"Der kann doch auch mal ein Tor machen." (Türkiyem - Halle 2:2)

  • Eigentlich sollte der Thread "Irgendwann musses ja mal soweit kommen..." heißen. Doch mal wieder kam alles anders und mal wieder wurde eine Auswärtsfahrt mit dem HFC zum Erlebnis. Messerschmidt und die Naumburger Kollegen hatten den Berlin-Trip ja schon vorgelebt - den Spaß wollte ich mir natürlich nicht nehmen lassen.


    Von vorne: Nach kurzer Nacht - die Zeitumstellung klaute mir eine Stunde Schlaf - ging es gegen 10.45 Uhr in Halle los gen Berlin. Es sollte mein erster Ausflug überhaupt mit dem Halleschen FC in die Bundeshauptstadt werden, aber sicherlich nicht der letzte. Die Fahrt verlief völlig problemlos, je näher man dem Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark kam, desto mehr häuften sich die Rot-Weißen Autos auf Berlins Straßen. Das erste was ich nach dem Aussteigen hörte waren orientalische Melodien aus den Lautsprechern des Stadions. Der Verein pflegt tatsächlich seine Tradition, sollte aber noch als Gastgeber über den gesamten Tag Pluspunkte sammeln.


    Das Stadion passte gar nicht zum Basar-Flair von Türkiyemspor, war es doch eher rustikal und versprühte einen sehr ostdeutschen "Charme". An sich sind die Tribünen ganz nett, bloß ist man an jedem Punkt weit vom Spielfeld entfernt. In den Kurven ist es natürlich noch eine Spur extremer, aber in der aufkommenden Arenen-Kultur ist es mal wieder eine nette Abwechslung.


    Vor Spielbeginn wurde noch eine mittelprächtige Boulette getestet, abgehakt. Aufmerksamkeit wurde wieder dem sportlichen Teil gewidmet, Darko Horvat war kurz darauf die 1000 Minuten-Schallmauer zu durchbrechen, der Unbezwingbare wollte auch in Berlin die "Null" halten. Gleich vom Start weg blieb der türkische Flair erhalten, zwei Berliner sorgten mit Trommel und Zirna (eine sogenannte „Kegeloboe“) für fast schon Urlaubsfeeling.


    Nach nicht mal fünf Minuten geschieht das Unfassbare. Kais Manai schlägt einen Freistoß für die falschfarbenen in den Strafraum und Henning Lichte macht eine 980 Minuten andauernde Serie mit einem Schlag zu Nichte. Doch der arme Tor war sich wohl nicht einmal bewusst, dass er mit dem Überwinden des Unüberwindbaren wohl sein Karrierehighlight in diesem Moment schon weghatte.


    Die Unsiegbaren machten zwar das Spiel, doch vorn kam mal wieder wenig heraus. Stattdessen erlaubte sich Can Akgün die nächste Frechheit. Nach einer Ecke und erneut fehlenden Zuordnung schießt er an mehreren Abwehrbeinen vorbei zum 2:0 ein. Dabei ließ er die Nummer Eins schlecht aussehen, später wird der 980Minuten-Mann das Tor auf seine Kappe nehmen. Später wird auch noch HFC-Trainer Köhler gefragt werden, ob er sich an das letzte Spiel mit zwei Gegentoren erinnern könne oder ob das noch in seiner aktiven Spielerkarriere lag.


    Andere Spielfeldseite, Thorsten Görke schnappt sich das Leder für einen seiner berüchtigten Einwürfe. Im Strafraum wird verlängert – ob nun Grossert (Berlin) oder Müller (Halle) sollte keine Rolle mehr spielen – denn am langen Pfosten schießt Steeeeeeve Finke den Ball ins Toooooooooooooor! 2:1-Anschluss.


    Die meisten Gästefans fragten sich spätestens jetzt, ob sie beim richtigen Spiel waren, denn drei Tore nach nicht einmal ein Viertel der Spielzeit waren beim HFC so bekannt wie das Gefühl einer Niederlage. Auf türkischer Seite erinnerte man sich derweil an den Auftritt von Galatasaray gegen den HSV, 2:0 geführt und dann mit leeren Händen da gestanden. Kurz vor der Pause köpft Jan Benes den Ausgleich ins Toooooo...? Schiri Robert Kempter pfeifft Torwartbehinderung, dann eben in Halbzeit zwei. Die ging mit einer Bratwurst zügig rum.


    Doch Türkiyem gibt sich mit zwei Treffern – gegen die Gegentorlosen an sich aller Ehren wert – nicht zufrieden. Doch Florian Grossert kann mit seinem Kopfball den Teufelskerl nicht überwinden. Für den HFC kommt nur Markus Müller zu echten Chancen, also macht Köhler das einzig richtige und wechselt mit Kunze, Stark und Hebestreit alles ein, was theoretisch Tore schießen kann. Aus dem Spiel geht aber fast nichts, es müssen Standards her. Stark wirft ein, Müller gewinnt wie so oft sein Kopfballduell und Adli Lachheb scheitert mit Kopf an Köhlmann.


