Slowakische Ostern 1
„In Tschechien fuhren wegen eines schweren Schneesturms sogar 100 Autos ineinander. Auf der Straße von Prag in das südöstliche Brno seien bei Unfällen insgesamt sechs Menschen schwer und 18 weitere leicht verletzt worden, erklärte der Regionalgouverneur Milos Vystrcil. Aufgrund der Massenkarambolage seien Hunderte Autos im Stau stecken geblieben und 50 Kilometer der Autobahn lahmgelegt worden. Auch in den nächsten Tagen dürfte ob der Wetterlage mit äußerst schwierigen Straßenverhältnissen zu rechnen sein.“
Es war fünf Minuten vor Feierabend an diesem Gründonnerstag, als ich ein letztes Mal über die Online-Ausgabe eines politischen Hetzblattes schaute und diesen Teil eines Artikels über ein Sturmtief namens „Melli“ entdeckte. „Tolle Wurst“, dachte ich, wollte ich doch zwölf Stunden später eben jene Autobahn nutzen um ins Herz Europas zurückzukehren. Die Slowakei, die Heimat meiner Großeltern, rief zum alljährlichen Besuch. Gemeinsam mit Mudders Sohn (Görti), der die selben Großeltern hat wie ich, und Cousin Martin, der dies zwar nicht von sich behaupten kann, dafür aber das gleiche Glück wie Familie Montsko besitzt, dass die Wurzeln seiner Vorfahren auch in dieses Kleinod zurückreichen, hatte ich mir einen Wagen von der orangefarbenen Autovermietung geborgt, um eben jenen Wurzeln zu huldigen und, nebenbei sozusagen, Fußball zu schauen. Die Slowakei taugt nicht, um es für eine schlichte Fußballtour zu missbrauchen. Zu voll ist es an Kulturschätzen, zu herrlich ist die Natur, zu fest unsere Bindung. Die Farbe der Autovermietung nenne ich an dieser Stelle nicht ohne Grund. Es ist ein Zeichen der Dankbarkeit meinerseits, da sie die einzigen waren, die es wagten ein Auto ins gefährlichste und tiefste Osteuropa zu vergeben. Rassismus nenne ich das. An der völlig falschen Stelle... Sicher, auch sie kassierten ihre dümmliche (Zwangs-)Vollkasko zusätzlich ab, aber besser als nichts. Eine Reise mit Bus und Bahn kam für die folgenden sieben Tage nicht in Frage; zu ausgefüllt war der Plan, zu eng die Termine.
Aber zurück zu „Melli“. Warum mir diese Ausgeburt der Hölle vor allem Sorgen bereitete war die Tatsache, dass wir, um weiteren finanziellen Verschwendungen im Zusammenhang mit unserem vierrädrigen Gefährt zuvorzukommen, auf die Option von Winterreifen für günstige 14 Euro am Tag vorausschauend verzichtet hatten. Und nun sollte also plötzlich zum Frühlingsfest der Kommunisten der Winter zurückkehren. Ach, was hieß „zurückkehren“; Ende März sollte er auf einmal beginnen... Ich hasse den Winter wie die siebzehn Fußballvereine, zu denen ich meinen beschaulichen Verein von der Ostsee im Laufe eines Jahres begleite. Diese Laune der Natur passte mir in etwa so in den Kram, als ob meine Freundin heute oder morgen oder in fünf Jahren zu mir sagen würde: „Ach Ralf, jetzt werden wir eine richtig kleine Familie...“
Doch noch bestand Hoffnung. Die Tschechische Republik lag noch gute 540 Kilometer entfernt, zunächst galt es erst einmal den städtischen Bahnhof zu erreichen, wo neben Görti auch der Mietwagen wartete. Dort gab es dann das nächste ungute Gefühl. Während der Herr Autovermieter in seinem Computer nach unserer Reservierung suchte, telefonierte er mit der Garage und dabei fiel folgender Satz: „Du, sag mal, den Micra, haste den schon oben, oder steht der noch hier unten?!“ Micra?! Ich dachte, ich höre nicht richtig. Sicher, einen türkischen Volkswagen von BMW oder einen deutschen Volkswagen, von, nun ja, Volkswagen, hatten wir aufgrund der seltsamen Klauseln in den AGBs sowieso nicht erwartet. Aber ein Micra?! Nein, das musste nun doch wohl wirklich nicht sein. Herr Autovermieter hatte mittlerweile sein Telefonat beendet, unsere Reservierung gefunden und Görti seine Geldkarte in den Schlitz gesteckt, da begann er: „So, meine Herren hier haben Sie die Schlüssel.“ Er sagte dies in so einem widerlichen „So-jetzt-aber-bitte-schön-dankbar-sein-ihr-kleinen-Schieter“-Ton, woraufhin uns nur zu antworten übrig blieb: „Danke.“ Und zwar in so einem befriedigenden „Für-einen-Service-den-wir-dir-teuer-bezahlen-du-gegelter-Lackaffe“-Ton. „Wir haben für Sie einen Fiat Bravo in der dritten Etage stehen. Es war sogar noch ein Diesel frei.“ „Gut“, dachte ich, „kein Micra.“ „Schlecht“, dachte ich, „in der Slowakei ist Diesel teurer als Benzin.“ Aber das war jetzt egal. Wir hatten den Schlüssel in der Hand. Die Fahrt konnte beginnen.
