Ein Sieg der Fans

  • Habe ich gerade per mail bekommen ... poste es aber nicht weil ich Werder Anhänger bin, sondern weil es glaub ich allen Fussballfans aus der Seele spricht!!!


    Ein Sieg der Fans

    Besondere Entwicklungen erfordern besondere Würdigungen. Im Mittelpunkt steht heute: Werder Bremen. Denn DIE Nachricht des vergangenen Wochenendes war, dass das Weserstadion weiterhin Weserstadion heißt.


    Wer heutzutage ein Bundesligaspiel besucht wird von allen Seiten erdrückt. Umbenannte Stadion, Sponsorensitzblöcke oder Fankurven. Die Restspielzeit wird Ihnen präsentiert von der Seltsam AG und diese Ecke wird (unterstützt von einem akustischen Jingle) präsentiert von der Firma Dumichauch. Jeder freie Quadratzentimeter im Stadion ist irgendwie zugeklebt mit einem Sponsorenlogo und inzwischen kostet es eine satte sechsstellige Summe ein Bundesligastadion beispielsweise für ein Champions-League-Spiel herzurichten.


    Leertrinken oder wegschütten


    In den Stadien mit zentraler Getränkeversorgung, wie zum Beispiel auf Schalke, müssen die Reste Veltins leergetrunken oder weggeschüttet werden, damit für ein Nationalspiel Bitburger durch die Leitungen fließt. Die ARD-Sportschau besteht zu gefühlten 80% aus Werbung oder Präsentationsjingles. Fangesänge vor dem Spiel werden durch die Beschallung bestellter Animateure niedergemacht und so manche Choreographie der Fangruppen wird bestenfalls noch geduldet. Aber nur wenn durch Fahnen oder Transparente die VIP-Plätze in ihrer Sicht nicht beeinträchtigt werden. Ein Sponsor ruft nach einem Tor auch schon mal an, aber nicht um zu gratulieren, sondern um darauf hinzuweisen, dass die Werbebande durch eine Fanfahne verdeckt war. Hat ein Sponsor den „Man of the match“-Wettbewerb ausgelobt, wird auch schon mal der blindeste gewählt, nur damit das werbewirksame Foto in die Zeitungen kommt und nicht eins mit dem pickeligen 18-jährigen, der sich soeben auf dem Platz zerrissen hat.


    Das letzte Hemd


    Auf den VIP-Tribünen lungern Menschen rum, eingeladen von irgendwelchen Firmen, weil sie verdiente Mitarbeiter oder gute Kunden sind, ohne wirkliches Interesse am Geschehen auf dem Platz, während draußen vor dem Stadion Fans stehen, die ihr letztes Hemd für eine Stehplatzkarte mit schlechter Sicht geben würden So manche Firma würde eben auch eine Loge in einer Kunstturnhalle kaufen, wenn das denn die Volkssportart Nummer 1 wäre. In Österreich werden einfach die Vereinsfarben gewechselt weil es Red Bull als Sponsor so gefällt und in England gehen Klubbesitzer, die wahrscheinlich niemandem die Abseitsregel erklären können, hin und verlegen den angestammten Verein einfach in eine andere Stadt.


    Blatter ist doof


    Und auch die Fifa spielt mit: ist es doch verboten, das ein Spieler nach einem Tor in die Kurve rennt und sich ein, zwei Schritte auf den Zaun begibt um hautnah den Lohn für seine Tat einzusammeln: den Applaus. Und das Shirt darf er auch nicht mehr ausziehen. Es könnte ja auf dem Unterhemd eine Parole stehen: Blatter ist doof, oder so. Dieses ganze Szenario wird immer konterkariert durch den Anspruch und die Hoffnungen der Fans, dass ihre Mannschaft möglichst guten Fußball spielen möge und vielleicht auch mal einen Titel erringt. Das ist natürlich nur mit Geld machbar, keine Frage. Aber in diesem Zusammenhang oute ich mich gerne: ich bin stolz auf Werder Bremen, dass es ihnen gelungen ist, den notwendigen Ausbau des Weserstadions ohne Namenssponsoring hinzubekommen.