    Auf der anderen Seite stürmen die jungen Kreuzberger mehrfach auf das normalerweise vernagelte Tor zu. Doch selbst in 5 auf 3-Situation bremsen sie respektvoll vor dem 16er ab, sie haben den gegnerischen Torhüter wohl doch erkannt. Außerdem scheint Lachheb im eins-gegen-eins unüberwindbar. Das Spiel ist praktisch vorbei, der Unparteiische hält lediglich zwei Finger in die Luft. Es helfen nur lange Bälle, Jan Benes drischt das Leder nach vorne, vergeblich. Der Ball ist weg. Christian Kamalla setzt nach und beißt sich am gegnerischen Spieler fest. Der drischt das Leder zum Entsetzen der Einheimischen nicht aufs Stadiondach sondern schießt „Malle“ an. Der kämpft verbissen an der Torauslinie um den Ball, wird von den Beinen geholt. Freistoß.


    Rene Stark legt sich den Ball zu recht, wir winken ab. Das Spiel ist durch, irgendwann muss es wie gesagt mal soweit kommen. Im gegnerischen Strafraum taucht jetzt zwischen roten und blauen Trikots auch ein ungewohnt gelbes auf. Doch es verpasst die Flanke, sie fliegt abgefälscht ins Toraus. Bange Blicke zum Schiri, er lässt die Ecke noch ausführen.


    Pavel David legt sich den Ball zu recht.
    Er läuft an und schlägt den Ball herein.
    Am Elfmeterpunkt beginnt der Elfertöter seinen Antritt.
    Ein Blauhemd fliegt unter dem Ball durch.
    Der Handschuhträger trifft ihn perfekt. Der Ball segelt weiter.
    Erst am Tornetz angekommen beendet er seine Reise für heute endgültig.
    Ein einziges Wort ist in aller Munde: TOOOOOOOOOOOOOOR!!

    10 Rot-Weiß-Gestreifte stürmen auf denjenigen zu, der sonst nur Lob fürs Tore verhindern kriegt. Und Darko Horvat schreibt wieder mal Geschichte. Schiri Kempter sieht darin einen versöhnlichen Schlusspunkt, Punkteteilung: 2-2.


    300 Gäste glauben ihren Augen kaum, die Berliner noch viel weniger. Während die einen ihren Jubel in den Berliner Himmel hinausschreien, machen die anderen ihrem Ärger Luft. Wieder knapp vorbei am Erfolgserlebnis. Und am Ende sollten die HFC-Fans recht behalten:
    „Keiner wird es wagen – unser'n HFC zu schlagen.“


    Die Unbesiegbaren bedanken sich bei den Fans, können ihnen aber auch nicht so ganz erklären, was da genau passiert ist. Rene Stark fasste das ganze erstaunlich rational auf: „Wieso? Der kann doch auch mal ein Tor machen.“ Sven Köhler sprach mal wieder von einem glücklichen Punktgewinn. Uwe Erkenbrecher, zuvor noch lautstark am Spielfeldrand, fehlten die Worte und doch analysierte er das Spiel treffend.


    Der Berlin-Aufenthalt war aber noch nicht zu Ende. Nachdem man das Spiel irgendwie eingeordnet hatte, wurde die Sportart gewechselt. In der benachbarten Max-Schmeling-Halle trafen die Füchse Berlin auf den HSV Handball. Vor ausverkauftem Haus (9.000 Zuschauer) blieben die Berliner eine Dreiviertelstunde am Favoriten dran. Doch das mittelmäßige Überzahlspiel und die fehlende spielerische Reife kostete den Füchsen den Sieg. Am Ende eine (zu) klare Angelegenheit für die Hamburger (27:35). Für mich mal wieder etwas niveauvollerer Handball, der Lust auf mehr macht (zum Beispiel in Kiel Anfang Mai). Die gesamte Veranstaltung bot aber das krasse Gegenteil zur familiären Atmosphäre bei Türkiyemspor. Konnerz wohin das Auge schaute: Werbung, Quiz, „Lärm-Utensilien“, Halbzeitspiel – alles irgendwelchen Sponsoren untergeordnet. Die Stimmung wurde auch mehr von außen angeheizt, als dass das der Funke vom Feld übersprang.


    Eigentlich stand ein weiterer kulinarischer Test auf dem Plan, doch Konnopkes Öffnungszeiten machten einen Strich durch die Rechnung. Also zum Abschluss passenderweise ein Döner mit kühlem Polenimport zum Nachspülen: Lech. Damit war der Ausflug endgültig beendet und neue Erfahrungen gesammelt. Falls das Wunder im Aufstiegskampf ausbleibt und man die sympathischen Berliner noch in der Liga hat, sieht man sich bestimmt auf ein Neues.



