© Leipziger Volkszeitung vom Dienstag, 6. April 2004
Was wird aus dem neuen Stadion?
Die Abstiegssorgen des FC Sachsen machen nicht nur Leipzigs Fußballfans zu schaffen: Auch den Betreibern des neuen Zentralstadions drohen die Einnahmen wegzubrechen. Vereinsspitze und Stadt haben bereits signalisiert, dass die Leutzscher bald nicht mehr in der Schüssel spielen könnten.
Nach den Plänen der Stadion-Betreiber sollte die Entwicklung völlig anders verlaufen. "Unsere Berechnungen gehen davon aus, dass der Verein in diesem Jahr in der Regionalliga bleibt und sich auch im nächsten Jahr im guten Mittelfeld behaupten kann", skizziert Betreiber Winfried Lonzen das wirtschaftliche Kalkül. "Ein Jahr später sollte der Einzug in die zweite Bundesliga erkämpft werden. Erst wenn die Jungs dort spielen, macht unser Stadion auch finanziell Spaß."
Auf diesen Spaß werden Lonzen und die Eigentümerfamilie Kölmel wohl noch geraume Zeit verzichten müssen. Nachdem der FC Sachsen elf Mal hintereinander sieglos blieb, scheint der Abstieg unausweichlich. "Die Lage ist katastrophal", räumt der 59-jährige Lonzen ein. "Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Vielleicht gelingt noch ein kleines Wunder oder ein Club vor uns bekommt keine Lizenz."
Insgeheim spielt der Chef der Betreiberfirma Zentralstadion Leipzig (ZSL) allerdings schon Krisenszenarien für den Fall durch, dass der FCSachsen absteigt und ihm eine wichtige Einnahmequelle verloren geht. So lässt Lonzen derzeit penibel ermitteln, was der Unterhalt der 90 Millionen Euro teuren Schüssel kostet, wenn dort kein Fußball mehr gespielt wird. Er will dadurch herausfinden, wie viel Gewinn er mit den beiden anderen Standorten seines Reiches, der Arena Leipzig und der Festwiese, erwirtschaften muss, um das Stadion notfalls ohne Fußball erhalten zu können.
Gleichzeitig lässt Lonzen prüfen, wie viele Zuschauer zu einem Spiel kommen müssen, damit es sich lohnt, das Stadion überhaupt zu öffnen. "Die Energiekosten steigen enorm", beschreibt er den Aufwand. "Außerdem müssen wir 130 Sicherheitskräfte engagieren." Erste Berechnungen hätten ergeben, dass mindestens 5000 Fans Eintritt zahlen müssen, um diesen Aufwand zu decken. "Bisher war das kein Problem", sagt der Chef-Betreiber. "Obwohl wir mit 6000 Zuschauern gerechnet hatten, sind im Schnitt 10 000 gekommen. Wenn die Fans dem FC Sachsen weiter die Treue halten, wären künftig wohl 8000 Besucher möglich. Dann könnte im Stadion gespielt werden."
Verlassen will sich Lonzen darauf allerdings nicht. Deshalb lässt er mit Hochdruck die Businessbereiche der Schüssel ausbauen, um sie für separate Firmenveranstaltungen zu vermieten. Rund 1000 Quadratmeter sind jetzt verfügbar - weitere 1000 kommen hinzu. Auch zusätzliche Veranstaltungen werden akquiriert und Fußballturniere erwogen. "In diesem Jahr werden wir noch keine Probleme haben", versichert Lonzen. "Und in den nächsten beiden Jahren bringen uns der Conföderations-Cup und die Fußball-WM auf die sichere Seite. Eng werden könnte es frühestens im Jahr 2007."
Andreas Tappert