Einen Punkt gerettet und den Sieg verschenkt (HSV II - HFC 1:1)

  • Für die Reise nach Norderstedt muss ich mal wieder weiter ausholen. Eigentlich hatte ich mich (ein wenig) auf das reisefreie Wochenende gefreut, schließlich lag man 5 Zähler hinten und rechnete mit nem lockeren Zieleinlauf vom Favoriten Kiel. Doch mit Hebes und Markus Toren an der Förde musste wieder der Rechenschieber und die Reiselust ausgepackt werden. Nach den Siegen gegen Babelsberg und Hansa II war der Ausflug zu den kleinen Hamburgern praktisch Pflicht.


    Am Samstag folgte die fußballerische Einstimmung mit dem Kick zwischen Sangerhausen und der II. vom HFC. Ein Auge auf den "Bölli" und eins nach Wolfsburg geschmissen - die kleinen Magaths halfen mal wieder kräftig mit und trennten sich von Holstein 1:1. Das gleiche Ergebnis gabs übrigens auch im Verbandsligamatch. Der VfB Sangerhausen ging zeitig mit 1:0 in Führung und hielt sich fortan zurück. HFC macht das Spiel ohne große Chancen in der 1.Hälfte - die folgten erst nach dem Pausentee. Doch zwei mal stand die Latte im Weg und so blieb es beim 1:1. Egal, das Glück brauchen wir eh für die Regionalliga. Ungewöhnlich war das Selbstbewusstsein der Rot-Weißen Anhänger, in einer Blitzumfrage am Samstagnachmittag hätte man nicht einen Zweifler am Aufstieg in Liga 3 gefunden. Scheinbar ist das Vertrauen in Kiels Unfähigkeit unermesslich groß.


    Sonntagmorgen ging es gegen dreiviertel Neun los. Mit einer Mütze Schlaf genoss ich die Vorteile eines Beifahrers. Die Autobahnen und der Elbtunnel zeigten sich gnädig, anscheinend will uns gar keiner mehr aufhalten. Auf der A7 flatterten mehrere Rot-Weiße Schals und Fahnen an den Autos und Parkplätzen, die Richtung war klar vorgegeben. Kurz nach 12 Uhr kreuzte man in Norderstedt, am Nordrand Hamburgs auf. Ich hatte bereits das zweifelhafte Vergnügen die neue Heimatstadt von Hamburgs Amateuren Jahre zuvor kennenzulernen. Direkt neben dem Edmund-Plambeck-Stadion befand sich die Heimat des 1.SC Norderstedt. Da man in erster Linie auf Nahrrungssuche war und der 1.SCN über ein sehr ordentliches, beschauliches Clubhaus verfügte, machte man dort halt.


    Während man so auf das Essen wartete, hauten sich auf fünf Sandplätzen sich die Akteure die Bälle um die Ohren. Dabei kamen die verschiedensten Fragen auf. Sollte man vielleicht doch zum Tennispublikum konviertieren, kriegt man für nen Tennisplatz auch Groundpunkte oder wie würde der Satz zwischen den aufopferungsvoll fightenden Spielern vor unserer Nase ausgehen? Nach einem Bier (Wittinger Premium, war mir auch neu) und der festen Beilage waren die Fragen unbeantwortet vom Tisch und man wandte sich wieder dem Edmund-Plambeck-Stadion zu. Wie schon bei der Bewirtung – man wurde praktisch von jedem SCN-Mitglied persönlich begrüßt – erwiesen sich auch die Nordlichter am Stadion als hilfsbereit. Das Stadion selber ist ganz nett anzusehen. Ins Auge fällt die Tribüne, die über die gesamte Breite überdacht ist Der Rest ist eher spartanisch, aber das ganze dennoch sympathisch. Adli Lachheb traf man im Trainingsanzug am Spielfeldrand, Alex Gröger sollte ihn ersetzen. Marco Hartmann brachte das Kunststück fertig sich nochmal im Abschlusstraining zu verletzen. Ich denke er zählt die Verletzungen inzwischen selber nicht mehr. Jens Werner sprang für den gesperrten Philip Schubert ein: ich nehms vorweg ohne großen Erfolg. In Halbzeit eins oft überfordert, in der zweiten Hälfte reingebissen und das Spiel halbwegs zu Ende gebracht. Bei dem HSV standen insgesamt fünf Spieler aus dem (erweiterten) Kader der Ersten auf dem Feld, allerdings brachten sie es zusammen nur auf 14 Bundesligaeinsätze in der laufenden Saison.


