Das Spiel
Seit Sonntag 15.48 Uhr bin ich mir sicher: Ulla Schmidt ist schuld an der Sturmmisere in Leipzig-Leutzsch. Die Rechenknechte der mit allen Mitteln für ein gesundes Gesundheitssystem kämpfenden Ministerin haben es herausgefunden: Versieben die Chemiker in einem halben Dutzend Spiele so circa 53 glasklare Torchancen, mindert das die Lebenserwartung eines durchschnittlichen Fans um 2,3 Jahre (Ersparnis 200.000 EURO/Jahr). Und die Leutzscher Spieler als pflichtbewusste Staatsbürger gehorchen, ist ja Ehrensache. Mit Pech ist die Chancenverwertung dieser Saison auf jeden Fall nicht mehr zu erklären.
Aber der Reihe nach. Man konnte den Chemikern den Willen ansehen, endlich das erste Heimspiel zu gewinnen. Bereits in der siebten Minute schlägt Schönberg einen schönen Pass zu Cramer, der bedient Koslov, aber ein Kölner Abwehrspieler kann in letzter Not noch klären. Nur vier Minuten später hat Daniel Ferl seinen Auftritt. Er läuft sich frei, tankt sich in den Strafraum – und kann sich in bester Position nicht für einen entschlossenen Schuss oder einen Pass entscheiden. Kein Problem für den FC-Torwart. Und weiter geht’s: ein Kölner Abwehrspieler spielt einen unglaublich lässigen Pass in der eigenen Hälfte, Koslov bekommt den Ball, aber wieder kann Torwart Leese mit einer Glanztat retten. In der 33. Minute dann das erste Heimtor der Saison. Cramer schlägt einen Freistoß aus 40 Metern, die Kugel springt zwischen grünen und roten Spielern hin und her, aber Koslov zieht aus zehn Meter ab. Drin und eindeutig kein passives Abseits durch Ferl (wie von der Mehrzahl der Kölner reklamiert). Aber auch die FC-Amateure spielten gut mit. Rechner konnte nur eine Minute später einen Fernschuß parieren und Cramer nach einer Ecke auf der Linie klären.
In der zweiten Hälfte hätte der erste Regionalligasieg perfekt gemacht werden können. Koslov wird im Kölner Strafraum umgestoßen, der Ball kommt trotzdem zu Cramer, der aber schießt ganz knapp am rechten Winkel. Für ähnliche Fouls, wie dem an Koslov, soll aber auch schon auf Strafstoß entschieden worden sein. Dafür hatte der Schiedsrichter in der 52. Minute ganz genau hingeschaut: Thielemann macht das zweite Foul im Spiel, bekommt postwendend die zweite gelbe Karte und Chemie ist nur noch zu zehnt. Die darauf folgende Abwehrschlacht musste konsequenterweise schief gehen. Eine Flanke auf Frederico, dessen Kopfball zuerst an die Latte und dann hinter die Linie geht. Ganz eindeutig hinter (!) die Linie, die Fernsehbilder beweisen es. Aber selbst zu zehnt und unter Dauerdruck hätte Chemie das Spiel noch gewinnen können. Hätte Cramer in der 69. Minute völlig allein stehend einen Schuss nicht nur in die Arme des Torwarts geschoben.
Und wo bleibt die Hoffnung? Bei der Ministerin Frau Schmidt. Ihr Plan soll es angeblich sein, nach sechs Pflichtspielen eine neue leidensfähige Fanmasse ihrer perfiden Sparaktion auszusetzen. Walten Sie ihres Amtes, jetzt ist ein anderer Verein mit Torschuss-Panik dran.
Die Fans
Allein, dass über 3.000 Leutzscher nach dem schlechten Saisonstart noch in den Alfred-Kunze-Sportpark gefunden haben, ist schon als Erfolg zu werten. In Ansätzen war auch endlich wieder zu erleben, dass das ganze Stadion sich stimmungsfördernd einbringen. Das ganze noch etwas lauter und häufiger, dann könnte endlich wieder von einer Leutzscher Hölle gesprochen werden. Ende der zweiten Halbzeit überwog aber nur noch die Verzweiflung. Aus Köln hatten sich so etwa 40 FC-Sympatisanten eingefunden. Und die haben den mit Abstand besten Bundesliga-Zweitmannschaften-Support abgeliefert, den ich in Leutzsch bisher erlebt habe. Besonders in der ersten Halbzeit haben sie lustig und kreativ drauflos gesungen. Selbst von Seiten der Leutzscher Ultras gab es Szenenapplaus für eines der Lieder. Das ist auch noch nie dagewesen.
Das Umfeld
Mehmet Scholl, Jens Nowotny und Heiko Herrlich – Spieler, die auf einer frostigen Insel im Atlantik für Rudis Elf auf der Ersatzbank gesessen haben? Wo denken wir hin, es ist nur eine Auswahl an Spielern, die den verdammten Holzern in den Amateurligen endlich beibringen sollen wie wirklich Fußball gespielt wird. Auch Chemie hatte es wieder mit einer verstärkten U23-Mannschaft zu tun. Unter anderem lief Joshua Kennedy auf (2 BL-Tore für Wolfsburg). Daher meine Forderung: Amateurfans aller Ligen vereinigt Euch! Tretet ein für Bundesliga-Amateure, die diesen Namen auch verdienen! Eine Beschränkung auf Spieler unter 21 Jahre, die Einführung eines festen Kaders und der gelegentliche Einsatz eines deutschen Spielers könnte da schon weiterhelfen.
Die Statistik
Zuschauer: 3.275
Tore:
1:0 Koslov (33.)
1:1 Federico (67.)