Lang her: Dessau 1.Mai 1973 ?

  • Habe von einheimischen, nichtfußballernden Dessauern erzählt bekommen, dass es vor langer Zeit - damals beim FDGB-Pokal-Endspiel (Magdeburg-Lok Leipzig) ?? - schweren Fußballfan-Ärger in der Stadt gab. Wahr ?


    Weiß nicht, inwieweit diese Berichte zutreffen (Wessi), aber in der jüngsten DDR-Vergangenheit (1970-90) muss es im (fußball-)provinziellen Dessau mal Riesen-Fußball-Ärger gegeben haben ...


    Weiß jemand von den Alten Hasen was ?

  • Hallo,


    ans Spiel kann ich mich schon erinnern, war mein erstes Pokalfinale ..., an Randale nicht so recht, war vielleicht auch noch etwas jung und zu grün hinter den Ohren :wink:


    Der FCM hat das Ding glaub ich 3:2 gezogen, wobei eine klare Torwartbehinderung beim Kopftalltor von Zapf dabei war, da stand ich keine 10 Meter weg. Für mich Jungspund war das Ding klar verschoben und die Emotionen gingen recht hoch.
    Das Stadion war brechend voll, im Vorfeld hatte man die Sonderzüge fein säuberlich getrennt, die Leipziger kamen in Dessau-Süd (ganz schöner Fussmarsch zum Paul-Greifzu) an, die Magdeburger wohl am Hauptbahnhof. Inwieweit dies dann gereicht hat, um die Fans zu trennen, kann ich wie gesagt, aus eigenen Erleben / Erinnerung nicht sagen.
    Trotzdem war es für mich ein tolles Erlebnis (ein bisschen was haben meine grauen Zellen ja noch nach guten 30 Jahren gespeichert).


    MfG
    bb60

  • Zitat

    Original von bb60
    Hallo,


    Das Stadion war brechend voll, im Vorfeld hatte man die Sonderzüge fein säuberlich getrennt, die Leipziger kamen in Dessau-Süd (ganz schöner Fussmarsch zum Paul-Greifzu) an, die Magdeburger wohl am Hauptbahnhof.


    ich denke, darum gehts mir

  • Meinst Du das Spiel BSG Chemie Böhlen - ASG Vorwärts Dessau? Da ging einiges zu Bruch im PGZ.War glaube ich DDR-LIGA - Staffel C 1981/82 so in dem Zeitraum. ?(

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  • Habe in "Schwarze Sau" (Fanzine Sachsen Leipzig) mal was gelesen das in der DDR-Liga wenn Chemie L. dort spielte ganz schön was los war. Zäune eingerissen, Staatsfeindliche Äußerungen und Fang mich mit den Grünen.

    1986 - 2015 = seit über einem viertel Jahrhundert der 1. FCM - Mein Verein


    Пусть всегда будет солнце!

  • Daran habe ich auch gerade gedacht. Steht im Chemie Buch "Leutzscher Legende" auch was drin.
    Die Dessau Spiele wurden damals wohl gerne zum Unmutauslasen über den Staat genutzt.



    @ Jaspa
    Was soll den bei Dessau gegen Chemie Böhlen passiert sein? ist ja nicht gerade ne Horroransetzung gewesen. Kann mir nicht vorstellen, dass dies von den paar Böhlener Hanseln ausging.

  • Ich war in der Saison 82/83 in Dessau. Ca. 9000 Chemiefans waren anwesend und spulten ihr übliches Repertoire ab. Der Zaun war auf Chemieseite Schrott, Armeeangehörige wurden im Stadioninneren mit herausgebrochenen Steinen beworfen, im Stadion gab es definitiv keine staatsfeindlichen Gesänge - "Alemi, Alema, Alemannia" war wohl das Schlimmste - und nach dem Spiel gab es Ausschreitungen schlimmsten Ausmaßes, in dem Polizeifahrzeuge mit Flaschen und Steinen bedacht worden. Ich glaube das gab es in jedem Land Europas.
    In einer wirklich totalitären Gesellschaft hätte es Zuchthaus, KZ o.ä. gegeben.
    Soviel zur Geschichtsschreibung.


    Für mich war es nur ein geiler Fußballausflug mit Chemie Leipzig.

  • Also ich weiss das zu diesem FDGB-Pokal-Endspiel 1973 zwischen
    dem 1.Fussballclub Magdeburg und LOK Leipzig damals ca. 31.000
    Zuschauer im Paul-Greifzu Stadion waren! Im Spiel kam es dann zu Schlägereien zwischen beiden Fangruppen gekommen ist!