Das war auch bitter nötig. Die Fahrt zum Bahnhof, das Procedere des Schlüsseltausches, alles hatte irgendwie viel zu lange gedauert. Mittlerweile war es halb sieben und in einer Stunde wollten wir eigentlich schon in Siegen sein, das von Düsseldorf gut und gern 130 Kilometer entfernt liegt. Dort spielten am Abend die heimischen Sportfreunde gegen den Fußballclub aus Ingolstadt um Punkte in der südlicheren der beiden Regionalligen. Aber schnell mussten wir feststellen, dass dieses Spiel für uns ein vager Traum bleiben sollte. Schon an der ersten Kreuzung hatte uns der städtische Feierabend- und vorösterliche Reiseverkehr verschlungen. Ersteren konnten wir nach einigen Minuten auf der Autobahn hinter uns lassen, letzterer hingegen war fortan unser ständiger Begleiter. Neben ergiebigem Regen übrigens, welcher Dank positiver Temperaturen von Schnee und Eis noch drei bis vier Grad entfernt war. Und einen weiteren treuen Reisekameraden hatten wir ebenso dabei: deutsche Autobahnbaustellen. Die ersten Stunden der Fahrt waren ein einziges Leiden. Die Autobahnausfahrt Siegen erreichten wir pünktlich zum Halbzeitpfiff. Obwohl das Leuchten der Flutlichtmasten hinter den nahen Bäumen mit noch 45 Minuten Leimbachstadion lockte, entschlossen wir uns dagegen und folgten dem äußerst zähflüssigen Trott weiter gen Osten.
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Eine Stunde nach Mitternacht, und damit auch eine gute Stunde nach Plan, erreichten wir die Heimat der Himmelblauen, Chemnitz. Die Straßen waren wie leergefegt, der Regen hatte mittlerweile aufgehört, einzig der eisige Wind fegte noch durch die Gassen. In der sächsischen Einöde wartete Cousin Martin auf uns. Die späte Ankunft hatte zur Folge, dass uns, und vor allem mir als Fahrer, wichtige Minuten Schlaf vor dem Abschied aus Deutschland geraubt wurden. Um fünfzehn Uhr wollten wir schon im slowakischen Heimatdorf sein, das 820 Kilometer entfernt lag. Die Aussicht auf die tschechische Autobahnen und vor allem die Schlampe Melli, hatten uns gehörigen Respekt eingejagt, so dass wir den Wecker auf drei Uhr stellten. Gefühlte fünf Minuten vor dem Klingeln dürfte ich eingeschlafen sein. Doch für Wehleidigkeiten war keine Zeit. Das Ziel war zu groß und die Fahrt dorthin zu lang... Eine halbe Stunde später saßen wir also zu dritt in unserem Gefährt. Görti hatte die Rückbank abonniert, Cousin Martin spielte Beifahrer und ich durfte fortan entscheiden, wann wir wo wie lange für was anhalten sollten. Und zwar für die kommenden sieben Tage.
Die Straßen von Chemnitz, von ganz Sachsen waren zu diesem frühen Zeitpunkt autotechnisch noch immer ziemlich übersichtlich, so dass wir sehr zeitnah die deutsch-tschechische Grenze erreichten. Von etwaigem Schneegestöber oder gar -sturm war weit und breit nichts zu erkennen. Sicher, es tröpfelte ein wenig und die Temperaturen konnten sich nur noch ähnlich knapp über der schwarzen Null halten, wie mein Kontostand am Monatsende, aber von irgendwelchen Verkehrsbeeinträchtigungen und Sommerreifenherausforderungen waren wir weit entfernt. Wenigstens so weit wie Brno, hofften wir. Aber es wäre ja auch nicht das erste Mal, dass sich Spiegel Online irrt. Das tut es bei hintergründigen Fußballartikeln ja ebenfalls des Öfteren. Dank des Schengener Abkommens und endlich fertig gestellter grenzüberschreitender Autobahn war auch der Länderwechsel nur ein kleines Geschichtchen, das keiner weiteren Worte bedarf. Und so durchfuhren wir den letzten Tunnel und bewegten uns fortan auf tschechischem Hoheitsgebiet. Auf tschechischem und verschneitem Hoheitsgebiet. Auf tschechischem, verschneitem und spiegelglattem Hoheitsgebiet... Die folgenden Kilometer waren eine einzige Odyssee. Der Schneesturm machte es unmöglich eine Handbreit nach vorn zu schauen, die Straßenbegrenzungen waren fortan die Bäume auf der linken und rechten Seite. Mit erhöhter Schrittgeschwindigkeit und allen verfügbaren (Warn-)Leuchten, die uns unser Fiat zur Verfügung stellte, bewegten wir uns mühsam voran…
Nach einiger Zeit erreichten wir die erste Tankstelle, was aus zweierlei Gründen von Nutzen war. Zum einen ging die Füllung des Tanks arg zur Neige und zum zweiten war die Gelegenheit günstig, die mehr oder weniger nötigen Autobahnvignetten für die ehemalige Tschechoslowakei zu erstehen. Insgesamt 18 Euro kosteten die Autobahnbenutzungserlaubnisbescheinigungen für die beiden ehemaligen Bruderstaaten. Nachdem beides erledigt war, machten wir uns wieder auf; der Weg war noch weit. Je weiter wir Richtung Prag vordrangen, umso besser wurden auch die äußeren Umstände. Aus Schnee wurde Regen und ab Prag ließ auch dieser nach. Einzig der Himmel erweckte noch immer den Eindruck, dass minütlich ein neues Unwetter beginnen könnte; doch vorerst beließ er es bei der optischen Drohung. Die tschechische Hauptstadt ließen wir ohne größeren Aufenthalt hinter uns und befuhren nun die Autobahn, von der ich Stunden zuvor noch Schlimmstes gelesen hatte. Von den Verwüstungen, Naturkatastrophen und Unfällen war mittlerweile aber kaum noch etwas zu erkennen. Ab und an lag eine Motorhaube am Straßengraben oder aber die Leitplanke war seltsam verformt, doch zu irgendwelchen, Behinderungen kam es nicht. Und während Görti und Cousin Martin den Schlaf der Nacht nachzuholen versuchten schritt die Reise problemlos und zügig voran.
