In Ulm und um Ulm herum oder was macht Daniel Ernemann eigentlich? (A.Lustena-Hartberg 3:1, HDH-HFC 3:1)

  • Diese dritte Liga reicht schon aus, um den reisefreudigen Fan die Ausdehnung Deutschlands drastisch vor Augen zu führen: Sonntag gab es noch Fischbrötchen in Warnemünde und Freitagabend Oktoberfest am Bodensee. Aber der Reihe nach...


    Lange war die Tour zum Spiel Heidenheim gegen den HFC geplant und mit dem Freitagsspiel von Austria Lustenau auch das passende Rahmenprogramm für die Fahrt gefunden. Ein Kumpel, den es mittlerweile nach Schwaben verschlagen hat, hat bereits seit Jahren gute Kontakte nach Vorarlberg und wollte auch mich in den Genuss der österreichischen Gastfreundschaft kommen lassen. Freitag früh dreiviertel sieben sammelte mich eine kurzfristig organisierte Mitfahrgelegenheit im unterkühlten Thüringer Wald auf, um mich sicher in die Altstadt Ulms zu bringen. Dort hatte ich noch ein paar Stunden Zeit zum abbummeln und erkundete die kulturellen Highlights der Donaustadt. Natürlich war das Ulmer Münster auf dem Plan, mit 161,5m das höchste sakrale Gebäude der Welt - vor dem Kölner Dom! Wie es der Zufall so wollte kam ich in den Genuss meiner ersten Andacht auf schwäbisch, machte mich dann aber doch lieber auf den Weg auf die Spitze. Für 2,50€ kann man ermäßigt die 768 Stufen erklimmen, um mit einem überragenden Ausblick auf die durchaus ansehnliche Stadt Ulms und darüber hinaus belohnt zu werden. An guten Tagen sollen wohl die Alpen zu sehen sein, da hatte sich das schweißtreibende Wendeltreppen getrampel gelohnt.



    Vor der Weiterfahrt in Ulms Outskirts blieb noch ein Abstecher durch das Fischerviertel, was mit gut erhaltenen Fachwerkhäusern, einem Nebenfluss der Donau und einladenden Biergärten optisch einiges zu bieten hatte. Abschließend wurde noch ein Blick auf die Donau geworfen und damit war der Sightseeing-Teil der Tour schon weitestgehend abgehakt. Bei Ulm gabelte mich der Exil-Hallenser auf und es ging mit Zwischenstopp in Bad Schussenried nach Österreich. In Bad Schussenried ist, wie in ganz Schwaben, München (Wiesn) und Stuttgart (Wasen) Volksfes tzeit. Vor Ort gab es in der lokalen Brauerei eine Kostprobe der heimischen Köstlichkeiten.


    In Lustenau fix im Hotel eingecheckt, um schnellen Schrittes die paar Meter zum Ground zurückzulegen. Das Reichshofstadion ist mit einer langgezogenen Haupttribüne, einer Stahlrohr-Hintertorfantribüne und ein paar zusätzlichen Stehplätzen sicherlich nicht das größte Highlight eines Groundhoppers. Doch der direkte Blick auf die dahinter gelegenen Alpen lassen einen doch ins Schwärmen kommen. Für uns wurden an der Kasse zwei VIP-Karten hinterlegt, heißt im Klartext Bewirtung for free und jede Menge österreichische Herzlichkeit. Vor dem Anpfiff folgte noch ein großes Hallo mit für mich noch weniger vertraute Gesichter, was sich am Abend noch ändern sollte. Das Spiel wurde mit einem eigenen Oktoberfest verbunden: Dirndl & Lederhose ausdrücklich erwünscht, Maßbierstemmen inklusive.