    Das Spiel fing gleich mit einem Paukenschlag an: Eric Choupo-Moting prüfte nach nicht mal 60 Spielsekunden Darko Horvat. Gegenseite: Thorsten Görke zieht aus 20 Metern ab, ungefährlich. Nun ging es weitgehend auf ein Tor: auf Darkos. Rafael Kazior hämmert aus 18 Metern drauf ... Horvat, Max Beister tanzt die HFC-Defensive aus... links vorbei. Christian Groß bedient Dani Schahin... Horvat. Eingabe von links: wieder Beister, wieder links vorbei. Es vergehen 40 Minuten, HSV stürmt, was ist los HFC? 40.Spielminute: Ecke Chemie. Görke legt sich den Ball zu recht, Jan Benes verpasst, geklärt... zur Ecke. Görke legt sich den Ball zu recht, Flanke auf Markus Müller, Kopfballablage auf Pavel David... drüber. Die 45.Spielminute läuft. Gerrit Pressel (HSV II) legt sich auf der rechten Seite den Ball zu recht, er steht gefühlt schon im Toraus. Doch Pressel jagt den Ball quer durch den Strafraum, vorbei an Horvat doch Müller steht da wo ein Torjäger oder Abwehrspezialist stehen muss, rettet das Pausenremis: 0:0.


    Beim Abstiegskandidaten einen Punkt ermauern, das hatte man sich anders vorgestellt. Babelsberg hatte mit den Rothosen ein halbes gemacht, ein halbes Dutzend sogar beim 6:1-Erfolg. Doch dieser HSV an diesem Sonntagnachmittag wirkte nicht abschussreif, kombinierte gut, traute sich viel zu. Eine der besten Gegner in der RL-Saison. Ein Einheimischer spricht von der besten Halbzeit der HSV-Reserve gegen einen Spitzenreiter, war der HFC tatsächlich schon erster? Erstmal ging es zur Imbiss-Bude. In dem Zusammenhang muss ich noch ein Appell an die Gastgeber loswerden.


    Liebe Hamburger, Schleswig-Holsteiner, Fischköppe und was ihr sonst so seid,
    ich weiß es ist populär auf der Thüringer Bratwurstwelle mitzuschwimmen und jedes gegrillte Produkt in Zusammenhang mit dem grünen Bundesland in Deutschlands Mitte zu bringen. Aber egal was ihr in eure Würste auch macht, es wird nie eine „Original Thüringer Bratwurst“, „Bratwurst Thüringer Art“ oder „Thüringer Rostbratwurst“ - sowie es die Schilder verkünden - werden. Schreibt doch einfach Wurst, Fleisch oder Roster (was immer das auch ist) hin – aber Thüringer Produkte vom Grill wird es bei euch nie geben.


    Köhler wurde in der Pause wohl etwas lauter, die Überraschungself der Saison kam mit Schwung aus der Kabine, der innerhalb von Minuten verpuffte. Offensiv kam wieder nur Hamburg zur Geltung. Tunay Torun schießt erst links vorbei, flankt wenig später auf Schahins Kopf... Horvat ist zur Stelle. Joker Timo Kunert ballert drüber. Pressel nimmt mal wieder Maß... Darko wehrt zur Ecke ab. Köhler muss was tun, bringt mit Maik Kunze, Ronny Hebestreit und Thomas Neubert gleich drei Stürmer und etwas Bewegung in das lahme Offensivspiel. Der Sturmlauf der Hamburger ist vorbei, doch die HFC-Offensive findet nur selten statt. 64.Spielminute Nico Kanitz flankt auf Hebestreit, der verfehlt das Tor. Immerhin ist man nicht mehr eingeschnürt aber die HSV-Deckung steht.


    Knapp 80 Minuten sind rum, Görke spitztelt das Leder zu Kunze. Der verliert den Ball kämpft im Liegen weiter und bedient wieder Görke. Der wird attackiert und lässt sich ausgerechnet mal nicht fallen, sondern geht dem Ball hinterher. Von der Eckfahne schickt er das Runde in den Strafraum. Jan Benes, den es seit einigen Minuten nicht mehr in der Viererkette hält, lässt den Ball durch, denn hinter ihm steht jemand besser postiert. Thomas Neubert schließt direkt ab; Wolfgang Hesl im Tor – sieht den ersten HFC-Torschuss des Spiels erst auf sich zu und danach an sich vorbeifliegen... direkt ins TOOOOOOOOOOOOOR!!