Eine Stunde vor dem Mittag erreichten wir schließlich das tschechisch-slowakische Grenzgebiet, wo ich mir sicher war, ein Déjà-vu-Erlebnis zu haben. Je näher wir dem Grenzübergang kamen desto dichter wurde das plötzlich einsetzende Schneetreiben. An ein zügiges Vorankommen war nicht mehr zu denken. Die Sichtverhältnisse waren eine 1-zu-1-Kopie vom Morgen. Also wiederholte sich das Spiel: Mit erhöhter Schrittgeschwindigkeit und allen verfügbaren (Warn-)Leuchten, die uns unser Fiat zur Verfügung stellte, bewegten wir uns mühsam voran… Nach elendig langen Minuten hatten wir aber auch die letzte Anhöhe vor der Slowakei erreicht und rollten nun die Serpentinen hinab ins Waagtal. Die Slowakei begrüßte uns mit zaghaften Versuchen der Sonne, das Einheitsgrau des Himmels zu durchbrechen. Es gelang ihr nicht ganz.
Und da waren wir also wieder im gelobten Land. Die Stimmung war allerbest; wir lagen trotz aller Widrigkeiten bestens im Zeitplan. Bis Kniesen, unserem Ziel, waren es nun noch knapp 280 Kilometer. Die Fahrt führte uns vorbei an Trencin, bekannt durch ihre unverwechselbare Burg über der Stadt und den Tennisschlägerartigen Flutlichtmasten des städtischen Stadions, und Zilina, mit seiner absolut beschaulichen Innenstadt, und dann weiter entlang an einer der schönsten Straßenabschnitte im Land, der Straße nach Martin, zwischen den Bergen und der Hron. Halb drei und nach ziemlich genau elf Stunden Fahrt erreichten wir schließlich Kniesen. Es ist erstaunlich, aber die letzten Kilometer auf der schlecht ausgebauten Landstraße von Poprad kommend, beschleicht mich noch immer so ein aufgeregtes Gefühl, wie früher, in den letzten Minuten vor der weihnachtlichen Bescherung. Und wenn nach der letzten Kurve der Turm der Dorfkirche erscheint, dann ist es, als ob Vadders gerade mit dem Glöckchen bimmelt und die Tür zum hell erleuchteten Tannenbaum geöffnet wird. Mit schweigender Aufgeregtheit überquerten wir die Dorfgrenze und als ob die einfachen Häuser an der Hauptstraße völlig neu für uns wären, glotzten wir freudestrahlend aus unseren Fenstern.
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Es gab im Grunde nicht viel, was wir am Karfreitag noch vorhatten. Ein kurzer Gang über den Friedhof auf der Anhöhe über dem Dorf, von wo wir die gleichen Fotos wie jedes Mal machen wollten, die Karfreitagsmesse in der Dorfkirche besuchen, so wie es sich für gute katholische Exil-Slowaken gehört, und schließlich in unser Lieblingslokal „Franka“ einkehren, um günstig, aber vor allem gut zu essen. Zuvor allerdings fuhren wir in die nur vier Kilometer entfernte Kreisstadt Stará L'ubovna (Altlublau), um den Sportplatz des ortsansässigen MFK Goral Stará L'ubovna zu begucken, was strenggenommen unser Heimatverein ist. Im März des Jahres 1923 gründete ein gewisser Doktor Schich den Sportklub Altlublau, den wir am nächsten Morgen zu seinem Auswärtsspiel in die slowakische Hauptstadt begleiten wollten. Der Verein der 15.000-Einwohner-Stadt war in der vergangenen Saison ziemlich ungefährdet in die zweite Liga aufgestiegen und lag dort nach der Winterpause ähnlich ungefährdet auf dem letzten Tabellenplatz. Der Rückstand auf den ersten Nichtabstiegsplatz betrug mittlerweile sechs Punkte.
