Für Leseratten - Tour D-CZ-PL-UA-Sk-CZ-SK-HU-RO-BG-YU-A-CZ-D

  • vorweg villeicht ein tipp - ausdrucken denn falls es zu epileptischen anfällen kommt übernehme ich keine pflegekosten!
    danken möchte ich mir und meinem lektor!



    Perfekt – die Vögel zwitschern, der Schnee türmt sich auf den Wegen und der Wecker zeigt Montag, den 20.03.2006, 4 Uhr an. Kurzes Wischi-Waschi und liebevoll meinen Reisepartner, der knappe 20 Kilogramm auf die Waage brachte, geschultert. Mit dem ersten Bus zum städtischen Hauptbahnhof und los konnte die Reise gehen – via Dresden und Praha nach Ostrava.
    Ursprünglich wollte ich zu dieser Zeit eigentlich schon im Zug nach Katowice oder aber im Auto aus Rumänien kommend sitzen, denn Plan A sah vor, schon am Freitag in Rumänien zu sein um dort bis Sonntag ein paar Spielchen zu schauen. Das Wetter ließ die Rumänen aber den Spieltag verschieben, weshalb Plan B entwickelt wurde: Am Freitag nach Lodz, am Samstag den polnischen Kohlenpott bewundern und am Sonntag das tiefste Ostpolen besuchen. Klarer Fall von „Denkste“ da die Polen aufgrund des weißen Hopperalbtraums auch nicht spielen wollten. Nun ja, dann eben Plan C! Dieser sah wie folgt aus: Chemnitz – Ostrava – Kielce – L’wiw – Kiew – Chmelnizki – Kirowograd – Harkiw – Zytomir – Nitra - Iwano Frankiwsk – Winnizja – Tscherniwzi – Uzgorod – Chemnitz. Da aber täglich das Planungstier grüßt, bescherte mir die UEFA-Cup Auslosung drei Tage vor Tourstart Plan D; Rapid Bucuresti kontra Steaua Bucuresti wollte und konnte man sich nicht entgehen lassen und da Sofia am Sonntag noch das ZSKA-kontra-Lewski-Derby bot wurde kurzerhand Plan D entworfen: Chemnitz – Ostrava – Kielce - L’wiw – Kiew – Chmelnizki – Kirowograd – Harkiw – Zytomir – Nitra – Budapest – Bucuresti - Baia Mare – Bucuresti – Sofia - Chemnitz. So solle es sein! Also Augen zu und kurz vor Ostrava wieder erwacht.
    Der Zug hatte Gott sei Dank 20 Minuten Verspätung, so dass der vereinbarte Termin mit Linke nicht mehr zu schaffen war. Aber wozu gibt es moderne Kommunikationsmöglichkeiten?! Schnell nen Text getippt und gemerkt, dass Linkes Nummer gar nicht mehr im Telefonbuch steht. Also ging es laufenderweise in die Innenstadt und von dort mit dem Bus den Berg rauf. Orientierungsschwächen sollten beim dritten Besuch von Banik eigentlich nicht mehr vorhanden sein...
    Vorm Stadion konnte Linke dann doch noch abgefangen werden und wie klein die Welt doch ist – der Budapester lächelte mich von der Tribüne aus an – oder war’s sein Bier?!