    Vor Bewunderung und Dankbarkeit


    Unser Wohnzimmer am Osterdeich bleibt auch in Zukunft das Weserstadion. Haben wir zu Beginn der Saison noch fassungslos den Kopf geschüttelt, als unsere Geschäftsführung verkünden musste, dass es für den großen Wurf zum Ausbau des Stadions nicht reicht, weil die Kosten 50% höher sind, als ursprünglich angenommen, so neigen wir jetzt vor Bewunderung und Dankbarkeit unser Haupt vor Manfred Müller und seinen Kollegen. Ich werde auch nie wieder meckern, wenn ich den Beginn der zweiten Halbzeit nicht mitbekomme, weil ich zu lange gebraucht habe um ein Bier zu besorgen. Lieber durstig im Weserstadion, als gut versorgt in der Schüco-Arena oder im Playmobil-Stadion.


    Ein Sieg der Fans


    Werder hat ein eindeutiges Zeichen gesetzt. In diesen Tagen, wo die DFL doch tatsächlich die TV-Eigenproduktion der Berichterstattung von der Bundesliga plant um sie dann vorgefertigt an einen Bezahlsender zu verkaufen, was nichts mehr heißt, als das kritische Berichterstattung tabu ist und wir wahrscheinlich gefühlte 70% Sendezeit über Bayern München zu sehen bekommen, weil sie angeblich den größten Marktanteil bescheren. In diesen Tagen, wo es ernsthaft droht, das wir am Wochenende nicht mehr drei, sondern fünf oder sogar noch mehr Anstoßzeiten bekommen, und wo im Raume steht, dass die Spiele nicht an einen, sondern an mehrere Pay-TV-Sender verkauft werden, so dass man auch mehrer Abos kaufen muss, will man alles sehen, haben die Fans in Bremen sich ein Stück ihres Fußballs erhalten. Und Werder hat völlig zurecht Rücksicht auf die große Tradition in Bremen genommen. Da kann man nur applaudieren. Der Fußball gehört uns und wir sollten alle miteinander aufmerksam sein und aufpassen, dass uns unser Fußball nicht noch weiter genommen wird. Werder wird auch in Zukunft das eine oder andere Spiel verlieren. Aber die Fans haben einen Sieg errungen, den sie den Dortmundern, Schalkern, Bayern und wie sie alle heißen vor raus haben. Wir haben einen Verein, der auf unsere Befindlichkeiten Rücksicht nimmt und das ist gut so.

    "Am besten grätschen wir die Brasilianer schon bei der Hymne weg" --- Torsten Frings

  • Meinen Glückwunsch! Aber solch einen "Luxus" können sich halt nur finanziell gesunde Vereine leisten, die schon seit Jahrzehnten intelligent und vorausschauend wirtschaften. Und davon gibt es in Deutschland nur 2.

  • Übernehme einfach mal mein Posting aus dem Stahl-Forum zum selben Thema:


    Vielen in diesem Text stimme ich zu. Wenngleich er für mich sehr anachronistisch ist. Etliches, was dort beschrieben steht, lässt sich leider nicht mehr realisieren. Fußball ohne Sponsoren ist heutzutage nicht mehr durchführbar, selbst in der 2. Kreisklasse nicht. Wenn man einen Gast in der VIP-Loge hat, der sich null für das Spiel interessiert - aber aus Werbezwecken 500.000 € im Jahr gibt, ist das absolut okay. Ebenso ist es okay, dass es bei Toren Werbeeinspielungen von Sponsoren gibt. Diese Fans, die sich darüber aufregen, sollte man mal fragen, ob sie das lieber hinnehmen, oder auf all das verzichten wollen, dafür aber mittelfristig nur noch Oberligafußball sehen wollen. Ich glaube, dass die Mehrheit sich für den sportlichen Erfolg entscheiden würde und lieber die Auswüchse des Kommerzes hinnimmt, um konkurrenzfähig zu sein.


