Keine Zeit zum Ausruhen heißt es für die HFC-Fans, drei Nächte nach dem Pokalfinale sollte es schon wieder gen Norden gehen, um beim deutschen Überraschungsmeister die Punkte zu holen, bzw. bei deren Reserve. Nach Norderstedt und Kiel stand endlich wieder eine kürzere Anreise auf dem Programm, die mir sehr entgegen kam. Gegen viertel Eins hatte man auch die Stadtgrenze Wolfsburgs erreicht, nach Lübeck und Kiel die dritte und letzte Stadt, die ich erstmals diese Saison betreten habe. Fazit der kurzen Stadtrundfahrt: Wolfsburg hat den Ruf als hässliche Stadt nicht von ungefähr. Das Stadion am Elsterweg gehörte noch zu den schöneren Dingen bei den Autobauern. Auch wenn die Bundesligatauglichkeit (die es mal besessen haben soll) mit einem großen Fragezeichen versehen werden muss. Als klassisches Fußballstadion mit fairer Verteilung von Sitz- und Stehplätzen war es als Gast ganz angenehm.
Vor dem Spiel wurde natürlich noch mal messerscharf das letzte Spiel unweit von Wolfsburg im Pokalfinale des zweitschlechtesten Bundeslandes analysiert. Neue Erkenntnisse gabs keine, ein neues Endergebnis auch nicht. Also der Blick nach vorne gerichtet: VfL Wolfsburg II. Im Restprogramm von allen am meisten gefürchtet, während ich die Wobbis nicht als Knackpunkt ausmachte.
Nach ner soliden Bratwurst und nem nettem Musik-Misch-Masch eine Stunde lang vor Spielbeginn gab es mit Thunderstruck einen Klassiker zum Einmarsch der Teams. Doch auf wen am Ende „You've been thunderstruck!“ zutreffen wollte, sollte in den folgenden 90 Minuten ausgefochten werden. Ronny Hebestreit bestätigte mir vor Anpfiff, dass er nicht mitwirken darf. Für ihn durfte Thorsten Görke wieder ran, Markus Müller ersetzte den zuletzt wirkungslosen Thomas Neubert.
Wolfsburg stürmte meisterlich von Beginn an, Julian Klamt scheitert mit seiner akrobatischen Einlage an Darko Horvat. Der spielstarke Thomas Brechler konnte an der Torauslinie nach einem Solo der Marke Grafite gestoppt werden. Die 14.Minute: Görke flankt von rechts aus dem Halbfeld, der Ball findet dank eines „starken“ Kopfballs den Weg ins Tor... 1:0 Rene Stark, geil! Der MDR verrät: hilft nichts, Leipzig-Kiel 0:1.
Mal wieder Brechler (hat der nächste Saison schon was vor?), Horvat mit den Fingerspitzen, Pfosten! Mein Lieblingselement wird Aluminium. Dennis Riemer wird nun übermütig, knallt das Leder aus 30 Metern aufs Tor, aber Darko ist da. Mike Könnecke reiht sich in den VfL-Chancenreigen ein, aber Darko will mal wieder „zu Null“ spielen. Über eine halbe Stunde gespielt, der HFC spielt auch mal am gegnerischen 16er Fußball. Pavel David auf Capitano Nico Kanitz – wohin mit dem Ball? Ablage zurück auf Pavel, der unter Bedrängnis schießen muss. Der Ball im Stile einer wunderschönen Bananenflanke nimmt Kurs auf das Tor und findet sich nach einem Bogen um den fliegenden Patrick Platins den Weg ins Tornetz, 2:0 – danke Pavel. Doch der MDR hat mal wieder nichts positives zu bieten, Kiel marschiert mit: Leipzig-Holstein 0:2. Pause.
Die Führung wird als Selbstverständlichkeit hingenommen, aber man hätte genauso gut 2:0 hinten liegen können. Aber es herrscht unter den 1.000 Hallenser Finalstimmung, da interessieren solche Belanglosigkeiten wie verdient oder glücklich keinen. Zum letzten Aufstiegsspiel in Eilenburg waren 300 Rot-Weiße angereist (ebenfalls drei Tage nach dem Pokalfinale), jetzt waren es locker das dreifache bei vielfacher Entfernung. Man spricht zu recht von Euphorie bei den ansonsten eher trägen und nörgelnden Saalestädtern. Etwas positives gibt es noch zu vermelden: HFC-Saisonfinalgegner Plauen biegt den Rückstand gegen Babelsberg (0:1) zur eigenen Führung um (2:1). Lübeck schießt sich gegen Hannover II (2:0) langsam warm. Die Marzipanstädter spielen kommenden Sonntag den zweiten Teil des Aufstiegsfinals im Horst der Störche.