    20.03.2006: Banik Ostrava 0:2 Sparta Praha

    Stadion Bazaly - 1. Tschechische Liga


    Aufgrund der Kälte wurde das Spiel stehend von der Gegengeraden verfolgt. Banik mit ner Choreo zu Beginn, die ich aber wegen meines Standortes nicht sehen konnte. Sparta reiste mit ungefähr 40 Mann an, welche die ganze Zeit auch ganz gut abfeierten, eine kleine Choreo und ein bisschen Pyro boten. Von Ostrava war es stimmungsmäßig aber ganz mau, da hatte man diese in der Vergangenheit schon wesentlich besser gesehen. Wenigstens gab es noch Vorführungen tschechischer Pyro-Kunst zu bestaunen, so dass der Besuch nicht ganz umsonst war.
    Nach dem Spiel gab’s noch schnell ein Bierchen mit dem Budapester und anschließend ging es mit Linke zur Nahrungsaufnahme in die Innenstadt. Da ich die Lokalität wählen durfte entschieden wir uns für einen 5-Sterne Imbiss, den ich bei meinem letzten Besuch entdeckt hatte. Von dort ging es noch in eine Kneipe und wieder zum Bahnhof. Linke verabschiedete sich Richtung Deutschland und für mich galt es gepflegt bis 2 Uhr morgens abzuasseln. Der Fernsehraum bot bis Mitternacht Wärme und Unterhaltung, aber dann hieß es für den Rest der Zeit mit den Metallstühlen vorlieb zu nehmen. Nachdem ich endlich einen schlafähnlichen Zustand erreichte fuhr schon der Zug ein; also nichts wie rein. Glücklicherweise ist nicht Sommer, obwohl die Temperaturen dann natürlich weitaus angenehmer gewesen wären, so dass der Praha-Waszawa-Zug nicht von amerikanischen und japanischen Interrailer belagert war. Eigentlich wollte ich nur bis Zebrzydowice fahren, dort ein wenig abasseln und anschließend weiter nach Kielce, aber ein Blick aus dem beheizten Abteil in die unbeheizte polnische Winterlandschaft ließ mich schnell einen neuen Plan entwickeln: Vielleicht hatte man ja Glück und schafft es ohne Kontrolle bis Katowice... 15 Minuten vor Katowice betrat dann aber der PKP-Kontrolleur das Abteil. Ein wenig verschlafend tun, ihm das Ticket Ostrava-Zebrydowice geben um dann völlig aufgelöst zu gucken wenn er mir erklärt, ich sei zu weit gefahren – die Ausrede zog leider nicht ganz – 17 Zloty waren fällig. Da man diese natürlich nicht besaß, musste er mit tschechischen Kronen vorlieb nehmen...
    Da war man also mal wieder – es war viel Zeit vergangen seit meinem letzten Besuch – verändert hatte sich aber nichts: Katowice Glowny. Augen zu, den süßlichen Gestank der Pennen inhalieren und wissen man ist wieder hier. Die Zeit bis zur Weiterfahrt im Internet totgeschlagen, ging es schließlich mit dem Nahverkehrzug nach Kielce; Schlafdefizit beseitigen inklusive. Nach der Ankunft den Rucksack bei der Gepäckabgabe im Imbiss abgegeben und die Innenstadt erkundet; haut einen nicht so vom Hocker – da gibt’s in Ostpolen schönere.

    21.03.2006 Korona Kielce 0:0 Zaglebie Lubin

    Stadion na Szczepanianka – ½-Finale polnischer Pokal


    Nach dem ich unverschämte 25 Zloty für den Eintritt löhnte, ging es hinters Tor, da hier noch die meisten wärmenden Sonnenstrahlen zu erwarten waren. Kielce bot zum letzten Spiel im alten Stadion eine kleine schicke Choreo, dazu paar Bengalen – alles in allem schön anzuschauen. Der Support war in der ersten Hälfte teilweise sehr gut, was die Spieler auf dem Platz aber nicht beflügelte. Lubin enterte zur 30. Minute den Gästeblock und verzierte ihn mit ein paar ansehnlichen Zaunfahnen. Unterstützt wurden sie von Ruch Chorzow – diese Verbindung kannte selbst ich nicht. Sangestechnisch war aber außer „Zaglebie“ oder das lang gezogene „Ruch“ nichts zu vernehmen. Auf dem Platz spielten sich gruselige Szenen ab, aber daran konnte man sich mit Hinblick auf die noch kommende Spiele ja schon mal gewöhnen. Lubin brachte das 0:0 über die Zeit und zog so, nach dem 2:0 im Hinspiel, ins Pokalfinale ein.