    Thomas Neubert schreit die Euphorie heraus, ca. 400 Hallenser feiern ausgelassen. Ein paar zugereiste Störche gucken fassungslos auf das Spielfeld und die imaginäre Tabelle vor ihren Augen. Thorsten Görke sitzt mit hochgerissenen Armen immer noch an der Eckfahne, der Zaun des Plambeck-Stadions wird über seine Belastungsgrenzen hinaus strapaziert. Köhler wird später sogar noch gefragt, ob er Angst hatte. Der Sachse kann sich ein Grinsen kaum verkneifen und spricht von positiver Begeisterung. Halle feiert seine Helden, wir schauen uns ungläubig an: geht das wirklich? Die hinterletzte Grütze spielen und am Ende der gefeierte Held sein?


    Fünf Minuten später geben die Rothosen darauf die Antwort. Zwar versucht der HFC mit Offensivaktionen den HSV vom eigenen Tor wegzuhalten, aber mit schnellem Kombinationsspiel und der individuellen Klasse von Dani Schahin schlagen Hamburgs Nachwuchstalente zurück: 1:1. Kiel und Hamburg jubeln unisono. Fünf Minuten noch, doch die einzige Minichance von Kunze verfehlt das Tor. Verdient war es sowieso nicht, aber der HFC will auch nicht verdient aufsteigen, er nimmt auch jeden anderen Aufstieg. Die etwas pingelige Bibiana Steinhaus (man könnte meinen, dass sie mädchenhaft pfiff) lässt es nach etwa 90 Nachspielsekunden dabei bewenden. Für fünf Minuten bejubelten die Saalestädter die Tabellenführung, jetzt frohlocken die Holstein-Anhänger. Einzelne skandieren nun „Spitzenreiter“.


    Köhler lobt Hamburgs Qualitäten, was soll man auch anderes machen, wenn der Gegner dominiert? Cardoso freut sich über das Comeback seines Teams nach der Babelsberg-Klatsche. Doch er ist trotz der Chancenverhältnisse mit dem Ergebnis hochzufrieden. Das ist auch Adli, der einen gewonnen Punkt sah. Ich weiß noch nicht so richtig, was ich denken soll. Der Liveticker verrät, dass Plauen und Babelsberg sich herangekämpft haben und ausgleichen. Plauen muss vor dem letzten Spieltag den Klassenerhalt perfekt machen, Herthas Übermut muss gebremst werden.


    Aufbruch nach Hause, Enttäuschung und Freude kämpfen eisern weiter gegeneinander an. Mit 1.100km ist die vorerst letzte weite Auswärtsfahrt überstanden. 21 Uhr klingelt mein Handy, ein aufgebrachter HFC-Fan redet sich den Frust von der Seele. Will unbedingt aufsteigen, ich sehe das ganze inzwischen gelassener – Resignation kann ich gar nicht mehr spüren. Die Mannschaft hat alles gegeben, spielt weiterhin ganz oben mit. Gefeiert wird gegen Plauen am 7.Juni auf jeden Fall, ob als angehender Drittligist und DFB-Pokalteilnehmer oder als „Lucky Loser“, das werden die nächsten drei Wochen klären. Fest steht: Ich werde da sein und die 11 Rot-Weißen Helden hochleben lassen, komme was wolle.


    Spielbericht


    Hamburger SV II - Hallescher FC 1:1 (0:0)
    Tore: 0:1 Neubert (80.), 1:1 Schahin (85.)
    Zuschauer: 825
    HSV II: Hesl - Ndjeng, Schulz, Leschinski, Pressel - Choupo-Moting (46. Kunert), Kazior, Torun, Groß - Beister (67. Rados), Schahin
    HFC: Horvat - Werner, Gröger, Kamalla, Benes - Finke, Görke - Re. Stark (58. Hebestreit), David (58. Kunze), Kanitz (78. Neubert) - Müller

    R.I.P. Fußball: TeBe Berlin, SSV Reutlingen, Eintr. Bamberg, RW Essen, Bonner SC, Waldhof Mannheim, SpVgg Weiden, SSV Ulm, 1.FC Kleve, LR Ahlen, Sa. Leipzig, Germania Windeck, TuS Koblenz, VfL Kirchheim, Borea Dresden, GW Wolfen, Türkiyemspor, Kickers Emden, 1.FC Gera, Eintr. Nordhorn, RW Kemberg, Germania Schöneiche, VfB Lübeck, OFC Kickers, Wuppertaler SV, FC Oberneuland, MSV Duisburg... [to be continued]