Im Zuge eines „Heimat-Urlaubs“ gab es für mich in diesem Jahr zum ersten Mal wieder die Gelegenheit, ein Spiel in Thüringen zu besuchen. Am Montag, dem 3. 10. gab es vier von acht Pokalspielen im Landespokal, darunter das Thüringenliga-Spitzenspiel zwischen Verfolger Wismut Gera (2.) und Wacker Nordhausen (1.). Bis nach Gera ging´s zunächst recht flott voran, auch mit dem Auto gab es in Stadionnähe kein Parkplatz-Problem, da der Nebenplatz dafür freigegeben war. Zugang zum Stadion und die erste HZ hinterm Wacker-Mob waren ebenfalls entspannt, der Preis für ein Bier (0,4l) mit 2,- auch im üblichen Rahmen. Sitzplätze gibt es im Stadion Am Steg nur auf der Haupttribüne hinter den Trainerbänken, der Rest des Runds besteht aus grasbewachsenen Erdwällen, die durch eine niedrige Barriere von der alten Laufbahn abgetrennt werden.
Beide Fanlager waren zunächst noch rege mit ihren Gesängen beschäftigt, bei Wacker fand ich die immer wiederkehrenden „H ... söhne!“ – Schmähungen eher einfallslos und peinlich, die Geraer waren zahlenmäßig überlegen und daher auch lautstärker zu vernehmen.
Auf dem Platz tat sich zunächst noch nicht viel, der gegenseitige Respekt war beiden Teams anzumerken. Wacker trat dabei spielerisch besser in Erscheinung, ohne jedoch große Torgefahr zu erzeugen. Bei Gera gab es hin und wieder Fouls, die bei schnellen Spielzügen erzwungen wirkten, da der eine oder andere mit dem vorgelegten Tempo überfordert wirkte.
Mit der Halbzeit wechselte ich die Seite und postierte mich zwischen den Trainerbänken etwa in Höhe der Mittelinie. Hier fiel mit dem Wiederanpfiff auf, dass der Nordhäuser Trainer Goslar erstaunlich unsouverän mit dem Spielgeschehen umging. Es gab von seiner Seite aus bei jedem Foul einen mittleren Wutanfall und bei entsprechender Antwort vom Geraer Kollegen auch weiteren Thrash-Talk mit der anderen Bank. Verschärfend kam dabei hinzu, dass sich die Auswechselspieler hinter den Toren auf der jeweils entfernteren Seite warmmachten und vor jeder Auswechselung der Trainer-Assi durch die generische Coachingzone lief, was die gerade beendeten Dissereien wieder aufflackern ließ. Das Ganze fand natürlich unter reger Anteilnahme der unmittelbar dahinter sitzenden Zuschauer statt, die sich mit dem entsprechenden Gepöbel auch nicht lange bitten ließen.
Auf dem Platz ging´s derweil munter auf und ab, ohne dass einem der Teams was Nennenswertes gelang. Torchancen blieben rar, bis schließlich do Amaral auf Nordhäuser Seite kurz und trocken von der Strafraumgrenze abzog und flach links einschoss. Der Nordhäuser Mob hatte danach natürlich sofort Oberwasser, was mit den einschlägigen Handbewegungen in Richtung der Geraer Ultras bedacht wurde. Eine Aufforderung zum Tanz, über die zu späterer Zeit noch zu reden sein wird.
Wismut fiel auch daraufhin nichts Zwingendes ein, so dass nach den wenigen vergebenen Chancen ein so genannter 50:50 – Elfer in der 82. Minute für den Ausgleich herhalten musste.
Verständliche Freude bei den Geraern, Frust bei Wacker, das zu diesem Zeitpunkt schon den Angriff ausgewechselt hatte und nun in die Verlängerung musste. Hier zeigte sich ein leichtes Chancen-Übergewicht für Gera, das jedoch eindrucksvoll bestätigte, dass ohne Elfer heute an Tore nicht zu denken war. Symptomatisch für das Geraer Abwehrverhalten war ein Befreiungsschlag eine Verteidigers über Freund, Feind, Stadionzaun und Uferweg hinweg in die Elster, die dann das gute 120-Euro-Spielgerät sanft aus den Wellen flussabwärts aus der hektischen Schlussphase entführte.
Es gab ein, zwei Fouls der Sorte, die den Schiri offensichtlich zu dem Entschluss brachten, heute nicht durch zu viele Karten das Spiel entscheiden zu wollen. Mit anderen Worten: In einem normalen Spiel wären dafür sicher einer oder zwei Leute vom Platz geflogen, aber der Kollege hatte offensichtlich Beißhemmung.
Ein solcher Zweikampf direkt vorm Wacker-Mob war es dann auch, der die Situation kurzzeitig außer Kontrolle geraten ließ. Nach einem Geraer Foul gab es ein wenig Geschubse mit anschließender Rudelbildung, was einige Wacker-Fans zum Anlass nahmen, ihren Helden zu Hilfe zu eilen. Die eingangs erwähnte niedrige Barriere stellte dabei kein Hindernis dar, trotzdem wurden die 5-10 Eindringlinge schnell von den Ordnern und der Polizei wieder hinter den „Zaun“ vefrachtet.
Kaum war das geschehen, sah sich nun der Geraer Mob endlich in der Lage, der Nordhäuser Einladung zu folgen und begab sich auf kürzestem Wege in Richtung Nordhäuser Block. Schließlich blieb nach 115 Spielminuten nicht mehr allzu viel Zeit, dem Spiel noch eine Wendung zu geben. Da Team Green aber ohnehin schon im Innenraum war, brauchten diese sich nur umzudrehen, um den Vormarsch kurz hinterm Mittelkreis aufzuhalten und den Spielverderber zu geben. Pfefferspray war dabei soweit ich sehen konnte nicht in Aktion, aber einige Knüppel flogen schon ganz flott. Natürlich folgte der unvermeidliche Aufmarsch vorm Geraer Block, der bis Spielende Bestand hatte und mit den entsprechenden gesungenen Begrüßungen begleitet wurde.
Der Schiri hatte wohl von dem ganzen Theater nun endgültig genug und bemerkte, dass das Spiel im Prinzip gelaufen war: Abpfiff ohne Extras nach handgestoppten 14:41 min der 2. HZ der Verlängerung.
Der Rest ist schnell erzählt: Alle Schützen außer dem Wacker-Kapitän Teichmann trafen, Gera ist eine Runde weiter, Wacker bleibt „im Felde unbesiegt“ und konzentriert sich ab sofort auf den nächsten Punktspiel-Gegner am 9. 10. Um 14.00 Uhr im heimischen Albert-Kuntz-Sportpark: die BSG Wismut Gera!
Dank der geschilderten Begleitumstände dürften der Einlass und das Drumherum in Nordhausen nicht halb so entspannt ablaufen. Dafür werden aber auch noch ein paar mehr als die in Gera anwesenden 650 Zuschauer erwartet.