Die letzten Wochen waren für mich fußballerisch sehr durchwachsen. Seit dem Tag der deutschen Einheit gab es für mich kein Livespiel mehr mit mehr als zwei Toren pro Partie. Diese Serie sollte bei den torehungrigen Erfurtern und Stuttgarten endlich geknackt werden. Die kleinen Schwaben erwiesen sich für Jena (0:6) und Aue (0:3) bereits als mittelgroßer Albtraum, so ein Debakel sollte sich am Freitag nicht wiederholen, aber die Toranzahl stimmte mich positiv.
Doch schon die Hinfahrt stand unter keinem guten Stern, verlor ich doch am schwarz-weißen Brett in der Königsdisziplin. Schwamm drüber, weiter gehts. Knapp 15 Minuten nach meiner Ankunft am Hauptbahnhof stand ich schon unter der Anzeigetafel im SWS mit meinem Abendbrot (es blieb bei einer Bratwurst). Die Zuschauerzahl vom Emden-Match wurde bei Eiseskälte und mittelprächtig attraktivem Gegner natürlich nicht wiederholt, immerhin knapp 4000 Rot-Weiße fanden den Weg zur Freitagabendunterhaltung. Der Fanblock machte zu Spielbeginn das einzig richtige und versuchte mit Hüpfeinlagen die angestrebten 37°C Körpertemperatur irgendwie zu halten.
Ohne den gelbgesperrten Samil Cinaz tat sich der Gastgeber noch sehr schwer. Stuttgart überzeugte vor allem mit den einfachsten Grundlagen: Spiel über die Außen, schnelles Umschalten von Abwehr und Angriff, sowie direktes und schnörkelloses Angriffsspiel. Gegen Clemens Walch musste Dirk Orlishausen Kopf und Kragen riskieren, den Nachschuss versemmelt der 18jährige Sebastian Rudy. Kurz darauf taucht Jose Alex King vor Orlishausen auf, doch der gebürtige Kameruner scheitert kläglich. Inzwischen hatte sich die weiße Pracht vom Himmel eingewechselt, zwischenzeitlich hatte ich Mühe das gegenüberliegende Tor zu sehen, der rote Ball kam zwei Minuten nach dem ich ihn verbal ins Spiel gebracht habe, tatsächlich in die Partie. In der 25.Minute war erstmal Schluss, Buli-Schiri Manuel Gräfe hatte genug gesehen, bzw. zu wenig, die Linien mussten frei geschaufelt werden. Nach 10 Minuten waren die Kreidemarkierungen wieder zu erkennen, nach 15 Minuten gings weiter - die Pause kam RWE gelegen, viel lief bis dahin nicht zusammen (abgesehen von nem Schüsschen von Hauswald).
Bis zur Halbzeitpause passierte nicht mehr viel, ein schneller Vorstoß von Walch landete wieder bei Orlishausen. Die Thüringer inzwischen gefestigter, aber offensiv zu harmlos, eine Chance (von Cannizzaro?) landete gar fast im Seitenaus. Nach knapp einer Stunde marschierte Cinaz-Ersatz Fabian Stenzel durch die gegnerische Hälfte, verleiht den Ball kurz an Martin Hauswald, um ihn dann aus knapp 20 Meter in den Winkel zu löffeln, 1:0 für den FC Rot-Weiß Erfurt. Das durchaus sehenswerte Tor war wie eine Befreihung für den Gastgeber, Bastian Pinske, Albert Bunjaku und Hauswald hatten den zweiten Treffer für Erfurt auf dem Fuß. Stuttgart war mit dem Rückstand sichtlich überfordert, konnte kaum noch Druck entwickeln und war auch über Last-Minute-Ecken nicht mehr gefährlich. Trotz der routinierten Leistung der Gastgeber in der letzten halben Stunde, sehnten die meisten den Schlusspfiff herbei - ich hoffte meine Zehen irgendwann wieder spüren zu können - die anderen wollten wohl drei Heimpunkte auf der Habenseite sehen.
So ging es zurück zum Bahnhof, allerdings nicht ohne vorher mal wieder angepöbelt zu werden (und dementsprechende Reaktion gezeigt zu haben), ich scheine im Straßenverkehr wohl auf ewig mit den Landeshauptstädtern auf Kriegsfuß zu stehen.
Im Zug machten drei Erfurter noch eine Stunde lang Stimmung, variierten von "polizeikritischen" Liedgut über politisch wenig korrekten Äußerungen zu NDW-Klassikern. Zurück in der Heimat hatte ich vor allem mit dem Schneetreiben auf dem Heimweg zu kämpfen und mit der Tatsache, das ich in den letzten 12 Spielen gerade mal magere 15 Törchen gesehen habe. Ich werde trotzdem kein Hoffenheim-Fan und hoffe weiterhin auf mein (Tor)Glück in Ostdeutschland.
FC Rot-Weiß Erfurt - VfB Stuttgart II 1:0 (0:0)
Tor: 1:0 Stenzel (58.)
Zuschauer: 3.998
RWE: Orlishausen - Schnetzler, Möckel, Pohl, Pinske - Wolf, Stenzel, Rockenbach (90. Loose), Hauswald - Cannizzaro (86. Semmer), Bunjaku
VfB: Ulreich - Opoku-Karikari, Pisot, Kovacevic, Feisthammel - Rudy, Ikeng (74. Didavi), Funk, Klauß (74. Schipplock) - Walch (59. Fischer), Schieber