  • Zitat

    Original von connewitzchaot


    In einer wirklich totalitären Gesellschaft hätte es Zuchthaus, KZ o.ä. gegeben.
    Soviel zur Geschichtsschreibung.


    Willst du damit sagen, dass Fussballrowdies in der DDR nicht bestraft wurden?


    Dass die Sicherheitskräfte damals mit dem Phänomen "Fussballkrawalle" reichlich überfordert waren, ist ja bekannt (über Gründe darf spekuliert werden), aber die Unfähigkeit der SED-Bonzen, mit diesem Problem fertig zu werden, jetzt als Beweis für nichtvorhandenen Totalirismus anzuführen, halte ich echt für Quatsch.


    Haftstrafen für Fussballfans und Rowdies gab es reichlich; sehr beliebt waren auch polizeilich angeordnete Aufenthaltsbeschränkungen wie "Berlinverbot", bei gleichzeitiger Verbannung, das hiess: jahrelanges leben auf dem Dorf, arbeiten im Kuhstall bei gleichzeitiger Arbeitsplatzbindung, Ausweis wurde abgenommen, Landkreis (damals waren die Kreise kleiner als heute, ca.20x20km) durfte nicht verlassen werden. Bei geringsten Vergehen gegen diese Auflagen (auch "Arbeitsbummelei"), gab es 8 bis 12 Monate Knast.


    Im Oktober 1978 musste Union ein Nachholspiel gegen Dynamo Dresden im Jahn-Sport-Park unter Flutlicht austragen, da DD einen engen Terminkalender hatte. Der vorgesehene Termin lag zu nah am "Republikgeburtstag" (7.Oktober), an dem es ein Jahr zuvor beim Volksfest auf dem Alex schwerste Krawalle gab und die Stasi wollte wohl kein Risiko eingehen.
    Allerdings lief es anders ab, als von den Verantwortlichen geplant, hunderte Sitzbänke hielten dem Stehplatzpublikum nicht stand (d.h. sie wurden mutwillig zerstört) und wurden dann auch noch auf die Stasi-Fotografen im Innenraum geworfen.
    Lange Rede, kurzer Sinn: einige Wochen später veröffentlichte die "Junge Welt" (von Einigen auch "Stürmer" genannt") einen Gerichtsbericht, wo diese Vorkommnisse Thema waren. Ungefähr (kann mich an alle Details natürlich nicht erinnern) 10 Unionfans, alle so zwischen 16 und 19, wurden wegen Rowdytums zu Haftstrafen zwischen 6 und 12 Monaten verurteilt.
    Man konnte ihnen zwar nicht die Zerstörung von Sitzbänken vorwerfen, allerdings sprangen sie auf diesen herum und der Rowdietum-Gummiparagraph machte eben diese Strafe möglich. Erschwerend kam hinzu, dass der BFC angeblich ein EC-Spiel beinahe wegen dieser Schäden verschieben musste.


    Also harte Strafen wurden schon ausgesprochen, nur traf es, wie so oft in stalinistischen Ländern, die Falschen. Man brauchte ein Exempel und deshalb wurde das Urteil auch veröffentlicht, sonst wurden ja Krawalle jeglicher Art möglichst verheimlicht.


    Ich kenne übrigens auch Fans, die völlig zu Recht in der DDR im Knast (Zuchthaus bzw. Arbeitslager) waren...



    Dass der Polizeistaat, in dem wir jetzt leben, in Bezug auf Fussball schlimmer ist, als zu Zeiten der "Diktatur des Proletariats", finde ich allerdings beschämend.

  • "... Dass der Polizeistaat, in dem wir jetzt leben, in Bezug auf Fussball schlimmer ist, als zu Zeiten der "Diktatur des Proletariats", finde ich allerdings beschämend ..."