Das Stadion war eine kleine Enttäuschung für uns. Nicht nur, dass wir äußerst umständlich über den typisch slowakischen Sichtschutzzaun klettern mussten, um im Stadionrund dann festzustellen, dass neben dem Haupttor ein offener Eingang war, nein, der Sportplatz präsentierte uns auf der Hauptseite zwei überdachte Sitzplatztribünen in den stadteigenen Farben gelb und rot. Es existieren allerdings alte Schwarz-Weiß-Fotos, auf denen die Kampfbahn abgebildet ist und an eben jener Längsgeraden steht dort eine imposante Holztribüne. Aber wie die Bilder ist diese Vergangenheit. Überhaupt ist der MFK Goral Stará L'ubovna im Grunde kein Verein mehr zum Gernhaben. Der Vereinsname verrät es schon; er lautete nicht immer so. Goral ist ein ziemlich edler (und guter) Wodka aus der Hohen Tatra. Die Firma hat sich nicht nur in den Namen geschlichen, sondern auch in das neue Vereinswappen und die Farben. Der MFK spielt schon längst nicht mehr in gelb und rot, sondern im grundsätzlich sympathischen aber hier völlig deplacierten weiß und blau. Salzburger Verhältnisse im slowakischen Hinterland sozusagen; allein der Protest geht gegen Null. Aber woher soll er auch kommen; der unterklassige Fußball spielt im gesellschaftlichen Stadt- bzw. Dorfleben kaum eine Rolle. Einzig die KKK, die Kaos Krew Kniesen, kämpft unvermindert für den Erhalt der alten Traditionen. Ganz im Sinne des Herrn Doktor Schich...
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Nach unserer Rückkehr nach Kniesen, machten wir uns auf den Weg zum Friedhof, von wo man die ganze Besiedlung bestens überblicken kann. Die Sankt-Bartholomäus-Kirche im Zentrum, die Popper am östlichen Rand, die Neubauten in Richtung Stará L'ubovna und die heruntergekommene Gosse der Zigeuner direkt unter dem Friedhof. Über diese Minderheit, die in 50 Jahren schon die Mehrheit der Bevölkerung stellen könnte, will ich nicht viele Worte verlieren. Nur soviel: Im heimischen deutschen Studentenwohnheim über die Diskriminierung der Sinti und Roma zu schimpfen, frei jeglicher Kenntnisse, ist wie Sitzen im Stadion – nämlich für’n Arsch.
Kurz vor 16 Uhr machten wir uns auf in die Taufkirche des Herrn Papa und wie geplant gönnten wir uns anschließend ein nicht ganz karfreitägliches Abendmahl im „Franka“. Da wir am nächsten Morgen schon um halb elf in Bratislava sein mussten, um pünktlich zum Anpfiff des Gastspiels des MFK zu sein, entschieden wir uns schon einen Teil der Strecke am Abend zurückzulegen und in Trencin ein Nachtquartier zu finden. Direkt vor den Toren der Altstadt gibt es dort eine relative gute und günstige Herberge, die wir anvisierten. Die Fahrt verging relativ ereignislos, durch die eingetretene Dunkelheit verlor auch die Strecke zwischen Martin und Zilina ihren Reiz – schwarze Wände links und rechts sind langweilig. Einzig zwei Polizisten sorgten für kurze Aufregung und Erheiterung, als sie unser Gefährt im Nichts an die Seite winkten, ich den Kofferraum öffnen musste, sie nicht einmal hineinblickten und uns dann weiterfuhren ließen. Seltsame Begebenheit zu später Stunde…
Zehn Minuten nach zehn erreichten wir die Perle des Waagtals und fanden auch sofort die auserwählte Pension Svorad. Cousin Martin und ich machten uns sogleich auf den Weg zur Rezeption, die bereits dunkel und verschlossen war. Just in dem Moment, als wir die Klingel betätigten, erblickten wir ein Hinweisschild, auf dem stand, dass ein Einchecken nach 22 Uhr nicht mehr möglich sei. Die Hoffnung auf ein akademisches Viertel machte der Nachtwächter zunichte, der mit eiserner Miene auf das Schild verwies und uns lapidar mitteilte, dass das Haus ausgebucht sei. Erster Anlaufpunkt nach dieser Enttäuschung war eine kleine Pension genau gegenüber. Doch die dortigen Preise für drei Betten überstiegen nicht nur unser Budget, sondern auch unsere Toleranzgrenze. So setzten wir uns wieder in unser Auto und suchten nach einer passenden Herberge vor den Toren der Stadt. Ausgewiesen waren Pensionen zur Genüge, allein das Auffinden war schwerer als erhofft. Die Pension Suzanna, deren Beschilderung wir zuerst folgten, stellte sich nach zehn Minuten als Bauruine heraus. Das Hotel Royal, welches wir anschließend ansteuerten und uns in eine enge Hintergasse führte, war bereits ausgebucht, blieb die Pension In, die wir nach einigem Hin und Her, sowie dem Befragen eines slowakischen Erdenbürgers im benachbarten Zamarovce ausfindig machen konnten. Mittlerweile war es schon elf Uhr und die Wirtin war gerade dabei zuzusperren, als wir in den Hof einbogen. Die Nacht kostete uns 1.600 Kronen, was zwar leicht über dem gesetzten Limit lag, aber wir waren mittlerweile einfach zu müde und hatten keine Lust mehr weiterzusuchen. Außerdem war die Herberge äußerst wohnlich, schon fast zu edel für uns drei. Bevor wir allerdings das Zimmer beziehen konnten standen wir plötzlich vor einem Problem: Zwischen Einparken und Auspacken verlegte ich den Autoschlüssel. Drei-, viermaliges Ausleeren all meiner Taschen brachte den Schlüssel nicht zurück. Minutenlang durchsuchten wir das Auto und die nähere Umgebung. Ohne Ergebnis. Cousin Martin wurde schon leicht ungeduldig, Görti war über diesen Zustand schon hinaus. „Hast Du in deinen Taschen geguckt?!“ – „Ja.“ – „Und steckt er vielleicht noch?!“ – „Nein.“ – „Und im Auto?!“ – „Hab ich auch geguckt; is’ er nicht.“ Während Cousin Martin mich interviewte brüllte Görti plötzlich vom Fahrersitz, den Kopf vornüber unter den Sitz gebeugt: „Ich hab ihn. Du Dummkopf.“ Und so war nach langen Minuten auch diese Aufregung vorbei. Die Herbergsmutter, eine äußerst sympathische und schlagfertige Mittvierzigerin, zapfte uns anschließend noch ein Feierabendbierchen und nach ein paar kurzen Runden Knack, schliefen wir in unserem zweigeschossigen Zimmerchen friedlich ein.
