spiel. Kurz vor der Pause dann die Konsequenz: nach einem unnötigen Foul knapp 25 Meter vor dem Tor legt sich Löwe das Leder zum Freistoß hin, zieht mit links ab und zwirbelt ihn in die rechte Dreiangel – besser gehts nicht.
Zur zweiten Halbzeit brachte Dietmar Demuth für Prochnow Kocer, welcher sich sofort nach einem Foul die gelbe Karte abholte. 2 Minuten später dann der Ausgleich, nach einem Müller-Eckball springt Kapitän Civa am höchsten, Boltze versucht noch den Kopfball zu klären, aber Schiedsrichter Arno Blos entscheidet auf Tor (48.).
Mehr als fraglich das Verhalten einiger Mitgereister kurz darauf. Nachdem erst Polizisten von den Rängen sinnlos bepöbelt wurden, begannen plötzlich Tumulte zwischen Ordnungsmacht und Mitgereisten, in deren Verlauf auch Babelsberger Fans verletzt wurden. Ob allerdings das immerwährende Rütteln am Begrenzungszaun, verbunden mit weiteren sinnfreien Rufen, deeskalierend wirkte, ist mehr als zweifelhaft. Wenn dann noch Halbstarke in ihren von Mutti gebügelten schicken Markenklamotten „Miete verweigern, Kündigung ins Klo - Häuser besetzen sowieso“ skandieren, zweifle ich ernsthaft am deutschen Bildungssystem bzw. am gesunden Menschenverstand. Teile der Chemnitzer Gegengerade begleiteten diese Aktionen mit „Antifa-HAHAHA“-Gesängen, ein weiteres gegenteiliges Indiz für den bunten Ball, der angeblich in Chemnitz gespielt wird.
Lepetit neben mir brachte die Stimmung auf den Punkt: „Wir könnten noch so schön im Stau stehen, Oese“.
Babelsberg nun kurzzeitig das bessere Team, jedoch ohne zwingende Möglichkeiten, Chemnitz überstand die ersten Schockminuten nach dem Ausgleich clever und ging in der 61. erneut in Führung: Löwe zieht von der Straftraumgrenze ab, Unger kann den Ball nur abklatschen und Jansen steht da, wo ein Stürmer stehen muss und staubt ab. Demuth brachte Moritz und Hebisch für Alme und Kili, es half nichts.
Chemnitz verteidigte geschickt, Nulldrei verlor nicht nur zu viele Bälle sondern auch Guido Kocer, den Schiedsrichter Blos kurz vor Abpfiff in meinen Augen ungerechtfertigt zum Duschen schickte. Die Stimmung im Gästeblock angesichts des Spielstandes und der Vorkommnisse dahinter mehr als getrübt, was die Konversation
Oese: „Ich habe Hunger“
Lepetit: „Ich will in’ Stau“
unterstrich. Kurz vorweg, Lepetits Wunsch wurde erhört.
Pünktlich pfiff der Schiri ab und Chemnitz ging als verdienter Sieger vom Platz. Ich trollte mich mit beginnendem Hitzschlag vor die Stadiontore wo auf den lässigsten aller Liberos gewartet wurde, welcher die Ehre hatte, den Platz an der Sonne neben unserem Fahrer einzunehmen, stand doch ein gemeinsamer Pearl Jam-Besuch mit dem oben erwähnten nahezu inkontinenten Marketingbeauftragten in der Wuhlheide an. Der Renault wurde über die Autobahn gejagt...doch kurz vor Klein Marzehns war Ende: Vollsperrung! Über märkische Kleinode wie Rädigke (aufgemerkt: dort findet vom 18.-20.9 das Kreiserntefest statt), Neuendorf und Niemegk tuckerte man mit gemächlicher Schrittgeschwindigkeit gen Heimat, welche mit etlicher Verspätung erreicht wurde. Ob das Pearl Jam-Konzert für das Spiel und die anschließenden Pöbeleien im Auto unseren Libero der Herzen entschädigten erfahrt ihr sicher in der nächsten Ausgabe, wenn es wieder heißt: Auf geht’s Nulldrei!
Chemnitz: Klömich – Unversucht, Richter, Wilke, Becker, Boltze (76. Garbuschewski) , Vrtelka, Reinhardt, Löwe (82. Liebers), Jansen 84. Beduhn), Hampf
Babelsberg: Unger – Weidlich, Laars, Surma, Dojahn, Ergirdi, Civa (75.Moritz), Prochnow (46. Kocer), A. Müller, Frahn, Kilicaslan (75. Hebisch)
Tore: 1:0 Löw (45.), 1:1 Civa (48.), 2:1 Jansen
Gelbe Karten: Unversucht, Reinhardt – Ergirdi, A. Müller, Kilicaslan
Gelb Rote Karte: -, Kocer
Babelsberger: 100
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