    Spielbericht (mit weiteren Bildern)



    Türkiyemspor Berlin - Hallescher FC 2:2 (2:1)
    Tore: 1:0 Lichte (5.), 2:0 Akgün (17.), 2:1 Finke (21.), 2:2 Horvat (90.)
    Zuschauer: 584
    Türkiyem: Köhlmann - Grossert, Doymus, Teichmann, Lichte - Joof - Koc, Manai (46. Steinwarth), Lemcke, Okamoto (83. Ergiligür) - Akgün (46. Tomioka)
    HFC: Horvat - Werner (80. Hebestreit), Lachheb, Kamalla, Benes - David, Finke, Görke (72. Re. Stark), Kanitz - Müller, Neubert (61. Kunze)


    R.I.P. Fußball: TeBe Berlin, SSV Reutlingen, Eintr. Bamberg, RW Essen, Bonner SC, Waldhof Mannheim, SpVgg Weiden, SSV Ulm, 1.FC Kleve, LR Ahlen, Sa. Leipzig, Germania Windeck, TuS Koblenz, VfL Kirchheim, Borea Dresden, GW Wolfen, Türkiyemspor, Kickers Emden, 1.FC Gera, Eintr. Nordhorn, RW Kemberg, Germania Schöneiche, VfB Lübeck, OFC Kickers, Wuppertaler SV, FC Oberneuland, MSV Duisburg... [to be continued]

  • ... Andere Spielfeldseite, Thorsten Görke schnappt sich das Leder für einen seiner berüchtigten Einwürfe ...


    *schwärm*


    Au ja, an diese Einwurfflanken kann ich mich auch noch bestens erinnern!
    TG bereitete übrigens 2005 (allerdings per Fuß) im KWS, in der 87. Minute des drittletzten Spieles, in strömendem Regen, beim Stand von 0:0, den Siegtreffer von Manuel Endres zum 1:0-Endstand und zum Staffelsieg des FCC, mit einer herrlichen, weiten Flanke vor. (Wow - das ist ein Satz mit 6[!] Kommas)


    Schöner Bericht, Aaron!
    Hoffentlich komme ich diese Saison auch noch mal auswärts zum Zuge ...

    ... ich kann auch nur vermuten, was ich damit sagen will !

  • Hoffentlich komme ich diese Saison auch noch mal auswärts zum Zuge ...


    Ostersamstag spielen wir zu Hause gegen Teuchern und Ostermontag auswärts in Großgrimma. Beide Spiele wären AUSWÄRTSSPIELE für Dich :happy: , also such Dir eins aus und komm vorbei :ja:

    Vor deiner Tür, in deinem Ort ist Gerechtigkeit nur ein Wort.

  • Ostersamstag spielen wir zu Hause gegen Teuchern und Ostermontag auswärts in Großgrimma. Beide Spiele wären AUSWÄRTSSPIELE für Dich :happy: , also such Dir eins aus und komm vorbei :ja:


    Alles was unter 50 km Anreiseweg liegt, betrachte ich nicht als Auswärtsspiel! Über Ostermontag werde ich aber mal nachdenken!

    ... ich kann auch nur vermuten, was ich damit sagen will !

  • *schwärm*


    Au ja, an diese Einwurfflanken kann ich mich auch noch bestens erinnern!
    TG bereitete übrigens 2005 (allerdings per Fuß) im KWS, in der 87. Minute des drittletzten Spieles, in strömendem Regen, beim Stand von 0:0, den Siegtreffer von Manuel Endres zum 1:0-Endstand und zum Staffelsieg des FCC, mit einer herrlichen, weiten Flanke vor. (Wow - das ist ein Satz mit 6[!] Kommas)


    Schöner Bericht, Aaron!
    Hoffentlich komme ich diese Saison auch noch mal auswärts zum Zuge ...


    Der Endres konnte also neben ständig im Abseits stehen auch Tore machen ??? ;)

  • Spiel- bzw. Erlebnisbericht wie dieser - da macht das Forum wieder richtig Freude. Vielen Dank dafür !
    Auch dafür, dass das Türkiyemspor-Drumherum mal treffend dargestellt wurde - ohne Polit-Klimbim.


    Konnopke hat glaub ich Sonntag prinzipiell zu - Samstag/Sonnabend auch erst seit einigen Monaten geöffnet.


    Kiel und Halle binnen weniger Tage im Vergleich: Kiel hat mehr vom Dusel-Bayern-Gen ...


    Danke an TS für ne schöne Partie -jetzt halt nen Dreier gg. Chemnitz.

  • ...
    Türkiyemspor Berlin - Hallescher FC 2:2 (2:1)
    Tore: 1:0 Lichte (5.), 2:0 Akgün (17.), 2:1 Finke (21.), 2:2 Horvat (90.)


    ... und hierprompt auch schon zur Auswahl "Tor des Monats März 2009"...