    SC Austria Lustenau führt aktuell die Erste Liga (also die zweite österreichische Liga) souverän an und hatte mit dem TSV Hartberg zunächst keine große Mühe, 3:0 hieß es nach einer halben Stunde. Läuft. Stimmung in der Nordkurve mittelprächtig, hauptsächlich angetrieben von 15-18jährigen Nachwuchs, dessen Liedrepertoire hoffentlich noch etwas wächst. Das Spiel war allerdings auch kein großer Leckerbissen, dafür war der Gast einfach viel zu schwach. Das spielerische Niveau bestenfalls auf Regionalliganiveau, zu einem gutklassigen Spiel gehören eben zwei gute Teams.
    In der zweiten Hälfte wird Lustenau nachlässig, kassiert noch das 3:1 und glänzt nicht gerade mit Abgeklärtheit und Spielfreude. Der Heimsieg stand trotzdem nicht mehr in Frage, die Austria-Welt ist in Ordnung. Kommendes Wochenende spielt man beim Rivalen SC Altach - dort wäre dann auch mehr Stimmung verspricht man mir. Immerhin 3.800 Zuschauer werden schon in Halbzeit 1 durchgesagt. Dabei trudeln während des Spiels (Anpfiff 18:30 Uhr) erst noch einige Fans von der Arbeit ein.


    Spielstatistik Austria Lustenau - TSV Hartberg


    Doch was danach im sogenannten VIP-Raum los ist, verkörpert wohl das Wort "familiär" besser als es in jedem deutschen Verein möglich wäre. Dort sitzen nicht nur Geldgeber und die Reichen & Schönen. Es tummeln sich alteingesessene Fans, die Mannschaft, der Trainer und der Manager bunt gemischt beim Bier oder Wein. Und bei der Personalie Manager kommt Ex-Unioner und Ex-Dynamo Daniel Ernemann ins Spiel, der nach seiner aktiven Zeit die Geschicke des Vereins leitet. Es folgen Fußballfachsimpeleien über den österreichischen und deutschen Fußball. Mittlerweile weiß ich auch, dass Georgi Wassilew der beste Trainer war, auch wenn man sich nach einer Trainingseinheit nicht mehr bewegen konnte...


    Er entschied sich nach einem deutschen Intermezzo mit seiner Familie für Lustenau. Und wenn man den Umgang mit Spielern und Verantwortlichen vor Ort sieht, stellt sich nicht die Frage, was einen Spieler aus der deutschen Hauptstadt in die Provinz Österreichs zieht.
    Es wurde noch eine lange Nacht für alle Beteiligten, ein Testspiel gegen den HFC wird diskutiert und bleibt im Raum stehen. Es wird über alte Zeiten philosophiert. Da stehen zwei Austria-Bundesligajahre in den 90ern zu Buche und natürlich das Cup-Finale 2011 als Lustenau erst im Finale an Ried scheiterte und als erste Vorarlberger Mannschaft überhaupt in das ÖFB-Pokal-Finale einzieht. Aktuell ist das "Reichshofstadion" nicht für die Buli zugelassen, die Kosten für die Aufrüstung würden sich auf 3 Mio Euro belaufen. Eine Menge Holz für eine 21.000-Seelen Gemeinde.


    Nach einem Abstecher im lokalen Pub landete man trunkig und glücklich im Nest und konnte am nächsten Morgen das nächste Ziel anvisieren: Heidenheim an der Brenz. Die ca. 170km lange Fahrt nach Heidenheim verlief recht störungsfrei und so konnte über alle denkbaren und undenkbaren Spielverläufe philosophiert werden mit dem Ergebnis: ein Punkt würde genügen.


    Das Albstadion oder neudeutsch "Voith-Arena" liegt am Berg im Wald gelegen und wirkt als hätte jemand vergessen es fertigzustellen und anzumalen. Es erfüllt mit vier separaten Tribünen seinen Zweck. Doch die Gegentribüne erstreckt sich nur über die halbe Gegengerade, die Eckblöcke fehlen als Lückenschluss und überall strahlt grauer Beton. Die Infrastruktur um und in dem Stadion ist mit weiten, undurchsichtigen Wegen auch mehr als überdenkenswert. Im Stadion herrscht bei den 6.100 Zuschauern Volksfest-Schunkel-Stimmung, nur der Stadionsprecher scheint mit mehrminütigen Schrei-Einlagen die gemütliche Stimmung zerstören zu wollen. Ein irgendwie völlig deplatzierter Bär wackelt über den Platz und sucht vor dem Anpfiff noch seine Bestimmung.