    Ich glaube so einfach kann man sich den Vergleich nicht machen. Der Unterschied der beiden Systeme liegt ja im Bezug auf die strafrechtliche Verfolgung von Fans darin, das im jetzigen System konsequent gegen alles 'Verdächtige' von Seiten der Fussballfans vorgegangen wird und es deswegen zu vermehrten Repressalien (sogenannten "Präventivmassnahmen") kommt, während es unter der SED-Herrschaft ja so gut wie keine präventiven Massnahmen (mal von verstärkten Polizeiaufgeboten bei gewissen Spielen und 'Umleitungen' zur Sicherung von politischen Feierlichkeiten abgesehen) gab. Da es offiziell ja nie eine subkulturelle Fankultur gab (es waren ja alle Jugendlichen vorbildliche FDJ'ler ...) wurde auch nie grossartig etwas dagegen unternommen. Keine Schauprozesse, keine Medienkampagnen etc. - Fussballrowdies gab es nur unter den verzweifelten und perspektivlosen Jugendlichen im kapitalistischen Ausland und war ein Übel des dekadenten Westens ... Da reichte auch schon der kleinste Anlass und schon stand in allen Ost-Zeitungen was von den 'rechtsradikalen Hertha-Fröschen' die einen Zug zerlegten, der 'neofaschistischen Borussenfront' etc.
    Mit den Randalen und Verwüstungen die ostdeutsche Fussballfans in jenen Jahren anrichteten, hätten man fast jedes Wochenende eine Sonderbeilage füllen können, aber solche Vorfälle gab es ja nicht im 'real existierenden Sozialismus'. Da war es schon ein dickes Ding wenn in der überregionalen Presse mal ein Gerichtsverfahren gegen 3 Magdeburger Fans erwähnt wurde die "in Brandenburg ein Sitzpolster in einer Strassenbahn aufgeschlitzt hatten" oder ein Riesaer der bei einem BFC-Spiele eine Flasche auf den Platz warf oder 4 Erfurter die Steine warfen u.s.w. - alles nur 'unbedeutende Lappalien' ... Von Schwerverletzten und sogar Toten (die es mit grosser Sicherheit gab) die es bei Massenschlägereien gab, war nie etwas zu vernehmen - Fussballgewalt existierte offiziell nicht und wurde dementsprechend auch nicht besonders scharf verfolgt sondern meistens wurde nur versucht die Szene aus dem Licht der Öffentlichkeit zu halten und diese dadurch einen grossen Spielraum hatte der bis an die Grenzen (und desöfteren auch darüber hinaus ...) genutzt wurde ...


    BWG Kille

  • Zitat

    Original von Kille
    "... Dass der Polizeistaat, in dem wir jetzt leben, in Bezug auf Fussball schlimmer ist, als zu Zeiten der "Diktatur des Proletariats", finde ich allerdings beschämend ..."


    Ich glaube so einfach kann man sich den Vergleich nicht machen.
    BWG Kille


    Danke Kille für Deine gute Einschätzung !
    Das Schlimmste was wir heute machen können ist, die Vergangenheit mit dem Heute mit platten Parolen zu vergleichen und die ach so "schönen" DDR-Verhältnisse damit zu verklären. Jedem der das hier tut, würde ich wünschen einmal den real existierenden Sozialismus mit allen Konsequenzen selbst erleben zu müssen.
    Gängelei, Bevormundung, Überwachung für alle die in welcher Form auch immer nicht "systemkonform" waren. Dazu kamen kappute Häuser und Straßen sowie eine kappute Umwelt. Der allgemeine Mangel in den Geschäften ist etwas, was die meisten hier im Forum vielleicht noch am ehesten kapieren bzw. der große "Karnickelstall" in dem wir hier eingesperrt waren. Der Fussball war dann schon mal ein Ventil um sich gegen bestimmte Sachen Luft zu machen. Da das aber eine Szene war die nur ganz schwer staatlich gelenkt werden konnte, hat man die Vorfälle meistens unter dem Mantel des Schweigens gehalten.
    Insofern kann man hier nicht Äpfel von damals mit Birnen von heute vergleichen. Die präventiven Maßnahmen der Polizei von heute sind schon was anderes. Und wie im Fall des Jeton-Einsatzes in Berlin hat nun wirklich jeder die Möglichkeit sich gegen Willkür und sonstige Unregelmäßigkeiten von Polizeieinsätzen gerichtlich zu wehren. Das ist, Gott sei Dank, grundgesetzlich verbrieftes Recht und wird auch konsequent umgesetzt.
    Es hätte mal jemand zu Ostzeiten versuchen sollen, einen Polizeieinsatz bei Gericht anzuklagen. Wenn es nicht herausragende Beweise, beispielsweise Westfernsehen oder ähnliches gegeben hat, ich sage Euch der oder die hätte Null Chance gehabt sich zur Wehr zu setzen.
    Nun habe ich mich wieder zu einem längeren Beitrag hinreissen lassen. Na ja, vielleicht am 15. Jahres-Tag der deutschen Einheit auch gar nicht so schlecht.
    Gruß DD

  • Zitat

    Original von connewitzchaot
    Ich war in der Saison 82/83 in Dessau. Ca. 9000 Chemiefans waren anwesend und spulten ihr übliches Repertoire ab. Der Zaun war auf Chemieseite Schrott, Armeeangehörige wurden im Stadioninneren mit herausgebrochenen Steinen beworfen, im Stadion gab es definitiv keine staatsfeindlichen Gesänge - "Alemi, Alema, Alemannia" war wohl das Schlimmste - und nach dem Spiel gab es Ausschreitungen schlimmsten Ausmaßes, in dem Polizeifahrzeuge mit Flaschen und Steinen bedacht worden. Ich glaube das gab es in jedem Land Europas.
    In einer wirklich totalitären Gesellschaft hätte es Zuchthaus, KZ o.ä. gegeben.
    Soviel zur Geschichtsschreibung.


