Beiträge von lepetit

    ... Du eine eigentümliche Auffassung von Fußball hast. Wenn man gegen eine Mannschaft spielt, die sich 90 Minuten mit mindestens 9 Feldspielern hinten reinstellt und diese Taktik nicht mal merklich ändert, wenn das 1:0 für den Gegner fällt und dann trotzdem sicher mit 2:0 gewinnt, spricht das aus meiner Sicht schon für die Stärke einer Mannschaft.
    Dass Optik sehr defensiv spielen würde habe ich ja erwartet, dass sie aber so destruktiv auftraten, war dann doch enttäuschend.
    Und das Thema Spitzenmannschaft ja oder nein sollte man auch eher am Ende der Saison oder zumindest nach der Halbserie besprechen. Aus meiner Sicht wird Nulldrei jedenfalls immer besser, bei jetzt vier Siegen in Folge und Platz drei ist es auch müßig zu fragen ob das Niveau mal besser war. Im Übrigen passt man sich mit der Leistung auch immer ein bisschen dem Gegner an. Und wenn ein Spiel so einseitig abläuft und durch die Enge im Strafraum klare Torchancen Mangelware sind, drückt das schon die Attraktivität nach unten.
    Schönen Tag noch.
    lepetit
    www.stehplatz-ermaessigt.de

    Ich war in Neustrelitz.
    Ich habe das Spiel gesehen.
    Ich kann schreiben.
    Mi diesen drei Zutaten habe ich mir einen Spielbericht aus den Fingern gesogen.
    Viel Spaß beim lesen!
    lepetit
    www.stehplatz-ermaessigt.de



    Das ist doch alles zum Kotzen


    14.09.2003, 14:00 Uhr
    Harbig- oder Parkstadion, Neustrelitz


    Zuschauer: 800 (ca. 300 aus Babelsberg)


    Aufstellung TSG Neustrelitz:
    Doss - Kushnir - Störr, Rochow, Nowack - Richter (ab 76. Berthold), Bohorodichenko, Zelm, Brügmann - Trebbin (ab 80. Schulz), Strübing


    Aufstellung SV Babelsberg 03:
    Rauch - Bengs, Benthin, Kraljevic - Neumann (89. S.Moritz), Löhr, P. Moritz, Lücke (89. Novacic) , Kindt (46. V. Lanza-Carriccio) - Pantios, Röver


    Tore: 0:1 Röver (37.), 1:1 Trebbin (43.), 1:2 P. Moritz (69.), 1:3 Röver (89.)


    Gelbe Karten:


    Stadiongefühl: Wald, Hügel, wilde Tiere (oder waren es doch nur Polizisten in Kampfanzügen?). Eine schöne Anlage ohne Schlange am Imbiss. Trotzdem frage ich mich, wo da die angeblich 6000 Zuschauer gegen den BFC waren. Das Spielfeld ist übrigens nur durch ein Geländer von den Traversen getrennt.


    Fanblock: Ja, es gab einen. Habe ich jedenfalls auf den Fotos vom Grinser gesehen. Zu hören waren sie allerdings nicht. Nach dem Ausgleich wurde jedoch nicht mit Applaus gespart. So wollen wir es doch haben.


    Bericht:
    Es waren wohl einfach zu viele Kurven. Oder es war alles zu aufregend. Wir waren schon kurz vor dem Stadion, als mein Sohn plötzlich rief: „iih, Janis kotzt ins Auto!"
    Und er hatte nicht übertrieben. Janis hatte gekotzt. Also Wagen gestoppt, Auto und Janis notdürftig geputzt und anstrengend gelauscht, ob vielleicht der eine oder andere Ton aus dem Stadion zu hören ist. Janis entschuldigte sich noch kurz, dass wir zu spät zum Fußball kommen.
    Kurz gesagt, ein traumhafter Einstieg in das Erlebnis Fußball in Neustrelitz. Und wir haben nur die ersten Minuten verpasst, denn ich konnte die in anderen Spielberichten erwähnte erste Kopfballchance von Röver miterleben. Und die datierte wohl aus der zweiten Minute.
    Ich sah mich also inmitten vertrauter Leute in einem schön gelegenen Stadion, umgeben von Wald und einer steilen Westkurve, vermutlich jedenfalls.
    Unsere diesmal wieder in der schicken Auswärts-Ausgeh-Uniform angetretene Mannschaft bestimmte von Beginn an das Geschehen, ohne freilich die berühmten Bäume auszureißen. Insbesondere die „Achse des Guten" Löhr – Moritz – Pantios sorgte für Gefahr und ganz vorn lauerte Röver auf die Abpraller. Die Gastgeber standen eigentlich über die gesamte Spielzeit in ihrer Hälfte und suchten den Erfolg einzig in Kontern. Allerdings bereiteten sie der Babelsberger Hintermannschaft, insbesondere und eigentlich wie immer mit langen Bällen, einige Probleme. So entwickelte sich ein ziemlich einseitiger Kick. Gefahr für das Tor der an diesem Tage Blauen gab es immer dann, wenn mal schnell gespielt wurde. Dabei überzeugte vor allem die oben erwähnte Achse, während die Abwehr immerfort versuchte, Henne Lau mit langen Bällen anzuspielen. Nach 45 Minuten bemerkten sie dann, dass er verletzungsbedingt fehlte und ihre Pässe diesmal aus diesem Grund keinen Abnehmer fanden.
    Und wie das dann so geht, plötzlich stand es 1:0 für Nulldrei. Nach einer Ecke waren die Mecklenburger reichlich verwirrt und nach einem Schussversuch von Pantios stand ein Babelsberger Spieler, der erst aussah wie Röver, dann wie Neumann und in Wirklichkeit dann doch Röver war, knapp nicht abseits und köpfte den Ball in die Maschen.
    Die wabernde Masse der Babelsberger Fans jubilierte und steigerte den ohnehin überzogenen Alkoholkonsum an diesem Tage weiter. Es war nämlich in der Tat auffallend, dass (zu) viele der Gästefans reichlich Promille im Blut hatten. Dementsprechend war die Stimmung auf dem Rang eher mau.
    Als ich dann beflissen wie immer die freudige Nachricht den Lieben daheim auf modernen Kanälen zukommen ließ, geschah das Unvorstellbare. Gedankenversunken sah ich kurz auf, um eine treffende poetische Formulierung für die Führung zu finden (heraus kam dann: „1:0 für vor!" - scheiß T9!). Und was sah ich? So ein Neustrelitzer Frechdachs hatte den Ball und nur noch Rauch vor sich und besaß die Chuzpe, den Ball ins Tor zu schießen. Ich war benommen und empört. Nicht mal der bis dahin mit Fehlentscheidungen nur so um sich werfende Schieri versagte diesen Treffer. So gab es also einen Gleichstand.
    Nun stand mir die schwerste Aufgabe der gesamten Partie bevor. Unser Vorstandvorsitzender in spe, Prof. Dr. Lüscher, hatte sich in der Gewissheit der sicheren Führung ein (selbstredend alkoholfreies) Pils genehmigt und kam nun blass und sichtlich erschüttert zurück auf die Tribüne. Wie sollte ich es ihm sagen.
    Ich beschloss, die Sache geradlinig anzugehen und verkündete lauthals: „Lüschi (seine besten Freunde dürfen ihn so nennen, danke), es gab einen Gegentreffer und die Führung ist dahin."
    Ganz Weltmann ließ er sich nichts anmerken. Der gesamte Block hing nun natürlich an seinen Lippen und wartete auf die alles entscheidenden Worte. Und der Offizielle analysierte sofort messerscharf: „Da geht man sich mal ein Bier holen und dann so eine Scheiße. Aber weiter geht's." Sprach's und gesellte sich nach Wiederanpfiff unter die Anspornenden, um den bis dahin schleppenden Support zu forcieren.
    Als erfahrener Spielberichtsleser und Fußballauskenner wirst Du, lieber Leser, jetzt natürlich sofort wissen: In der ersten Hälfte ist nach dem Ausgleich nichts mehr passiert. Genau richtig.
    Der erste Paukenschlag ereignete sich nach dem Wechsel dann ausgerechnet direkt neben mir auf der Stehplatztribüne. Der offizielle Hofberichtserstatter von babelsber03.de traf ein und wurde mit einem herzlichen „Wo kommst Du denn her?" begrüßt. Er konterte mit der schläfrigen Mär eines um 5 Sekunden verpassten Zuges, der ihm eine Ankunft in Neustrelitz erst kurz nach der zweiten Stunde nach Mittag erlaubte.
    Mit triefender Nase zückte er zunächst ein kindskopfgroßes Diktiergerät, das allerdings den ersten Funktionstest nicht bestand. Fortan kritzelte er pausenlos geheime Schriftzeichen auf vergilbte Karteikarten. Dabei befahl ihm Meister Lüscher sogleich, er solle gefälligst keinen Spielbericht mit Minuten usw. schreiben. Unbeeindruckt setzte der Schreiberling seine Arbeit fort und notierte die Spielminuten in extra fetten Lettern.
    Daraufhin versuchte es der Chefredakteur mit Mobbing unterster Schublade. Er berichtete vom letzten Interview mit einem Nulldrei-Spieler, bei dem Mario unverhofft aus einem „faustgroßen" (Zitat Lüscher) Furunkel an der Nase „wie ein Schwein" (Zitat Lüscher) zu bluten begann. Herr Freidank drohte dem Vorstand daraufhin Schläge an. Nun war es soweit. Lüschi mischte sich unter die Ultras und ward nicht mehr gesehen.
    Unterdessen spielten unsere Götter auf dem Rasen weiter Fußball und setzten sich in der Hälfte des Löwen fest. Aus dem Spiel heraus gab es allerdings kaum wirklich zwingende Chancen. Auf der anderen Seite wurde unsere Abwehr zweimal aufs Einfachste ausgehebelt, doch die harmlosen Schüsse gingen drüber. Dann gab es einen der vielen Pfiffe des gelben Mannes. Freistoß für Nulldrei. Lüschi, der eigentlich gar nicht mehr neben mir stand, forderte Patti (P. Moritz, d.R.) auf, doch den Ball endlich mal ins Tor zu befördern. Und er tat ihm den Gefallen. Aus etwa 25 Metern schoss er den Ball mittig in die Maschen. Der Ball wurde wohl noch abgefälscht, jedenfalls sah der Keeper echt dämlich dabei aus.
    Nun folgt eine Formulierung aus dem Handbuch für Sportkommentatoren:
    Wer nun geglaubt hatte, Neustrelitz würde mit aller Macht auf den Ausgleich drängen, sah sich getäuscht. Zwar versuchten sie in der Tat, offensiv etwas zu bewegen, doch die Kräfte schwanden ihnen schon recht bald hinter der Mittellinie. Dennoch bot sich den Recken aus der Havelmetropole nun reichlich Platz zum Kontern, doch entweder dribbelte man sich fest (V. Lanza-Carriccio) oder man spielte schlecht ab (V. Lanza-Carriccio) oder man fiel in aussichtsreicher Position im Strafraum einfach um (V. Lanza-Carriccio).
    Übrigens kam in der zweiten Halbzeit unser kleiner weißbeschuhter Azzuro-Star V. Lanza-Carriccio für den im linken Mittelfeld überforderten Kindt (er ist ja bekanntlich auch Manndecker). Unser neuer Stürmer trat aber nicht in Erscheinung. So war es dem großen Enrico Röver vorbehalten, meine Orakeleien umzusetzen. Ich forderte nämlich regelmäßig das Fehlen des Kopfballungeheuers mit kurzen Ecken zu kompensieren. Ich wurde kurz vor Schluss erhört: Neumann auf „Patti", der überläuft noch einen Gegenspieler und flankt auf den langen Pfosten. Da hält Rövte seine Rübe hin und trifft, auch weil der Abwehrspieler im Stile eines Rüden das Bein hob.
    Erwähnenswert noch der folgende Kommentar des Stadionsprechers, der schon im Spielverlauf den einen oder anderen Kommentar zum Geschehen abgab und die Zuschauer zu Applaus aufforderte. Peinlich, peinlich.
    Hier nun exklusiv und ungeschnitten: „85. Spielminute, Tor für den SV Babelsberg durch den Spieler mit der Rückennummer 16 – Enrico Röver... kurze Pause... So meine lieben Zuschauer, nun spenden sie unserer Mannschaft noch etwas Applaus, vielleicht gelingt ja in den letzten fünf Minuten noch der Anschlusstreffer... Schlusspfiff durch den Schieri... oh, nun ist ja schon Schluss..."
    Das war es dann. Mit drei Punkten und Mario im Gepäck fuhren wir mit einem penetrant süßlichen Geruch in der Nase wieder nach Hause.
    Lepetit
    P.S.: Die Stadionwurst hat Janis ohne Komplikationen zu sich genommen.