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Der nächste Morgen begann früh für uns. Bis in die Hauptstadt war es noch eine gute Stunde Fahrt, das erste Spiel der Reise auf dem Plan. Was mir in Deutschland die Zornesröte ins Gesicht treiben, was mich wütend aufschreien und tägliche Briefe an die Fußballfunktionäre schreiben lassen würde, war mir in der Slowakei gerade recht – die absolute zeitliche Aufteilung des Spieltags; Erst- und Zweitligaspiele schon am Vormittag.
Der Abschied von Trencin fiel nicht schwer. Schon zwei Tage später, so war geplant, wollten wir unser Nachtlager erneut in diesem beschaulichen Städtchen aufschlagen. Doch nun wartete zunächst das österliche Bratislava auf uns. Die slowakische Hauptstadt ist dank ihrer Größe ziemlich übersichtlich und so erreichten wir ohne Probleme unser Ziel, das Pasienky. Seine gelb-schwarzen Flutlichtmasten machen es im Grunde schier unmöglich die Heimstätte von Internacionál zu übersehen. Das Auto stellten wir am nahen Billa ab, wo wir vor Spielbeginn auch noch fix die Tagesration an Nahrung erwarben.
FK Inter Bratislava - MFK Goral Stará L'ubovna
Samstag, 22.03.2008 - Prvá Futbalová Liga - 22. Spieltag - Pasienky - Zuschauer: 545 - Endstand: 1-2
Das Stadion des dreifachen Landesmeisters fasst 13.000 Zuschauer. Am heutigen Samstagvormittag verliefen sich gerade einmal (offiziell) 545 Zuschauer bei 40 Kronen Eintritt im weiten Rund, was für slowakische Zweitligaverhältnisse eher unterdurchschnittlich ist. Halb geschätzt, halb gezählt würde ich sogar von knapp der Hälfte an Besuchern sprechen. Der Aufstiegszug für die ehemalige Spitzenmannschaft war in dieser Saison wieder einmal vorzeitig und ohne sie abgefahren. 18 Punkte Rückstand auf Presov waren uneinholbar und heute wurde erfolgreich daran gearbeitet, diesen Rückstand möglichst nicht zu verkleinern. Über den Stand der Dinge bei unserem MFK habe ich bereits berichtet. Aus dem weiten Stará L'ubovna waren neben uns dreien, nur zwei weitere Sympathisanten angereist. Vater und Sohn, Mitte dreißig und fast zwei, hatten es sich samt Zaunfahne in der Kurve links neben der überdachten Haupttribüne gemütlich gemacht. Auf der anderen Seite, rechts der Tribüne standen etwa zwanzig Mann mit ihren gelb-schwarzen Schals, die aus der Entfernung betrachtet, einen ganz geruhsamen Eindruck machten und über ganz seltene „Inter do toho“-Rufe nicht hinaus kamen. Verweilt man ein wenig im Internet, kann man schnell erkennen, dass die Anhängerschaft des Hauptstadtklubs online mittlerweile aktiver zu sein scheint, als im Stadion. Der Rest der Zuschauer setzte sich aus einheimischen Fußballinteressierten und einem guten Dutzend deutschsprachiger Touristen zusammen.
Während in den Kurven die Stehplätze vor geraumer Zeit mittels Holzbänken in Sitzplätze umgewandelt wurden und nur noch die Wellenbrecher an bessere Tage erinnern, ist die Gegengerade versitzschalt und zwischen die gelben Sitze haben sich einige schwarze gemogelt, die – welch Wunder – den Namen des Heimatvereins ergeben. Erwähnenswert sei noch, dass sich unter der alten, aber noch (zumindest teilweise) intakten Anzeigetafel ein Graffiti befindet, wohl ein Gastgeschenk vom letzten Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft, bzw. ihrer nordostdeutschen Anhängerschaft. In gelben Lettern lachte mich dort ein „F.C. HANSA ROSTOCK!!!“ an. Die Geschichte des Spiels ist schnell erzählt. Es war niveauarm, aber zum Ende hin durchaus spannend. Die Gäste gingen schon früh in Führung und konnten diese bis in die Pause retten. Kurz nach Wiederanpfiff glich Inter durch einen Freistoß aus, aber fünf Minuten vor dem Ende konnte Stará L'ubovna unter fünffachem Jubel auf den Rängen den wichtigen Siegtreffer erzielen. Wichtig vor allem deshalb, weil an diesem Spieltag auch alle anderen Kellerkinder mindestens einen Punkt holten. Was der Sieg letztlich Wert sein würde, konnte der MFK erst am folgenden Spieltag beweisen; da sollte es zum Tabellennachbarn ins ostslowakische Trebisov gehen. Inter hingegen konnte sich schon jetzt auf einen neuen Anlauf für den Aufstieg in die Bier-Liga in der nächsten Saison vorbereiten.