Die zweite Halbzeit wurde mit einem Auge auf den Spielfeld und mit einem auf den Liveticker verfolgt. Die Wobbis wollen nicht mehr so richtig, nehmen im Gegensatz zu HSV II und Hertha II nicht den ganz großen Kampf an, endlich mal die drei „leichten“ Punkte? Rene Stark legt sich den Ball jenseits des 16ers hoch und drischt volley an die Kugel – drüber. Thorsten Görke fasst sich aus 30 Metern ein Herz, Platins kann sich auszeichnen. Eine letzte kritische Situation gibt es zu überstehen. Sefa Yilmaz flankt, Philip Schubert klärt und der vielgelobte Brechler haut noch mal dran und über das Tor (68.). Das restliche Spiel findet digital statt. Vogtlandia brennt ein Feuerwerk gegen die Potsdamer ab, siegt 4:1. Ist das der Klassenerhalt für den VFC? Halle-Schreck Robert Böhme bleibt den Chemikern jedenfalls erspart: Rot. Nach dem Babelsberg die HSV-Reserve 6:1 verhauen hatte, machten die Rothosen-Bubis das Spiel ihres Lebens gegen den HFC. Nun ist Abstiegskandidat Plauen zu siegessicher? Am Liveticker wird jede Rechnung aufgemacht für einen gemeinsamen Traum. Holstein macht noch das 3:0, der Torverhältnis-Zug (+7 für Famila) ist abgefahren – danke Sachsen!
Aber das ganze wäre ja noch zu einfach wenn sich an den zwei großen Nullen im Kellerduell nicht noch etwas getan hätte. Cottbus II, längst in die Oberliga-Niederrungen verabschiedet, kassiert gegen die sympathischen aber zur Zeit lästigen Kreuzberger das 0:1. Türkiyem und Plauen in letzter Minute wieder gleich auf im Kellerfernduell. Also folgt doch noch ein Kraftakt gegen den VFC. Lübeck hat dagegen mit einem 3:0 gegen Hannover sich für das Derby warmgeschossen. Da man traditionell irgendwas beklopptes/sinnloses zum Aufstieg macht, wurde bei mehreren Hallensern am Sonnabend der Beschluss gefasst: Wenn man aufsteigt, kleidet man sich im Sommer grün – die Farben des VfB.
Die Mannschaft macht sich in der Sekunde nach dem Abpfiff keine großen Gedanken, sie feiert mit den Fans. Mit viel Phantasie und der nötigen Respektlosigkeit ist der HFC der erste Besieger des frischgebackenen deutschen Meisters 2009. Mit Daniel Reiche stand immerhin ein Spieler auf dem Platz der in der Meistersaison mitwirkte (4.Spieltag, 20 Minuten gegen Hertha). Die Einheimischen wirken nicht geknickt, sie hatten ihre Party. Die Wobbis wünschen uns noch viel Glück, wie die meisten unserer letzten Gegner.
Die Stadionlautsprecher haben zum Abpfiff das passende Lied auf Lager. Markus Müller, zuletzt noch tränenüberströmt im Maggi-Stadion, pfeifft glückselig die Melodie vom größten Hit der Scorpions mit: „Wind of Change“. Wenn dieser Wind kommenden Sonntag quer durch die Bundesrepublik weht... von Kiel bis Halle, werden 15 Jahre Fußballtristesse auf einen Schlag vergessen sein. Holstein ist seit dem 12.Spieltag ununterbrochen Tabellenführer, groteskerweise wurden sie ausgerechnet durch einen nachgeholten 2:0-Auswärtssieg vom HFC in Babelsberg dorthin geschossen. Doch entscheidend ist es, am 34.Spieltag oben zu stehen. Da stand Halle in der Regionalliga noch nie. In dem Sinne...
Take me to the magic of the moment
On a glory night
Where the children of tomorrow dream away
In the wind of change.
Spielbericht mit Bildern von den Toren
VfL Wolfsburg II - Hallescher FC 0:2 (0:2)
Tore: 0:1 Re.Stark (14.), 0:2 David (34.)
Zuschauer: 1.230
WOB: Platins - Schulze, Riemer, Klamt, Reiche - Yilmaz, Evljuskin, Neumann (60. Weiss), Wolze (75. Schlimpert) - Brechler, Könnecke (37. Polter)
HFC: Horvat - Schubert, Lachheb, Kamalla, Benes - Finke, Görke - Re. Stark, David (78. Kunze), Kanitz (75. Neubert) - Müller (89. Ro. Stark)