    Nach dem Spiel ging es schleunigst – getrieben von der eisigen Kälte – zurück zum Bahnhof wo knappe drei Stunden Wartezeit anstanden – herrlich! Die örtliche Pennerszene bot keine Kunststücke, so dass man in Zines las, den Abfahrtsplan von Kielce studierte oder einfach nur da saß – Hoppen in Vollendung halt. Mit dem Zug ging es wieder ins „Wohnzimmer“ nach Katowice, um dort – richtig geraten – abzuasseln. Was sind schon drei Stunden – für einen erfahrenen Profi ein Kinderspiel. Ein Straßenmusiker verlegte sein Konzert von der Ulica in den Dworzec, so dass man Walkmanbatterien sparte. Da der Mann gar nicht mal so schlecht war, überlegte ich zum ersten Mal in meinem Leben zu spenden, aber der Magen forderte Nahrung und so wurde die letzten Zlotys dann doch in einen Hamburger investiert. Irgendwann kam dann auch endlich der Zug, so dass endlich fünf Stunden in der Horizontalen gewährleistet waren. In Przemysl ging es zum bereits bekannten Badezimmer hinterm Güterbahnhof. Dort vollzog ich mir eine Mundwäsche und einen Kleidungswechsel, inklusive Thermounterwäsche. Eine Passantin staunte nicht schlecht als da ein knackiger Typ um 6 Uhr in der Früh am Güterbahnhof in Boxershorts stand... Danach Busticket geholt und mal wieder gewartet. Und plötzlich spielte sich Kurioses auf der Straße ab: Aus dem Nichts stürmten drei Typen in einen kleinen Lebensmittelmarkt, während zwei weitere Deckung hinter einem Auto suchten. Gibt es hier die besten Bananen der Welt oder von 7.03 Uhr bis 7.04 Uhr Freisuff?! Die Auflösung kam in Form eines Bullenwagen um die Kurve gefahren – da waren wohl ein paar – Menschen – illegal auf das Gebiet der Europäischen Union gelangt...
    Die Befürchtungen den Bus betreffend wurden bei meiner Abfahrt dann Wirklichkeit: Ist dieser im Sommer schon ein Kühlschrank, war er heute eine Gefriertruhe. Nun ja, egal – man war ja glücklicherweise dick angezogen. An der Grenze dauerte es drei Stunden bis man jene passieren konnte, so dass mich L’wiw Awtowokzal erst gegen Mittag begrüßte. Mit dem Linienbus ging es dann Richtung Hauptbahnhof um sich dort ein Ticket für den 23-Uhr-Zug gen Kiew zu sichern. Dieser wäre erst gegen 10 Uhr in Kiew und ist der Billigste. Die Bahnangestellte gab mir aber zu verstehen, oder besser gesagt: nicht zu verstehen, dass dieser schon voll ist – verstanden hab ich es nachdem ein junger Mann unterstützend in den Prozess des Ticketkaufes eingriff. Also gab ich ihm zu verstehen, dass um 19.00 Uhr ein Spiel sei, dass ich sehen will. Er gab er diese Info der Verkäuferin weiter, welche mir als einzige Chance einen Zug anbieten konnte, der ne knappe Stunde nach Abpfiff fahren und zu allem Überfluss auch schon gegen 8 Uhr in Kiew ankommen sollte. Da es nicht anders ging wurden 26 Griwna bezahlt, der Rucksack abgegeben und mit Hilfe des jungen Mannes die Bushalte gefunden, von welcher der Bus zum Stadion fuhr. Ein kleiner Tipp für Nachahmer: Linie 29 hin und Linie 29a zurück. Natürlich fuhr ich zu weit gefahren, da das Stadion nicht gerade sichtbar emporragt. Also wieder Retour und Dank meines phänomenalen Russischwörterschatzes jemanden dazu gebracht beim richtigen Stopp mir ein Zeichen zu geben. Da das Spiel schon lange ausverkauft war, wurde gleich der erstbeste Schwarzmarkthändler angelabert: „50 Griwna!“ Ist doch richtig... 30 bekommst du bestenfalls (20 Griwna Originalpreis) – Einigung bei 35 Griwna.
    Beim nächsten Imbiss gab es die erste richtige Nahrungsaufnahme des Tages – zwei Hot Dogs – und dann gestärkt in die Altstadt. Diese hatte ich bisher leider nur in der Nacht erkunden dürfen, so dass ich diesmal nicht schlecht staunte wie groß und schön diese doch ist. Auf jeden Fall eine Reise wert – völliger Kontrast zu den sonstigen tristen postsowjetischen Städten.


