„Weißt Du noch, vor 35 Jahren kam ein Baby angefahren, ohne Hemdchen ohne Schuh -
Moppel-Oese, das warst Du.“
In so einem Alter setzen sich die Ersten zu Ruh, genießen ihre Rente
oder machen eine Weltreise. Ganz so weit sollte es für mich nicht gehen,
aber zu fünft in nem PKW kommt eine Reise nach Belgien auch einer
Weltreise nah. Um kurz nach Sieben schellte an meinem Ehrentag der
Wecker. Ein Quartett entfernter Bekannter erwartete mich bereits am
blauen Fabia-Blitz. Fabia kommt im Übrigen aus dem Lateinischen und
bedeutet Bohne. Nomen est omen? Nachdem sich unser Fahrer bei Dr. Herber
noch den Rücken einrenken ließ, ging es schon mit halber
Sputnik-Geschwindigkeit Richtung Brüssel.
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Bei Fussball-, Brandenburg-und Musikquiz verging die Zeit wie im
Steigflug von Felix Baumgartner. Zusätzlich gab es Cowboy-Melodien für
die Cowboy-behutete Truppe. Brüssel erwartete uns mit sagenhaften 17
Grad: Fritten raus, is' Sommer! Nach einer Stärkung mit den
überbewerteten Kartoffelstäbchen und einem Abstecher zum wahnsinnig
imposanten Grote Markt inkl. "Manneken Pis" machten sich die fünf
Freunde Julian (Henner), Dick (Oese) und Anne (Neffi), Georg (Henning)
und Timmy der Hund (Perle) zum Stadion des FC Brüssel auf, das
Abendspiel der zweiten belgischen Liga stand auf dem Plan.
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Für 15 Euro durfte das marode, aber mit morbidem Charme gesegnete
Edmond-Machtens-Stadion ohne jegliche Kontrolle betreten werden. Auf den
Tribünen in Belgien sind Getränke und Essen verboten, so hielt man sich
teilweise in den Katakomben des Betonwerks auf. Die Qualität auf dem
Platz ließ zu wünschen übrig und Oostende führte nach 70 Minuten mit
0:2, ehe kurz vor Schluss Aalhoul mit seinem 5. Saisontor verkürzen
konnte. Der Pöbel auf der Heimseite feuerte die junge Truppe nochmals
an, es blieb aber beim knappen Auswärtssieg für die Jungs von der Küste.
Nomen est omen – Part II?
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Nachdem Neffi die allerletzte Frage bei seinem „Wer wird
Millionär?“-Spiel beantwortet hatte und danach mit dem Zustellbett
zusammengebrochen war, sanken wir in einen kurzen Schlaf, wartete doch
Aachen auf uns.
Überpünktlich, da es in Brüssel kein adäquates Café gab, erreichten wir
das Prunkstadion der Dritten Liga – den neugebauten Tivoli. Für 50 Mio.
Euro wurde dort ein echtes Schmuckstück aus dem Boden gestampft, der
allerdings in keinem Verhältnis zur sportlichen und finanziellen
Situation der Alemannia steht. 1,7 Mio Euro Miete pro Saison kann sich
nicht jeder Drittligist leisten. Dank unserer Lounge-Tickets genossen
wir leckere westfälische Spezialitäten und hatten einen wunderbaren
Blick auf Spielfeld und Gästeblock, welcher sich nach kurzer
Kartenpreisnachlassdiskussion mit ca. 100 Nulldreier_innen gefüllt
hatte.
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Zum Spiel: Unsere Babelsberger Truppe begann forsch. Schon nach drei
Minuten konnte Aachens Keeper Flekken gerade so noch vor Heil klären.
Auf der Gegenseite schnibbelte Schumacher einen Freistoß weit über das
Tor von Sascha Studer, der den rot gesperrten Freddy Löhe gut ersetzte.
Eventuell hätte er in der 8. Minute lauter „LEO“ rufen müssen: Touré
netzte nach einer Aachen-Ecke relativ unbedrängt in den eigenen Kasten
ein. Scheiße! Wer aber nun dachte, dass unsere in Rot gekleideten Jungs
den Kopf in den sandigen Rasen stecken würde, wurde eines Besseren
belehrt. Nur eine Minute später kam Müller nach einer Flanke von der
linken Seite zu einer riesigen Möglichkeit, doch sein Kopfball ging
knapp links vorbei (9.). Die nächste gute Gelegenheit hatten allerdings
wieder die Gastgeber: Marquets Freistoß flatterte knapp an Studers
Kasten vorbei (17.). Oliver Heil hätte nach zwanzig Minuten den
Ausgleich besorgen können, doch Flekken parierte. Zehn Minuten vor Ende
der ersten Hälfte hatte Kreuels das 1:1 auf dem Fuß, doch wieder findet
ein Nulldreier in Flekken seinen Meister (35.). Nur sechzig Sekunden
später verzog Heil knapp. Das Remis wäre jetzt mehr als verdient
gewesen, denn von Aachen kam in der Phase spielerisch nichts. Auch von
den Rängen des Tivolis kam wenig Anfeuerndes: Der Aachener Anhang beließ
es bei Pöbelgesängen und öden Schmähungen – peinlicher, homophober
Dreck. Dass ich ein Hurensohn bin, verneinte meine Mutter beim gestrigen
Telefonat, diesen Karriereweg hatte sie zum Unwissen der kreativen
Aachener Fans nicht eingeschlagen.
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Keine sieben Minuten waren im zweiten Abschnitt gespielt und es stand
endlich 1:1 – nach einem Kreuels-Freistoß netzte nun Murakami
unnachahmlich ins eigene Tor ein (52.). Aachen war mehr als geschockt,
die Babelsberger Führung lag in der Folgezeit in der Luft: Kragl tauchte
frei vor Flekken auf, aber der beste Alemanne verhinderte Schlimmeres
(54.). Zwanzig Minuten vor Ende der Partie zappelte das Leder plötzlich
in Studers Kasten, ich rief „Scheiße“ und gleich darauf „JA“ – der
Schiedsrichter hatte eine Abseitsstellung erkannt – guter Mann.
„JAAAA!!“ konnte ich nach endlosen Schlussminuten, in denen die Aachener
nochmals aufdrehten und zu diversen Möglichkeiten kamen, doch noch
einmal brüllen: In der 89. Minute zirkelte der eingewechselte Essig
einen Freistoß traumhaft ins linke Eck. Riesiger Jubel im Gästeblock,
riesiger Jubel bei fünf Exil-Logenplatzguckern (vergl. Bonzen, die) und
ganz, ganz viele Aachener mit Flunsch.
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Vielen Dank an die Jungs, mit denen ich diesen tollen Kurztrip machen
durfte, an unsere Kellnerin Lena aus dem Tivoli, an die Mannschaft und
an meine Eltern, ohne die dieser 35. Geburtstag nicht möglich gewesen
wäre. Euer Oese
Alemannia Aachen: Flekken, Wilschrey, Brauer,
Murakami, Strujic, Drevina, Heller, Schumacher (87. Pozder), Andersen
(14. Garcia; 66. Kefkir), Marquet, Thiele
SV Babelsberg 03: Studer, Touré, Berzel (75. Koc), Reiche, Groß (86. Mihm), Kragl (83. Essig), Hebib, Evljuskin, Kreuels, Müller, Heil
Tore: 1:0 Eigentor Touré (8.), 1:1 Eigentor Murakami (52.), 1:2 Essig (89.)
Gelb: Brauer, Schumacher
Zuschauer: 8711
03er: ca. 100