    Die erste Halbzeit bot wenig bis keine Chancen. Heidenheim spielbestimmend, aber in den Strafräumen langweilen sich die Torhüter. Nach der Halbzeit wacht die Partie urplötzlich auf und der HFC erarbeitet sich sogar ein Chancenplus gekrönt durch die 1:0-Gästeführung per Kopf durch Marco Hartmann (67.). Die ca. 400 mitgereisten Hallenser trauen ihren Augen kaum und brüllen sich erst einmal die Glückseligkeit aus dem Leib. Denn am Ende blieben diese knapp 10 Minuten nach dem Tor die halleschen Glücksmomente für diese Partie. Bastian Heidenfelder (76.), Tim Göhlert (78.) und Michael Thurk (87.) bestrafen ganz Heidenheim-like die Fehler der Gäste konsequent und lassen die Weitgereisten im Regen stehen. Auf dem Heimweg läuft mal wieder "Summertime sadness" im Radio und hat irgendwie ein wenig etwas von der HFC-Spätsommermisere. Doch bereits am Abend ist das Kapitel Heidenheim beim gemeinschaftlichen Pilskonsum in vertrauter Runde abgehakt.


    In der Summe wurde mit diesem Wochenende ein weiteres Kapitel des Abenteuers 3.Liga geschrieben. Eine neue Ecke Deutschlands erkundet, neue Freunde gewonnen und vielleicht klappt es ja schon am kommenden Wochenende in Burghausen mit dem ersten Dreier nach schier endlosen sechs sieglosen Spielen. Und vielleicht klappt es mal wieder mit einer Tour nach Lustenau, mit Bier, Brezeln und Daniel Ernemann.


    Bilder aus Lustenau vom SCA-Fotographen (der ein oder andere wird dort auch besagten Ernemann ausmachen können)


    Spielbericht mit Bildern aus Heidenheim



    1.FC Heidenheim - Hallescher FC 3:1 (0:0)
    Tore: 0:1 Hartmann (67.), 1:1 Heidenfelder (76.), 2:1 Göhlert (78.), 3:1 Thurk (87.)
    Zuschauer: 6.100
    FCH: Sabanov - Malura, Göhlert, Tausendpfund, Feistle - Sauter (46.Titsch-Rivero), Wittek - Strauß (72.G. Müller), Schnatterer - Heidenfelder, Sailer (65. Thurk)
    HFC: Horvat - Benes, Mouaya, Ruprecht, Kanitz - Wagefeld, Hartmann (78.Zeiger) - Mast, Müller (68. Teixeira), Sautner (68.Hauk) - Shala

    R.I.P. Fußball: TeBe Berlin, SSV Reutlingen, Eintr. Bamberg, RW Essen, Bonner SC, Waldhof Mannheim, SpVgg Weiden, SSV Ulm, 1.FC Kleve, LR Ahlen, Sa. Leipzig, Germania Windeck, TuS Koblenz, VfL Kirchheim, Borea Dresden, GW Wolfen, Türkiyemspor, Kickers Emden, 1.FC Gera, Eintr. Nordhorn, RW Kemberg, Germania Schöneiche, VfB Lübeck, OFC Kickers, Wuppertaler SV, FC Oberneuland, MSV Duisburg... [to be continued]

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  • Schön was aus meiner zeitweiligen Heimat Vorarlberg lesen zu dürfen. Das waren früher beschauliche Arbeitswege durch die Berge. Da hättest Du aber noch einen Abstecher zum FC-Stadion machen können. Wobei die erste FC-Mannschaft mittlerweile auch im Reichshofstadion spielen dürfte? Damals spielten Austria, der FC, Altach und Bregenz (letztere lagen bis zum Wettskandal vorn) um die Vorherrschaft in Vorarlberg. Waren immer schöne Duelle.