    Für mich war es nur ein geiler Fußballausflug mit Chemie Leipzig.


    Das Spiel meinte ich, da war ich anwesend als der Zaun purzelte.

    :musik: Support your local Band - Submit your Music :musik:

  • Zitat

    Original von DetlefDurchblick
    Und wie im Fall des Jeton-Einsatzes in Berlin hat nun wirklich jeder die Möglichkeit sich gegen Willkür und sonstige Unregelmäßigkeiten von Polizeieinsätzen gerichtlich zu wehren. Das ist, Gott sei Dank, grundgesetzlich verbrieftes Recht und wird auch konsequent umgesetzt.
    Es hätte mal jemand zu Ostzeiten versuchen sollen, einen Polizeieinsatz bei Gericht anzuklagen.


    Die Chance, als Opfer von Polizeiübergriffen vor Gericht Recht zu bekommen, sind leider sehr, sehr gering, um nicht zu sagen, aussichtslos. Beispiele gibt es genug. Insofern unterscheidet sich der heutige, sich verselbständigte Sicherheitsaparat oft nicht von dem der DDR. Und dagegen kann auch ein wohlwollender Richter wenig ausrichten, wenn es keine Beweise für Übergriffe gibt, weil diese entweder nie vorhanden waren oder "verschwunden" sind.

    p.s.: Gott ist tot, schon lange...

  • Zitat

    Original von KrassUnion


    Die Chance, als Opfer von Polizeiübergriffen vor Gericht Recht zu bekommen, sind leider sehr, sehr gering, um nicht zu sagen, aussichtslos. Beispiele gibt es genug. Insofern unterscheidet sich der heutige, sich verselbständigte Sicherheitsaparat oft nicht von dem der DDR. Und dagegen kann auch ein wohlwollender Richter wenig ausrichten, wenn es keine Beweise für Übergriffe gibt, weil diese entweder nie vorhanden waren oder "verschwunden" sind.

    p.s.: Gott ist tot, schon lange...


    Kann da KrassUnioner nur zustimmen ( passiert ja nicht oft).Das diese Grundrecht auf Klage in speziellen Fällen nur ein Scheinrecht ist bekommt man ja immer wieder vor Augen geführt.Jedes politisches System schützt sich vor seinem Volk mit der entspr. Gesetzgebung!
    Und was die Fanszene in der DDR betraf, so unbeeinflusst war diese zumindestens in den 80'igern nun auch wieder nicht.Man wusste durch
    die Stasi schon über diese Szene bescheid und war auch in der Lage diese je nach Interessenlage entsprechend zu lenken.

  • "... Man wusste durch die Stasi schon über diese Szene bescheid und war auch in der Lage diese je nach Interessenlage entsprechend zu lenken. ..."


    Was man aber (bis auf einige Ausnahmen ...) nicht tat ! Der Fanszene wurde im Grossen und Ganzen freie Hand gewährt, da diese Subkultur offiziell ja gar nicht existierte und die Öffentlichkeit dementsprechend auch kein Einschreiten gegen eben diese forderte.


    Im Gegensatz zu heute, wo durch Medien, "Expertenberichte" von "Szenekennern" und durch ominöse Polizeistatistiken der Öffentlichkeit ein Bild vom axtschwingenden und alte Damen vergewaltigendenen Hooligan als Durchschnittsfan gezeichnet wird, so das jeder empörte Normalbürger sofort staatliches Eingreifen fordert um die Gesellschaft vor dem Pöbel aus dem Stadion zu schützen.
    Solange die Öffentlichkeit das Vorgehen auf der "Null Toleranz"-Basis gegen Fussballfans als gerechtfertigt ansieht, solange kann Schily's Bande auch reinknüppeln wie sie gerade lustig ist - wenn's mal einen 'Falschen' trifft, war es ja nur ein vereinzeltes "Schwarzes Schaf" unter den Beamten ... Aber, Vorsicht ! Das Argument der "Schwarzen Schafe" zieht nur bei Beamten - bei den Fussballfans sind ALLE schuldig, da gibt's keine "Schwarzen Schafe" mehr ...


    BWG Kille

  • Ob Bundesliga eins, ob Kreisklasse drei, scheißegal wir sind dabei.


    :freude: LOKalpatriot :freude: