Trainerabgang und Fan-Randale
FUSSBALL / Scherbenhaufen 1. FC Union
Fußball ist ein sehr schnelllebiges Geschäft. Manchmal verlieren selbst die handelnden Personen den Halt bei rasanter Fahrt. Dienstag, 18 Uhr, sagte Dirk Zingler, der 1. FC Union Berlin werde definitiv an Werner Voigt festhalten. "Wir hatten zwei Trainer mit verschiedenen Systemen und gewinnen trotzdem nicht", betonte der Präsident des Regionalligisten: "Das zeigt, dass es nur an der Mannschaft liegt." Knapp 28 Stunden später war alles nur noch Makulatur. Zingler lief verärgert durch das Mommsenstadion, wo der 1. FC Union 0:2 im Landespokal-Achtelfinale dem Oberligisten Tennis Borussia unterlegen war. Die Schmach werde "Konsequenzen haben", kündigte er an. "Pico" Voigt kam einer Beurlaubung zuvor - und reichte noch Mittwochnacht seinen Rücktritt ein. "Ich trage vor allem Verantwortung für den Verein", sagte Voigt, der erst seit 27. September Cheftrainer war: "Die Spieler haben nichts begriffen von dem, was ich ihnen gesagt habe."
Auch die Situation im Umfeld war da bereits eskaliert. 15 verletzte Polizisten, 15 Festnahmen, 25 Strafanzeigen, demolierte Autos, brennende Müllbehälter - so lautete die Bilanz der Ordnungshüter nach den Randalen rund ums Stadion. Schon während der Partie waren Leuchtraketen abgeschossen worden.
Köpenick ist ein einziger Konfliktherd angesichts des finanziellen (13,2 Millionen Euro Schulden) und sportlichen Niedergangs. Voigts Bilanz ist dabei noch fataler als die seines Vorgängers Frank Wormuth. Nur ein Sieg gelang ihm in neun Punktspielen. Das peinliche Pokal-Aus schmerzt den Verein obendrein finanziell: Die 50 000 Euro für das Erreichen des DFB-Pokals sollten helfen, das Etatloch von 600 000 Euro zu stopfen. Nun steht Union ratlos vor dem Scherbenhaufen. Alles haben sie versucht: Erst einen einfühlsamen Trainer mit Jugendkonzept, dann einen Drillmeister. Es sei eine Mär, wonach der erste Trainer kein Geld für erfahrene Akteure bekommen hätte. Vielmehr habe sich Wormuth dagegen gesträubt. Nun steht Aussage gegen Aussage.
Der Regionalliga-Vorletzte will jetzt nachträglich handeln. "Wir werden in der Winterpause einen größeren Schnitt machen als bisher angenommen. Spieler, die keine Leistung bringen können oder wollen, werden ausgetauscht", sagte Zingler und erklärte, Union verhandle auch mit Kickern, die in der zweiten Liga nicht zum Zuge kommen: "Da gibt es einige, die zu uns kommen wollen."
Als nunmehr vierter Spieler in dieser Runde wurde gleichzeitig der Brasilianer Emerson suspendiert. Vorerst bis Jahresende. Der Stürmer, den Voigt gegen Kritiker im Verein als Neuzugang durchgesetzt hatte, ist in der Kabine gegenüber Trainer und Mitspielern ausfallend geworden. Das bestätigte Lothar Hamann, 52, der Interimstrainer, den auch Schwindelgefühle ereilen müssen, so rasant schlüpft er in verschiedene Rollen. Bis Juni war er Scout, dann ab dieser Saison Sportlicher Leiter - und nun betreut er zusammen mit Co-Trainer Holger Wortmann das Team für das letzte Spiel vor der Winterpause am Sonnabend beim Wuppertaler SV.
Derweil läuft die Suche nach einem neuen Mann. Spätestens zum Trainingsstart am 3. Januar sollte er verpflichtet sein. Gehandelt wird Edmund Stöhr, der einst mit Sachsen Leipzig erfolgreich war und viel Kredit bei Vermarkter Michael Kölmel besitzt.