Sächsische Zeitung
Donnerstag, 5. Juni 2003
SC setzt auf Junioren
Neuanfang nach fünf Jahren Fußballabstinenz / Sportinternat ist Renner
Von Reiner Hanke
Der SC Riesa besinnt sich auf seinen Fußballtraditionen. Ab dem 1. Juli gibt es nach fünfjähriger Abstinenz wieder eine Fußballabteilung mit rund 250 aktiven Mitgliedern, mehrheitlich Spieler vom zahlungsunfähigen FC Stahl ‘98.
Das Riesaer Fußballurgestein Rudi Müller muss sich gedulden. So sehr es sich der erfolgreiche Rechtsaußen wünscht: Eine Broschüre zur 100-jährigen Riesaer Fußballgeschichte (1903-2003) wird er so schnell nicht in die Hand bekommen. SC-Geschäftsführer Bernhard Hoffbauer selbst dämpfte gestern die Hoffnungen. Und auch der sportliche Aufstieg ins sächsische Fußball-Oberhaus dürfte für Riesa nicht so leicht werden. Beides hängt eng zusammen. Nach den ganzen Stahl-Querelen und dem finanziellen Aus des FC Stahl ‘98 gibt es nicht viel zu feiern. Die Insolvenz des FC Stahl als Endpunkt einer 100-jährigen Tradition, wäre zudem kein gelungenes Schlusskapitel für eine Fußballgeschichte.
Die soll jetzt unterm Dach des SC erfolgreicher weitergeschrieben werden. Der richtige Weg sei eingeschlagen. Darin waren sich SC-Präsident Markus Mütsch und Geschäftsführer Bernhard Hoffbauer gestern einig. 90 Prozent der Stahlfußballer und Trainer hätten jetzt beim SC angeheuert. Von der F-Jugend bis zu den Alten Herren wird gespielt. Die 1. Mannschaft darf in der Bezirksklasse einen Neuanfang wagen. Allein 20 Jugendtrainer sollen die sportliche Nachwuchsquelle für die 1. Mannschaft tüchtig sprudeln lassen. Die wiederum wird eine Doppelspitze auf Zack bringen: Mit Uwe Ulbricht als erfahrenem Stahl-Mann und Thomas Kupper, einem Riesaer Eigengewächs und zuletzt Trainer in Döbeln. Wie die Vereinsspitze sieht Kupper gerade in der gezielten „Nachwuchsarbeit das „Fundament“ für sportlichen und wirtschaftlichen Erfolg.
Dafür bietet der Verein auch mit dem Sportinternat einen fruchtbaren Boden. Immer mehr junge Fußballer interessieren sich dafür und drängen zugleich ins Riesaer Sportgymnasium. Die 16 Internatsplätze für das kommende Schuljahr sind bereits ausgebucht. So machen sich Verein und Stadt bereits jetzt Gedanken, wie die Plätze aufgestockt werden können.
Investiert werden muss aber auch in die Sportplätze. Für mehr als 50 000 Euro wird derzeit die Göhliser Anlage in Ordnung gebracht. Hier hatte die Flut gewütet. Derzeit wird eingesät. Allerdings ist Göhlis damit für die kommenden Monate tabu. Ersatz böte das Merzdorfer Stadion, brauchte allerdings dringend etwas Pepp. Das mindeste ist eine Unkrautaktion, ordentlich Wasser aufs Spielfeld und etwas Farbkosmetik für die Sanitäranlagen. Alles darüber hinaus hängt von Fördermittelanträgen ab, die noch auf den Weg gebracht werden sollen. So wären mit Grube- und Leichtathletikstadion insgesamt genug Spielmöglichkeiten für alle Mannschaften. Getrübt wird die Aufbruchstimmung durch den Ärger über die Neugründung des TSV Stahl Riesa. Bernhard Hoffbauer bedauert die Spaltung des Riesaer Fußballs und schimpft: „So wird der Name Stahl zur Hure gemacht.“ Die Stahltradition und der Name seien noch immer beim SC Riesa zu Hause, grollt der SC-Chef. Sogar das Amtsgericht rief der Verein in dieser Sache an, hat aber noch keine Antwort. Weitere rechtliche Schritte sind vorerst nicht geplant: „Wir müssen uns schließlich um die aktuelle Arbeit kümmern“, hakt Hoffbauer das Thema ab.
Doch ein flaues Gefühl bleibt. Denn ein direktes Duell der Stahl-Rivalen kommende Saison ist nicht ausgeschlossen. Im Kreispokal könnten sie aufeinanderprallen. „Am Ende müssen wir an einer Front kämpfen, die uns völlig fremd ist und die wir nicht haben wollen“, beklagt Hoffbauer. Sein Albtraum: Fan-Randale und Polizeihundertschaften statt Sportsgeist. Trainer Uwe Ulbricht hat ein besseres Rezept: Nur mit sportlichen Leistungen kann eine Fußballmannschaft das Publikum überzeugen.