Der Gefoulte soll selbst schiessen!

  • Ich stells einfach hier mit rein:


    Sportpsychologe Bernd Strauß über den Abstiegskampf


    "Die mentale Stärke wird entscheiden"


    Abstiegskampf - Nervenkampf: Mehr als die Hälfte der Bundesliga-Klubs muss vor dem 28. Spieltag um den Erhalt der Liga zittern. Wie hoch ist die Nervenbelastung für die Spieler, wie gehen sie damit um? Fragen an Sportpsychologe Prof. Dr. Bernd Strauß von der Universität Münster.


    Herr Strauß, gibt es einen Unterschied hinsichtlich der nervlichen Belastung im Abstiegskampf zum Titelrennen?


    Bernd Strauß: Vom Grundsatz her nicht. Im Abstiegskampf geht es allerdings um den Erhalt von Arbeitsplätzen. Das ist schon existentieller und sicherlich eine höhere Belastung für die Spieler.


    Wie wirkt sich dieser nervliche Druck auf die Leistung aus?


    Strauß: Dieser hohe Druck kann sicherlich zu einer Minderung der Leistung führen. Es gibt aber auch Fälle, dass gerade die Drucksituation zu sehr guten Leistungen beiträgt. Das hängt mit der psychischen Hintergrundverfassung der Spieler zusammen. Mann muss selber immer an den Erfolg glauben.


    Wie kann ein Spieler, der mit seinem Team im Abstiegskampf steckt, das erreichen?


    Strauß: Da kommen wir zum Problem. Im Abstiegskampf werden die Fußballer nur sehr schwierig den Glauben an sich selbst - wir sagen im psychologischen Jargon: die Selbstwirksamkeitserwartung - stärken können. Diese entwickelt sich nämlich hauptsächlich aufgrund von früheren Erfolgen. Wenn gefährdete Mannschaften es nicht schaffen, Selbstwirksamkeitserwartungen aufzubauen, dann erleben sie den Druck von außen viel stärker, und die psychische Belastung ist erheblich.


    Wie können die Spieler dennoch dem Druck standhalten?


    Strauß:Wichtig ist, dass man im Spiel nicht an den Druck denkt und in seine Aktionen einfließen lässt. Wenn die Spieler in der Leistungserbringung über die Folgen ihres Tuns nachdenken, wird es schwierig für sie. Sie müssen versuchen, irrelevante Gedanken auszublenden, also zum Beispiel: Was passiert, wenn ich den Ball vorbeischieße oder was passiert, wenn die gegnerischen Fans mich auspfeifen.


    Wie können die Spieler das im Vorfeld steuern?


    Strauß: Da gibt er psychologische Praktiken, die trainiert werden können. Sie können beispielsweise Selbstgespräche mit speziellen Techniken blockieren. Das setzt aber voraus, dass sie es im Vorfeld üben, etwa mit einem Sportpsychologen.


    Wäre es empfehlenswert, jetzt im Abstiegskampf noch einen Sportpsychologen einzustellen?


    Strauß: Das wäre eine Feuerwehrgeschichte. Das würde in der Kürze der Zeit aber nichts bringen. Sportpsychologie ist ja kein Handauflegen. Eine kurzfristige Einstellung wäre nicht professionell, denn ein Sportpsychologe muss die Spieler gut und lange kennen. Es gibt ja keine Tipps und Tricks in der Sportpsychologie.


    Wie kann ein Trainer, die Köpfe der Spieler frei bekommen?


    Strauß: Auch hier gilt: Erstmal muss er die Mannschaft gut kennen. Das ist nicht gegeben, wenn er kurzfristig eingestellt wird. Deshalb ist ein Trainerwechsel für mich immer ein Glücksspiel. Der Trainer muss überflüssigen Druck und Erwartungen fernhalten und natürlich Erfolgserlebnisse vermitteln, zum Beispiel im Training. Bei Mainz hat es zeitweise gut geklappt. Da lief es nach der Winterpause wie ein Selbstgänger.


    Warum haben Mannschaften wie Aachen, Bielefeld oder Bochum in psychischer Hinsicht Vorteile im Abstiegskampf?


    Strauß: Weil in diesen Klubs die Erwartungen nicht so hoch sind. Spieler, Management, das Umfeld - alle wissen, es kommt immer mal zu wechselnden Ergebnissen. Während bei Vereinen mit höherer Erwartungehaltung viel mehr kritisiert wird als kritisiert werden müsste. Die Folge daraus sind dann häufig Panikreaktionen.


    Welche Mannschaft macht im Abstiegskampf den stabilsten Eindruck?


    Strauß: Das kann man überhaupt nicht sagen. Viele sind nervös, weil wir eine riesige Abstiegszone haben. Jeder Verein versucht natürlich, irgendwie aus der Klemme herauszukommen, manchmal auch mit unsinnigen Mitteln.


    Bleibt die Mannschaft mit den besten Nerven in der Liga?


    Strauß: Ich glaub schon, dass in diesem Jahr die mentale Stärke einen besonderen Stellenwert hat. Glück und Pech kommen auch noch dazu. Aber wir haben zwölf Mannschaften, die noch gefährdet sind und die man als gleichstark ansehen kann. Da kommt es ganz entscheidend - das haben auch Studien gezeigt - auf Dinge wie Selbstwirksamkeitserwartung an.


    Das Gespräch führte Jens Mickler.



    Stand: 13.04.2007, 11:22 Uhr