2./3. Oktober 2004 - Ein Wochenende zwischen Stadion und Autobahn
Nach langer Pause war es mal wieder Zeit für ein Wochenende, das voll und ganz dem runden Leder gehören sollte.
Sebastian und meine Wenigkeit hatten das erste Oktober-Wochenende auserkoren, da unsere Lieblingsvereine - Hertha BSC Berlin und 1. FC Köln - im Südwesten unserer schönen Republik (Kaiserslautern und Saarbrücken) spielten und sich rund um diese Partien noch ein beachtliches Hopping-Programm anbot. Ein dritter Mitfahrer - Gerrit - konnte denn auch prompt gewonnen werden. Die Aussicht, mehrere Pils zu vertilgen und gleich 4-5 neue Grounds, sowie den Länderpunkt Frankreich zu machen, dürfte ihn in besonderem Maße angestachelt haben, mitzukommen, obwohl seine emotionale Bindung zu Hertha und Köln als eher unterkühlt bezeichnet werden kann.
Samstag, 7.00 Uhr ging es in Berlin-Zehlendorf auf die Autobahn!
Nach einer unkomplizierten Fahrt erreichten wir kurz nach 13 Uhr Kaiserslautern und ich konnte meinen Seat in unmittelbarer Umgebung des Betzenbergs parken. Der Berliner Sport-Club war zu Gast bei den Roten Teufeln. Das Spiel vor gut 30.000 Zuschauern war recht einseitig. Der FCK bot eine indiskutable Leistung, während Hertha mit relativ wenig Aufwand zu einem eigentlich nie wirklich gefährdeten 2:0-Sieg, dem ersten in der laufenden Saison, kam. Die ca. 500 Fans im Gästeblock, darunter allerdings auch etliche Karlsruher (bekanntlich haben Hertha und der KSC eine Fanfreundschaft) legten einen mehr als ansprechenden Support hin, während die berühmt-berüchtigte Westkurve auf dem Betzenberg doch ziemlich blass blieb und sich dem Spiel ihrer Mannschaft anpasste.
Nach Abpfiff hatten wir es sehr eilig, schließlich wartete um 20 Uhr ein Leckerbissen in der ersten französischen Liga auf uns, nämlich Racing
Strasbourg gegen FC Nantes. Trotz eines langen Fußmarsches vom Gästeblock zum Auto (einmal ums Stadion herum), trotz eines Staus auf dem Weg zur Autobahn in K-Town, trotz verpasster Ausfahrt kurz vor der französischen Grenze und trotz einer recht orientierungslosen Sucherei nach dem Stadion in Strasburg, kamen wir lediglich wenige Minuten zu spät zum Spiel. Dabei muss besonders hervorgehoben werden, dass es uns gelang, unmittelbar vor Spielanpfiff einen Parkplatz zu finden, der fußläufig ganze 2 Minuten von den Stadionkassen entfernt war. Und das trotz chaotischer Zustände, da das Stadion mitten in einem Wohngebiet liegt. Das Spiel selbst war recht arm an Höhepunkten und häufig nur Mittelfeldgeplänkel, insbesondere den Strasburgern, die nach 8 Spieltagen noch sieglos und Tabellenletzter waren, war die Verunsicherung anzumerken. Nantes kam zu einem letztlich verdienten 2:0 vor geschätzten 13.000 Zuschauern, da Racing die Kaltschnäuzigkeit und Durchschlagskraft vor dem Tor fehlte.
Viel bemerkenswerter als das Spiel selbst war allerdings das Verhalten des Publikums in der 2. Halbzeit. Während im Fanblock pausenlos z.T. auch auf Deutsch supportet wurde, allerdings ohne wirklich auf den Spielverlauf einzugehen, wurde von den restlichen Zuschauern nicht nur jeder Fehlpass, sondern sogar jede vergebene Torchance mit Pfiffen quittiert. Das Pfeifkonzert nach Abpfiff sprengte an Lautstärke und Länge sämtliche Dimensionen, die ich bisher aus deutschen Bundesligastadien kannte. Es muss die Frage aufgeworfen werden, ob ein solches Verhalten der Zuschauer die Spieler nicht noch zusätzlich verunsichert. Auf jeden Fall dürfte Strasburg so sehr schweren Zeiten diese Saison entgegen gehen.
