:olympia: 2006
Quelle: Sportbild
Diese Männer machen Olympiasieger !
Ohne das Wachs-Team könnte kein Langläufer des DSV um Gold mitlaufen. Die Helfer arbeiten mit Methoden wie in der Formel 1 -und gefährlich ist der Job auch.
Von Kai Psotta
Giftiger Qualm steigt auf, als Uwe Bellmann (43) das Bügeleisen aufsetzt. 135 Grad zeigt die digitale Anzeige. Eine Plexiglasmaske, durch einen Schlauch mit einen Luftfilter verbunden, schützt ihn vor den beißenden Dämpfen.
Das Bügeln von Langlaufskiern ist gefährlich. Trotzdem muß Bellmann es machen. Er ist Cheftechniker des deutschen Langlauf-Teams. Nur wenn er das richtige Wachs auf die Skier aufträgt, können Evi Sachenbacher, Axel Teichmann und Co. siegen. "Das richtige Material entscheidet über acht Plätze", sagt Bellmann. Und Sachenbacher fügt an: "Wenn du gewinnen möchtest, muß das Material passen."
Im Skilanglauf geht es zu wie in der Formel 1. Kommt es dort aber auf Aerodynamik, Motorleistung und Reifen an, sind hier folgende Kriterien entscheidend: Auswahl des Ski, Schliff und das Wachsen.
Für alle Bedingungen - Neu-, Alt- oder Kunstschnee - gibt es spezielle Modelle. Und: Das Techniker-Team muß den richtigen aus etwa 15 Schliffen finden. "Das ist mit der Reifenwahl in der Formel 1 vergleichbar", sagt Bellmann. Da gibt es Slicks für trockene Bedingungen und Reifen mit tieferen Rillen für Regen. Auch beim Langlauf sind bei nassen Bedingungen tiefere Schliffe nötig. "Bei uns ist die Bandbreite an Auswahlmöglichkeiten sogar noch größer", sagt Bellmann.
Allein die Schleifmaschine kostet 80000 Euro und wiegt über drei Tonnen. Für Olympia in Turin wird sie extra nach Pragelato gebracht, wo am 12. Februar die Langlaufwettbewerbe beginnen. Mit bis zu 1000 Umdrehungen pro Minuten prägt ein Schleifstein ein Muster in den Ski.
Bevor die Skier gewachst werden können, der nächste Schritt Richtung Top-Material, müssen sie vermessen werden. Dabei wird mit einem speziellen Gerät der Bereich markiert, auf den später Steigwachse aufgetragen werden.
Das funktioniert so: Jeder Klassik-Ski ist in der Mitte leicht gebogen. Nur wenn sich der Läufer abdrückt, wird der Bereich um den Fuß auf den Schnee gedrückt. Und dort wird ein sogenanntes Steigwachs benötigt. Seine Wirkung: Bei Druck verzahnen Ski und Schnee miteinander, der Athlet kann sich besser abstoßen. Am vorderen und hinteren Ende werden dagegen Gleitwachse aufgetragen. Sie machen das Material schnell.
150 verschiedene Wachssorten umfaßt die Palette: 60 Gleit- und 90 Steigwachse. Einige für Kalt-, andere für Neu- oder Naßschnee. Außerdem unterscheiden sie sich je nach Temperatur und Feuchtigkeit.
Bis zu 120 Euro kostet eine 30-Gramm-Tube. Die reicht gerade für das Präparieren von vier Paar Skiern. Der gesamte Wachsetat liegt bei 30 000 Euro pro Jahr.
Zur Auswahl des richtigen Wachses untersucht Bellmann dann mit einer Lupe die Beschaffenheit des Untergrunds - wie Sherlock Holmes. "Schnee ist nicht gleich Schnee", sagt er. "Nuancen sind immer anders." Zudem blickt er ständig aufs Thermometer. Denn jeder Temperaturanstieg verändert den Schnee.
Der Clou: Die Techniker geben dem Athleten am Ende nicht nur ein Paar Skier mit auf den Weg, sondern eine Auswahl von meist sechs Paar. Zusammen mit den Sportlern wird dann getestet, welche Kombination am besten funktioniert.
Für Rennen im klassischen Stil dauern diese Tests dreieinhalb Stunden, für Skating-Rennen halb so lang. Grund: Für das Skaten werden nur Gleitwachse gebraucht, weil sich der Athlet wie beim Schlittschuhlaufen mit der Kante nach außen abstößt.
"Techniker haben einen Knochenjob«, sagt Bundestrainer Jochen Behle. »Es gibt Tage, an denen müssen die Jungs zaubern." Dann nämlich, wenn das Wetter kurzfristig umschlägt. "Das absolute Horrorszenario", sagt Bellmann.
Seit er 1999 Cheftechniker wurde, hat er mit seiner Materialauswahl nur selten falsch gelegen. "Ich hatte erst ein einziges Mal einen richtig schlechten Ski", sagt Sachenbacher. "Das kann man verzeihen." 20 Prozent ihres Weltcup-Preisgeldes gibt sie aus Dankbarkeit freiwillig an das Techniker-Team ab.
Die Qualität des Teams, das mit Kombinierern und Biathleten zusammenarbeitet, zieht sogar Spione an. So wollte der Ex-Skisprung-Bundestrainer Wolfgang Steiert, nachdem er das russische Team übernommen hatte, deutsches Fachwissen haben. "Er wollte für die Russen schleifen lassen", sagt Bellmann. Der Versuch flog auf, Steiert vom Gelände, die Spionage wurde verhindert.
Leider gibt es für diese erbrachten Leistungen kein Edelmetall :naja: