Viele Mutmaßungen und Gerüchte, einiges wahres und noch viel mehr falsches über die Tradition des Dresdner SC ...
Als die SG Friedrichstadt 1950 zerschlagen wurde, wechselten die in Dresden verbliebenen Akteure zur SG Mickten. Lag ja auch nahe, Mickten bzw. Pieschen liegt nicht weit entfernt und die SG Mickten war damals nach der SG Friedrichstadt die Nummer 2 der Stadt, sportlich und fantechnisch. Aus der SG Mickten wurde über die Stationen BSG Sachsenverlag, BSG Rotation, SC Einheit und FSV Lokomotive der neue DSC. Es besteht also sehr wohl eine traditionelle Linie vom alten zum neuen DSC. Aber auch, wenn dies nicht so wäre, wichtig ist, dass es überhaupt einen DSC wieder gibt bzw. geben darf. Was von 1950 bis 1990 geschah, ist mir mittlerweile ziemlich egal, mit Recht und echtem Fußball hatte es jedoch nichts zu tun ... Dynamos DDR-Meisterschaften sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen ...
16. April 1950
Am letzten Spieltag der DS-Liga unterliegt die SG Friedrichstadt (wie immer mit DSC-Fahne auf dem Trikot) der ZSG Horch Zwickau (heute FSV Zwickau) mit 1:5 vor über 60000 Zuschauern im Heinz-Steyer-Stadion im Ostragehege. Weitere 40000, die nicht mehr ins Stadion durften, warteten vor den Eingängen. Obwohl das Spiel erst um 15:30 Uhr beginnen sollte, war die Arena bereits um sechs Uhr morgens überfüllt. Viele Fans übernachteten vor dem Stadion, um sich einen Platz zu sichern. Auch waren gefälschte Eintrittskarten im Umlauf. Auf dem Schwarzmarkt kostete ein Ticket 100 DDR-Mark, ein damals unvorstellbar hoher Preis. Der Schiedsrichter hatte, wie später nachgewiesen wurde, von den DDR-Funktionären den Befehl bekommen, für Zwickau zu pfeifen. Aufgrund des offensichtlichen Betruges fanden nach Spielschluss im Stadion die größten Ausschreitungen in der Geschichte der noch jungen DDR statt. Der letzte Deutsche Meister, ein bürgerlicher Verein, hätte unter keinen Umständen erster DDR-Meister werden dürfen. Den Friedrichstädtern blieb nur die Vizemeisterschaft. Die angekündigten Medaillen dafür haben die Spieler bis heute nicht erhalten. Die Krawalle nehmen die DDR-Politiker zudem als willkommenen Grund, Stadion und Mannschaft zu sperren. Walter Ulbricht persönlich verspricht, "den alten DSC-Geist mit Stumpf und Stil auszurotten". Die Erinnerung an große Zeiten sollte ausgelöscht werden. Mannschaftskapitän Helmut Schön wurde für ein Jahr gesperrt. Schon Wochen vor dem Spiel gegen Zwickau hatten sich die meisten Spieler der SG Friedrichstadt dazu entschlossen, nach West-Berlin zu flüchten und bei Hertha BSC 1892 Berlin zu spielen. Aus Trotz gegen die staatliche Willkür rückten die Spieler noch enger zusammen. Sie besannen sich auf die großen Sport-Club-Traditionen, wollten den Namen DSC erhalten und fassten den Entschluss, gemeinsam im Westen als Mannschaft weiterzumachen. Als Hertha BSC/DSC Berlin wurde die Saison 1950/51 gespielt. Bei der Flucht der Mannschaft hatte auch der jüdische Kaufmann Ignatz Bubis aus Berlin, ein DSC-Fan, tatkräftig mitgeholfen. Man trennte sich, als Hertha die Buchstaben DSC wieder aus dem Namen strich, obwohl fast nur Dresdner aufliefen. Die Spieler wechselten nach Heidelberg. Am 30. April 1952 (54. Geburtstag des DSC) fusionierte man mit der TSG 1878 Heidelberg zum Dresdner SC Heidelberg. Erst am 28. Juni 1968, als schon lange keine Dresdner mehr in Heidelberg spielten, fusionierte der DSC Heidelberg mit der Freien Turnerschaft Heidelberg (gegründet am 9. Oktober 1902) zum Heidelberger SC. Die SG Friedrichstadt selbst durfte nicht weiter existieren. Laut Staatsmacht sollten sich deren Reste der Betriebssportgemeinschaft der Vereinigten Volkseigenen Betriebe Tabak Dresden (gegründet am 1. Juni 1910 als Dresdner SV 1910 durch Zusammenschluss von vier sogenannten wilden Vereinen aus Striesen, Blasewitz, Tolkewitz und Laubegast, im Mai 1933 von den Nazis verboten und aufgelöst, am 22. Juni 1945 neugegründet als SG Striesen, 1948 bis 1949 ZSG Nagema Dresden, ab 1952 BSG Empor Tabak Dresden, am 27. Juni 1990 Rückbenennung in Dresdner SV 1910, dessen Fußballabteilung sich im Juni 1991 als SG Dresden-Striesen selbstständig machte) anschließen. Tabak-Vereinsvorsitzender Otto Nagel, ehemaliger Spieler des Dresdner SV 1910, war aber aus historischen Gründen gegen die Verpflanzung. Auch ein Versuch des ehemaligen DSC-Vorsitzenden Alwin Weinhold, die Friedrichstädter als Dresdner Sport-Centrum (DSC) unter der Trägerschaft der Deutschen Reichsbahn spielen zu lassen, wird von den Kommunisten im Keim erstickt. Schließlich schließen sich die verbliebenen Spieler der zweiten Mannschaft, die Nachwuchsspieler und einige Trainer der Sportgruppe Mickten (1901 gegründet als FC Bayern Dresden, ab 1903 FC Brandenburg Dresden, 1920 Fusion mit dem FC Meteor Dresden zum SV Brandenburg 1901 Dresden, 1933 Fusion mit Rasensport Dresden und Ring-Greiling Dresden, von 1902 bis 1930 Dresdner FC Fußballring, zu Dresdner Sportfreunde 01, 1945 SG Pieschen, ab 1946 SG Mickten, zudem 1946 Gründung der SG Neustadt, ab 1950 BSG Bau Union Süd Dresden, ab 1952 BSG Aufbau Dresden-Mitte, am 4. Mai 1990 Rückbenennung in Sportfreunde 01 Dresden, Ende 2001 Fusion mit dem SV Dresden-Nord zu Sportfreunde 01 Dresden-Nord) an. Da der Aufstieg der SG Mickten in die DDR-Oberliga zu diesem Zeitpunkt noch nicht abzusehen war und Dresden nach dem Willen der politischen Machthaber einen Erstligisten haben sollte, wurde im Juni 1950 die SG Deutsche Volkspolizei Dresden (ab 12. April 1953 SG Dynamo Dresden, seit 1. Juni 1990 1. FC Dynamo Dresden ins Leben gerufen. Zu diesem Zweck wurden im Juli 1950 17 Spieler aus elf Städten nach Dresden delegiert.
1. Mai 1950
Die SG Mickten, Nachfolgerin der SG Friedrichstadt, fusioniert mit der Fußballabteilung von Sachsenverlag Dresden zur Betriebssportgemeinschaft Sachsenverlag Dresden. Spielstätte wird das Stadion an der Eisenberger Straße, später Paul-Gruner-Stadion genannt. Die Vereinsfarben sind Schwarz-Weiß. Im August 1950 muss sich die BSG Sachsenverlag Dresden in Betriebssportgemeinschaft Rotation Dresden (seit 1990 TSV Rotation Dresden) umbenennen.
21. November 1954
Gründung des Sportclub Einheit Dresden im Moritzburger "Gasthof Adam". Neue Heimstätte wird das Rudolf-Harbig-Stadion (1957 Rückkehr ins Ostragehege). Die Vereinsfarben sind Rot-Weiß. Teile der Fußballabteilung (1. und 2. Mannschaft sowie der Leistungsbereich der Junioren) der BSG Rotation Dresden wechselten zum SC Einheit als Fußballabteilung.
6. Januar 1966
Die Fußballabteilung des SC Einheit Dresden muss sich als Fußballspielvereinigung Lokomotive Dresden selbstständig machen. Das westliche bürgerliche Kürzel FSV wird dem Verein dabei erst nach längerem Hin und Her zugestanden. Vereinsfarben des von der Deutschen Reichsbahn unterstützten Vereins werden wieder Rot und Schwarz. Im Gegensatz zu anderen DDR-Städten kam es nicht zur Bildung eines Fußballclubs. Die DDR-Führung hatte Angst, ein "1. FC Dresden", gegründet als Fusion der Fußballer von SC Einheit und SG Dynamo, könnte mit dem von ihnen verhassten Dresdner SC in Verbindung gebracht werden. Die Fusionspläne wandern in die Schublade.
5. August 1968
Auf Anordnung der DDR-Sportführung wird die SG Dynamo Dresden zum Fußballleistungszentrum des Bezirkes Dresden erklärt. Dadurch ist die FSV Lokomotive Dresden jetzt auch offiziell dazu verpflichtet, sämtliche Talente an die SG Dynamo Dresden abzuführen. Der endgültige Sturz des DSC-Nachfolgers in die sportliche Bedeutungslosigkeit ist fortan nicht mehr aufzuhalten.
31. März 1990
Nach der politischen Wende darf die Rückbenennung des SC Einheit Dresden in Dresdner Sportclub 1898 erfolgen. Die DSC-Fahne und die Vereinsfarben Schwarz-Rot erleben ihr schon nicht mehr für möglich gehaltenes Comeback. Am 1. Juli 1990 tritt die FSV Lokomotive Dresden dem Dresdner SC 1898 als Fußballabteilung bei. Die SG Dynamo Dresden sollte dem neuen DSC auch beitreten, aber dort zeigte man, egoistisch und selbstsicher wie seit jeher und noch nicht angekommen in der neuen Zeit, kein Interesse, wollte seine eigene "Tradition" erhalten und gründete den 1. FC Dynamo Dresden.
Mein Fazit zum Jahr 1990: Damit wurde der Dresdner Fußball wohl für alle Zeit gespalten und der sogenannte "1. FC Dynamo Dresden" mit seiner unrühmlichen Tradition wird damit leben müssen, dass er wegen seiner Vergangenheit (oder besser Existenz ...) in Friedrichstadt gehasst wird und trotz seines Erfolges niemals die Rückendeckung aller Dresdner haben wird ...
Gott schütze den Dresdner Sport-Club von 1898!
Und für "Dynamo": Nie Deutscher Meister, Ihr werdet nie Deutscher Meister, nie Deutscher Meister ...