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Und in eben jener Bier-Liga stand am späten Nachmittag der Höhepunkt unserer fußballerischen Reise an. Und das bereits am zweiten Tag. Aber bevor es so weit war, galt es noch eine familiäre Pflicht zu erfüllen. Die Patentante meines Vaters lebt in Bratislava und ihr sollten nun noch Grüße sowie eine kleine Aufmerksamkeit überbracht werden. Der Besuch musste allerdings kurzgehalten werden, da wir vor dem Derby noch eine Viertligapartie des Fußballverbands Bratislava ins Auge gefasst hatten, außerdem wollten wir unsere Herberge für die Nacht sichern und die Karten für das Slovan-Spiel kaufen. Das alles klappte so weit auch ganz gut, obwohl es keine Verschwendung gewesen wäre, noch ein paar Minuten länger bei der Tante Maria zu bleiben; zu viele Geschichten wusste sie aus längst vergangenen Tagen zu erzählen. Für Cousin Martin war sicher am bedrückensten die Erfahrung, dass die Gosse der Zigeuner in Kniesen einst die heimatliche Gasse seiner Großmutter war. Nur die verbitterte Bemerkung der Tante – „Die alten Kniesener würden sich im Grabe umdrehen, wenn sie das wüssten“ – konnte ihn ein wenig trösten. Nachdem uns die Tante mit einem „Hach, zum Fußball wollt ihr noch!? Na ja, dann werden sie sich da ja wieder schlagen heute.“ verabschiedete, machten wir uns mit einem kleinen Umweg auf zum TJ Trnávka Bratislava.
TJ Trnávka Bratislava - GFC Grinava
Samstag, 22.03.2008 - III. Futbalová Liga Bratislava - 14. Spieltag - Nerudova - Zuschauer: 120 - Endstand: 4-1
Entgegen unserer Hoffnungen ist der Spielort ein schlichter und langweiliger Sportplatz. Von der Straße ist er ziemlich unscheinbar hinter einem dreigeschossigen Neubau versteckt, in dem auch die sanitären Einrichtungen integriert sind. Pünktlich mit dem Anpfiff betraten wir das Areal durch eine kleine Pforte. Bei freiem Eintritt taten dies auch noch gut und gern 120 Gleichgesinnte. Verwundert war ich, dass wir bei diesem Spiel augenscheinlich die einzigen deutschsprachigen Besucher waren. Der miserable Rasen ist von einem weiß-blau-gelben Geländer begrenzt und hinter einem Tor gibt es zwei klitzekleine Sitzplatztribünen, jeweils zur linken und rechten Seite, auf denen vierzig Menschen in zwei Reihen Platz finden. Um den ganzen Sportplatz herum, so schien es, waren in den vergangenen Monaten neue (Wohn-)Häuser entstanden. Ich wäre fast bereit Geld zu wetten, dass dieser Platz nicht immer so ein trost- und freudloses Dasein fristen musste. Die beiden Tribünenfetzen sind sicher Reste einer größeren Zuschauerbehausung, die dem neuen Gebäude auf der Geraden weichen musste. Von Stimmung konnte bei diesem Spiel natürlich keine Rede sein. Am lautesten waren noch die verdorbenen Kinder auf dem benachbarten Basketballplatz, die bei unsäglicher Rapmusik diesem seltsamen amerikanischen Sport frönten. Aus dem 20 Kilometer entfernten Grivna war ein gutes Dutzend Zuschauer mitgekommen. Zwölf Herren, im Alter meines Vaters, die es sich mit Wein in der Nähe der Trainerbank gemütlich machten und nur ein einziges Mal Grund zur Freude hatten. Über das Spiel gibt es natürlich nicht viel zu sagen; das Niveau könnte wohlwollend mit der heimischen Bezirksliga verglichen werden und die Heimmannschaft gewann letztlich sicher auch in der Höhe verdient.
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Mit letzter Gewissheit kann ich das nicht sagen, denn ganze neunzig Minuten verblieben wir nicht im Nordwesten der Stadt. Die Corgon-Liga rief mit ihrem Spitzenspiel. Das Auto parkten wir an der Hauptstraße ganz in der Nähe des Stadions und schlenderten ganz gemütlich und jeder für sich zum Tehelné pole.