Die anschließende Suche nach einem Hotel in der Nähe des Strasburger Bahnhofs gestaltete sich schließlich deutlich schwieriger als zunächst gedacht. Das mehr als edle und zentral gelegene Etap-Hotel war ebenso ausgebucht, wie die nächsten 5 Hotels, die wir versuchten - der Europarat, der von Samstag bis Dienstag in der Stadt tagte, machte es möglich. Ein Hotelier hatte dann wohl ein Herz für arme Groundhopper wie uns und überließ uns ein Drei-Bett-Zimmer im Wert von über 80 Euro zum Preis von 70 Euro, so dass unsere Übernachtungskosten zwar höher als geplant ausfielen, aber dann doch im Rahmen blieben. Zu erwähnen wären an dieser Stelle die Bierpreise in Strasburg. So erwarben wir in einem Döner-Imbiss drei Dosen "1664"-Pils zu sagenhaft günstigen 7,50 Euro. In einer anderen Kneipe lachten uns zu Happy-Hour-Zeiten (die wir unglücklicherweise verpassten) unschlagbar preiswerte 4,60 Euro für den halben Liter an, während uns eben dieser halbe Liter Bier in einer überfüllten Studentenkneipe zum Schnäppchenpreis von 5,40 Euro angeboten wurde. Als wir die Hoffnung längst aufgegeben hatten, fanden wir schließlich noch ein Etablissement, wo man den Pitcher 1,8 Liter für 10,80 Euro bekam. Wir genehmigten uns deren zwei. Da die Kneipe im Begriff war, zu schließen, war Sprintsaufen angesagt, dem wir am nächsten Morgen Tribut zollen mussten.
Sonntag morgen ging es dann ziemlich verkatert Richtung Saarbrücken, wo wir uns zunächst das Spitzenspiel der B-Jugend-Regionalliga Südwest 1. FC Saarbrücken gegen FSV Mainz 05 anschauten. In einem altehrwürdigen Ground, dem FC-Sportfeld am Ludwigspark, sahen wir ein richtig gutes Spiel, dass die Mainzer aufgrund der größeren Cleverness vor dem Tor 4:2 für sich entscheiden konnten. Anschließend ging es strammen Schrittes rüber in den Ludwigspark selbst - selbstverständlich Gästeblock. Schließlich trat mein heiß geliebter 1. FC Köln beim 1. FC Saarbrücken an. Doch es sollte sich schnell herausstellen, dass bei diesem Match alles schief ging. Der Support der Kölner Fans war wie schon letzte Saison in der 1. Liga auswärts grauenhaft und einfallslos (20 Minuten nur "Allez, FC" von den Ultras gesungen, der Rest war höchstens mal bei den wenigen guten Spielzügen lautstark). Das Spiel selbst war ebenfalls sehr mäßig, Saarbrücken gewann vor 17.500 Zuschauern gegen katastrophal agierende Kölner hochverdient mit 2:0. Die FC-Fans müssen sich so langsam mal die Frage stellen, ob die verheerende Auswärtsschwäche der letzten anderthalb Jahre u.a. nicht auch im immer schlechter werdenden Support begründet liegt. Jedenfalls ist es nicht allzu lange her, wo FC in der Fremde gucken noch sehr viel mehr Spaß gemacht hat.
Die Saarbrückener Polizei hatte nach dem Grottenkick großen Anteil daran, dass wir unser fünftes geplantes Match an dem Wochenende (FC Metz gegen FC Sochaux) abhaken mussten. Es war definitiv eine Meisterleistung, die wichtigste Zufahrtstraße Richtung Innenstadt und Autobahn abzusperren und damit den Verkehr zwischen Ludwigspark und Hauptbahnhof völlig zum Erliegen zu bringen. Dafür gibt es den goldenen Bananenbieger-Pokal. Es gibt Städte wie Kaiserslautern, Karlsruhe, Hamburg oder Braunschweig, wo durch sinnvolle Verkehrsplanung ein recht zügiges Verlassen der jeweiligen Stadt trotz höherem Zuschaueraufkommen gewährleistet wird, aber eine solche Zielsetzung scheint man in Saarbrücken nicht zu kennen. Wenn man bedenkt, dass wir eine ganze Stunde gebraucht haben, um nach Spielende vom Stadion auf die Autobahn zu kommen und Metz bei gerade mal 60 km Entfernung locker bis 18.00 Uhr hätte erreicht werden können, wenn wir denn zügig auf die A 6 Richtung Frankreich gekommen wären, ist das schon ein wenig ärgerlich. Jedenfalls
kann ich nur hoffen, dass dies das letzte Jahr Profifußball in Saarbrücken sein wird, eine solche Stadt hat keine Existenzberechtigung in der 1. oder 2. Bundesliga.
Wie dem auch sei, wir traten schließlich notgedrungen die Heimreise an. Um kurz vor 1.00 Uhr trafen wir dann auch wieder in Berlin ein und genehmigten uns im Lindenpark zu Berlin-Zehlendorf noch 2 ehrliche Schultheiss-Bierbomben, um ein trotz der Ärgernisse in Saarbrücken lustiges und wirklich gelungenes Wochenende ausklingen zu lassen.
Ein besonderer Dank geht natürlich an Gerrit, der durch die ein oder andere überaus witzige Bemerkung, wenn er denn mal nicht auf der Rückbank schlief , in sehr
starkem Maße zur Belustigung der Fahrt beitrug. Besonders erwähnenswert sei an dieser Stelle sein konsequentes Eintreten für ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen, welches bei ungefähr 200 km/h liegen solle, da es ja nun wirklich unnötig sei, dass ein Porsche 250 km/h fährt. "Gerrit for Verkehrsminister!!!" kann man da nur sagen.
In der Hoffnung, eine solche Fahrt bald wiederholen zu können, endet dieser Bericht.