    Zum Stadionnamen: Ich denke, dass es von Werder ein geschickter Schachzug ist, den Namen beizubehalten. Zum einen, weil es der Verein momentan nicht nötig hat. Er steht sehr gut da, spielt in der Champions League und die Millionen fließen. Zum anderen, weil es sich in den letzten Jahren herausgestellt hat, dass die Preise für Namensrechte immer mehr in die Höhe schnellen. Wenn der Name z.B. erst in 3 Jahren verkauft wird, lässt sich damit - für den gleichen Zeitraum - das Doppelte oder Dreifache verdienen. Ich möchte es aber mal erleben, dass Werder sich zwei Jahre nicht für einen internationalen Wettbewerb qualifiziert. Dann ist der Verkauf des Stadionnamens bestimmt kein Tabu mehr. Bevor man die Wettbewerbsfähigkeit riskiert (und damit auch Verluste in Zuschauer-, Sponsoren- und Fernseheinnahmen), nennt man lieber das Stadion um und kassiert die Kohle, um die Mannschaft zu verstärken.


    Außerdem: Ich denke, dass Werder sich momentan zu diesem Schritt entschlossen hat, um bei den Fans wieder verlorenen Boden gut zu machen. Wie wichtig den Vereinsoberen traditionelle Werte und Faninteressen wirklich sind, haben sie gezeigt, als krampfhaft das Orange als "Modefarbe" in das Corporate Design des Vereins aufgenommen wurde. Da gab es zahlreiche, erbitterte Auseinandersetzungen. Die begannen mit Stadionverboten und endeten damit, dass das "No!range"-Trikot nicht verkauft werden durfte. Und das Orange ist immer noch da. Soviel also zum Thema Rücksichtnahme auf die Befindlichkeiten der Fans...

  • Man, hab ich ein Glück, dass ich in der 3. und 4. Liga zu Hause bin bzw. es im Frauenfussball eben nicht solche Scheiße gibt, wie in der 1. Männerliga. Es gibt eben doch noch guten Fussball, der aus mehr als Werbung besteht. Und nur, weil es Vereine wie Bayern oder Schalke vor machen, heißt das noch lange nicht, dass es auch gut so ist. Damit schaden diese Vereine dem Fussball in Deutschland enorm, denn andere Vereine ziehen wegen des finanziellen Drucks nach. Und ich sage noch einmal, ich bin froh, dass es noch guten, spannenden Oberligafussball gibt, ich weiß nicht, warum man sich den nicht ansehen sollte. :support:

  • Ganz genau Polfgang. Und wie zu beobachten ist, boomt nicht nur die Bundesliga, sondern seit Jahren auch die unteren Ligen. Derzeit hat man in Deutschland mittlerweile fast an jedem Wochenende Oberligaspiele mit mittleren vierstelligen Zuschauerzahlen. Vor Jahren noch unmöglich. Der "echte" Fußball wird auch wieder angenommen, und die Leute kehren wieder dahin, wo sie herkommen. Bundesliga boomt im Stadion. Und der Rest schaut nicht Premiere, sondern geht ins Stadion zum lokalen Amateurverein.

  • Das Leben verläuft in Zyklen und irgendwann wird die Karawane der Reichen und Schönen sich einen neuen Spielplatz außerhalb des Fussballstadions suchen. Die Bundesliga wird ihren Zenit was Zuschauerzahlen und Sponsoren angeht auch bald erreicht haben, auch wenn es noch ein bisschen hin ist.

  • Im Großen und Ganzen ist es dem normaldurchschnittlich Fussballinteressierten doch Schnurtz, was für ein Heckmeck im Umfeld des eigenen Vereins passiert. Da wird kurz gemeckert, und dann wird sich der Tagesordnung gewidmet !


    Die Dummen werden immer die wahren Fans sein, die für den Verein leben. Leider stellen die dann die Minderheit, auf die immer seltener Rücksicht genommen wird. Warum auch, sie sind ja so "verrückt" und laufen trotz alledem wieder ins Stadion. ;)


    Dass es bei Werder anders läuft, freut mich sehr, wird aber eine Seltenheit darstellen.




    Und wenn wir alle ehrlich sind, an der Mathematik kommen wir einfach nicht vorbei.