SK Slovan Bratislava - FC Spartak Trnava
Samstag, 22.03.2008 - Corgon Liga - 22. Spieltag - Tehelné pole - Zuschauer: 10.856 - Endstand: 2-3
Um das Stadion herrschte eine halbe Stunde vor Anpfiff emsiges Treiben. Über 10.000 Zuschauer hatten sich letztlich für dieses Spiel aufgerafft. Die Straße hinter dem Gästeblock war undurchdringbar von schwer geschützten Polizisten abgeriegelt; aus dem nahen Trnava hatten sich 2.000 Schlachtenbummler angekündigt. Bei einer der unzähligen Kürbiskern-Verkäuferinnen erstand ich meine Ration für das Spiel und betrat recht unbehelligt den Spielort. Die Heimstätte des SK Slovan ist mit seinem Fassungsvermögen von 30.000 Zuschauern die größte Fußballspielwiese des Landes und durchweg mit blauen Sitzschalen ausgestatten. An beiden Geraden gibt es jeweils eine überdachte Tribüne, unterschiedlich in ihrer Größe. Für die kleinere der beiden hatten wir unsere Karten gekauft und so suchte ich mir dort auch ein lauschiges Plätzchen. Görti war noch nicht im Stadion und auch Cousin Martin konnte ich auf den ersten Blick nicht entdecken. Beim zweiten Hinsehen erblickte ich ihn dann aber. Zehn Meter vor mir stand er, Kamera in der Hand, orangefarbenes Leibchen am Körper und durch einen Zaun von mir und dem Rest der Zuschauer getrennt… Der heimische Mob hatte für das heutige Spiel seinen Stammplatz hinter dem Tor verlassen und sich stattdessen auf der Gegengeraden breitgemacht. Geflaggt war auf Heimseite reichlich, unter anderem auch von den „Ultras Martin“ und, wahrscheinlich interessanter, den „Ultras Brno“.
Mit Spielbeginn bot Slovan eine kleine Zettel-Choreografie, die aber nichts wirklich Besonderes war. Spartak konterte mit einem kurzen Spruchband „CIRCUS SLOVAN“, bunten Luftballons sowie der liebevollen Behandlung einer Slovan-Fahne. Ansonsten beließen es beide Fangruppen zu Beginn bei Gesangsduellen, Schalparaden und Hüpfaktionen; es ging ganz nett hin und her. Nur in der zehnten Spielminute machte die Gästekurve eine kurze Pause – der Abwehrmann Dobrotka erzielte das erste Tor des Spiels. Mitte der Halbzeit verabschiedeten Görti und ich uns dann von der Haupttribüne und verdrückten uns in die eigentliche Heimkurve. Dort war es übersichtlicher und -schaubarer. Anschließend gab es auch den ersten zaghaften Einsatz pyrotechnischer Erzeugnisse vor dem Spartak-Block. Zwei Breslauer Feuer wurden entfacht, wobei allerdings die Beobachtung, dass ein Fan kurzerhand durch das Fluchttor schlüpfte um sie in die richtige Position zu bringen, unterhaltsamer war, als die Feuerchen an sich.
Mit Beginn der zweiten Hälfte gab es die nächste größere (und gelungenere) Aktion der Hauptstädter zu bestaunen. Auf der Tribüne wurden schon während der Pause weiße und blaue Stoffstreifen verteilt, die nun bei einer Schalparade gezeigt wurden. Aus der Distanz hatte das schon was; sah ganz gut aus. In der Gästekurve wurde unterdessen ein „TRNANSKY STAT“-Transparent am Zaun befestigt; in schwarz gehalten mit durchsichtigen Lettern. Und dann war es soweit. Die Fahne wurde mit Fackeln, Breslauer Feuern und Blinkern beleuchtet und weißer Rauch stieg auf, auf dem Zaun stand der Capo in kämpferischer Pose und dazu brachiale Schlachtrufe – durch und durch eine gelungene Aktion. Der Elan der Kurven übertrug sich nun auch auf das Spielfeld, wo zwischen den Minuten 70 und 80 das Spiel entschieden wurde. Zunächst erzielte der gerade eingewechselte Vaculik mit seinem ersten Ballkontakt den Ausgleich. Der Jubel unter der rot-schwarzen Anhängerschaft war immens, aber nicht von Dauer. In der 76. Minute konnte Slovan durch Slovák – im Übrigen ein Slowake… – erneut in Führung gehen. Zum Jubeln blieb dem Europapokalsieger von 1969 allerdings nur wenig Zeit. Bereits im Gegenzug erzielte Barcik unter gütiger Mithilfe von Slovan-Torhüter Kiss seinen fünften Saisontreffer. Drei Minuten später machte es ihm sein Mannschaftskamerad Kozuch gleich. Nach einer scharfen Hereingabe von links konnte auch er sein persönliches Torkonto auf fünf schrauben. Der Jubel und die Begeisterung bei den Gästen waren nun unbeschreiblich. Der ganze Block flippte völlig aus. Die komplette Mannschaft sprang über die Banden zur Fankurve, Fans liefen ihnen entgegen und jubelten gemeinsam. Den Hauptstädtern war das blanke Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Sie hatten ihre Führung nach vier Minuten nicht nur verspielt, nein, sie waren auch in Rückstand geraten. Die letzten zehn Minuten lebten nun nicht allein von ihrer Spannung, auch beide Anhängerschaften versuchten nochmals ihre Mannschaften zum Tor zu schreien; Chancen gab es auf beiden Seiten noch, Tore hingegen nicht.
Der erlösende Schlusspfiff sicherte Spartak drei Punkte im Kampf um den dritten Tabellenplatz, der zur Qualifikation um die europäischen Wettbewerbe berechtigt. Die Meisterschaft war schon in weite Ferne gerückt, die beiden Mannschaften von Zilina und Artmedia hatten bereits 15 bzw. 16 Punkte Vorsprung. Slovan spielte nach dem dritten Platz in der letzten Spielzeit in dieser Saison jenseits von Gut und Böse. Die verlorenen Punkte schmerzten allein des Gegners wegen.
Nach den Feierlichkeiten der Tyrnauer auf dem Rasen, ging es geschlossen in die Kurve, wo die Mannschaft frenetisch gefeiert wurde. Das war wirklich alles sehr nett anzusehen; sehr emotional und ausgelassen; sowohl Fans als auch Spieler. Letzter Höhepunkt des Fußballabends war schließlich noch der Gang der Siegermannschaft zurück in die Katakomben. Der Eingang zu den Kabinen lag direkt vor dem heutigen Heimblock. Als erstes trieb es Babacar Niang zurück, den afrikanischen Abwehrspieler, der erst in der Winterpause nach Trnava gewechselt war und in den zurückliegenden neunzig Minuten eine mehr als solide Partie abgeliefert hatte. Während des Spiels hatte dieser schon mit völlig sinnfreien Affengeräuschen zu kämpfen, die nun wieder aus dem blau-weißen Block erschallten. Die Reaktion Niangs war einmalig. Jubelnd und klatschend, eine Spartak-Fahne durch die Luft schwenkend tanzte er vor dem Block in die Kabine. Kusshand hier, Kusshand da – allerbest! Slovans Schwachmaten waren nun natürlich völlig am Abdrehen. Die Polizei musste nun schon etwas resoluter dagegenhalten, damit das weite Stadionrund unbefleckt blieb. Das gelang ihr auch ganz gut; aber seit dem Anpfiff hatte sie schon die Möglichkeit gehabt sich darauf vorzubereiten. Eine Spielfeldbegrenzung von der Tribüne aus war praktisch nicht vorhanden. Wie bereits angedeutet waren auch die Fluchtore im Gästeblock nicht verschlossen. Trotz dieser Vorzeichen blieb es im Stadion bei körperlosen Auseinandersetzungen. Zu Babacar Niang gibt es übrigens eine kleine, aber feine Geschichte: Auf der offiziellen Homepage des Vereins wird als sein Geburtsdatum folgender Tag angegeben: 1. Januar 1990…
Nachdem auch der Rest der Mannschaft ganz ähnlich wie Mannschaftskamerad Niang die Treppen zu den Kabinen hinabstieg und dabei von allerlei Wurfgegenständen begleitet wurde, machten auch wir uns von dannen. Ein kurzer Gang hinter den Gästeblock brachte keine großartigen Einblicke oder gar Erkenntnisse mehr; alles war hermetisch abgeriegelt. So kehrten wir zügig zum geparkten Auto zurück und zehn Minuten später waren wir wieder im Hostel am Rand der Altstadt.
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Das Hostel war im Grunde ganz nett. Trotz Hauptstadtzuschlag lag es preislich völlig im Rahmen. Bis in die Altstadt waren es zu Fuß bei langsamem Schritt zehn Minuten und wem das nicht gefiel, der konnte es sich am Abend auch in der hauseigenen Kneipe gemütlich machen. In diversen Internetbewertungsforen schnitt die Herberge nicht ganz so gut ab, immer wieder las ich zuvor, dass es schmutzig sei, laut und überhaupt – seltsam. Völliger Humbug das ganze. Einen dicken Pluspunkt konnte es zudem sammeln, da uns der hauseigene Internetanschluss wunderbare Neuigkeiten aus der Heimat übermittelte: die Nachkommen der großen SG Wismar Süd hatten die Stadt ohne Sehenswürdigkeiten im Landespokalhalbfinale grandios besiegt. Hansas Auswärtsniederlage schenkten wir keinerlei Beachtung…
Die slowakische Hauptstadt war uns nicht mehr völlig neu. Deshalb verzichteten wir am Abend auch auf eine Besichtigungstour, verschoben diese auf den nächsten Vormittag und schlenderten stattdessen durch die „Vergnügungsmeile“ Bratislavas auf der Suche nach einer Wirtschaft, um Piroggen zu essen, Topvar zu trinken und Knack zu spielen. Cousin Martin kannte eine äußerst gemütliche Pub-ähnliche Schenke, in der wir all dies zur vollsten Zufriedenheit tun konnten. Nach ein paar Stunden rief dann aber unser Bett und so machten wir uns auf zurück ins Hostel. Aus dem Schlendern war mittlerweile ein Schwanken geworden, was dazu führte, dass wir nach unserer Ankunft trotz aller Vorsätze doch auch noch einmal in die heimische Kneipe einkehrten und es uns an einem der hinteren Tische gemütlich machten. Es wurde eine äußerst spaßige Fortsetzung des Abends für uns drei. Es gab einfach zu viele Menschen dort, über die vor allem Cousin Martin und ich herzhaft lachen konnten. Oberflächlich und dumm wie das Teufelszeug uns gemacht hatte…
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