    22.03.2006 Karpaty L’wiw 0:2 Dinamo Kiew

    Stadion Ukrajina – ½-Finale ukrainischer Pokal


    Im und vor dem Stadion war schon viel los: Viel Uniform, viele Tröten und noch vielere, nee, noch mehr Zuschauer. Die Anzeigetafel zeigte fünf Grad Celsius Plus an – möchte nicht wissen wie kalt es ist, wenn hier offizielle fünf Grad Celsius Minus gemessen werden. Zum Einlaufen der Teams auf den braunen Matschacker traute ich meinen Augen kaum, gingen doch im Heimsektor an die 10 Bengalen an. So etwas hatte ich in der Ukraine bisher noch nicht gesehen – dazu schien sich die Bullen dafür nicht einmal zu interessieren. Teilweise konnte man sogar von so etwas wie Stimmung sprechen, als die gesamten Heimfans das lang gezogene „Karpaty“ hervorbrachten. Der Dinamo-Mob war pünktlich zum 0:1 im Stadion. Die 1000 Mann waren gut am Ausrasten und im oberen Drittel gingen 15 bis 20 Bengalen an, die dann teilweise auf der nicht olympiatauglichen Laufbahn entsorgt wurden. Nun flogen von Seiten der Nachbarblöcke, unter dem wodkaverstärkten Gegröle der „Normalos“, erste Schneebälle in den Auswärtsblock. Daraufhin versuchten sich die Kiewer im Bengaloweitwurf, was die Polizei aber als gesetzeswidrige Sportart empfand und den Block stürmte. Kiew verteidigte sich mit Sitzschalen und Fäusten und konnte die Stellung halten. Die Polizei bildete nun einen Puffer, welcher sich bei jeglichem Anzünden von Pyrotechnik näher zum Auswärtsblock verschob. Irgendwann fiel dann das zweite Tor für die Gäste aus der Hauptstadt, worauf der Torschütze erst einmal vor den Schneeballattacken des Heimpublikums flüchten musste. L’wiw zündete ab und zu wieder Rauch und Bengalen und ich verzog mich fünf Minuten vor dem Ende Richtung Bus – man wollte ja sicher gehen.


    Der 29a-Bus stand auch schon abfahrtbereit an der Haltestelle, so dass ich endlich mal von einem guten Timing sprechen konnte. Kurz vorm Bahnhof raus, überlegte ich mir schon was es Leckeres vom restlichen Kleingeld (6 Griwna) zu Essen gibt, als sich die Blase zu Wort meldete. Also, wie schon oft, verzog es mich in eine dunkle Gasse, Hose auf, nen Strahl hinaus und weiter ging’s. Nach zehn Meter wurde das Weitergehen aber abrupt beendet – Spanner in Uniform hatten mich beobachtet. „Dokumenti?“ – Konnte er haben. Was ich hier mache? – „Tourist.“ Beim Rest seiner Fragen verwies ich auf den hinter uns liegenden „Bahnhof“. Nach dem dritten verzweifelten: „Ja ne ponimaju“, begriff auch dieser Dämel, dass ich ihn nicht verstand. Also Körperkontrolle – nur nicht so wie man es kennt, also einmal „Frontalkontrolle“ (Beine breit und Abklopfen), sondern diesmal zusätzlich auch von der Seite. Zuerst dachte ich mir ich sei Proband für die Körperkontrollen für die EM 2012. Aber beim Griff in die Arschtasche, wo mein Kleingeld lagerte, dämmerte es mir und ich wurde mir bewusst, dass er mit meinen 6 Griwna heute so richtig auf den Putz hauen wird – und ich hungern. Nachdem mich die Uniformierten ziehen ließen, stürmte ich sofort den Zug und genoss endlich einmal zehn Stunden durchgehenden Schlaf. Kiew empfing mich am nächsten M0orgen noch ein Priese kälter, mein Magen forderte endgültig das verp(r)asste Abendbrot des vergangenen Tages und mein Köpfchen begann zu grübeln was ich an diesen fußballfreien Tag machen könnte. Erst einmal das Zugtickets nach Ternopil holen, da man so länger schlafen könnte als wenn man direkt bis Chmelnizki fahren würde. Frage formuliert, auf die drei möglichen Nachtzüge verwiesen und auf eine Aufforderung zur Abgabe des Passportes gewartet. Aber nix da – nix frei. Abfahrtsplan gescheckt und schau einer an – ein Direktzug ab Kiew um 3.12 Uhr der um 9.25 Uhr Chmelnizki erreicht – ein Traum! Also hab ich kurzerhand ein Ticket für diesen Zug geordert und auch bekommen und gefreut. Diese Freude sollte später noch vergehen...
    Im Bahnhofsklo wurde sich dann kurz frisch gemacht und die Mission „18 Stunden Aufenthalt in Kiew“ konnte beginnen. Für den einen vielleicht schön, interessant und spannend für den anderen langweilig, öde und mit der Frage behaftet: „Was soll das?“ Glücklichweise gehörte ich zur zweiten Gruppe; mache ich doch nicht wirklich zum ersten Mal Halt in der ukrainischen Hauptstadt. So ging es zum Busbahnhof – immer wieder toll dort – dann weiter zu einem Supermarkt um die Versorgungsvorräte aufzufüllen und schon war es 12 Uhr. Hach, wie langsam doch die Zeit vergehen kann... Also musste ein neuer Plan her: die anderen Stadien der Hauptstadt besichtigen. Um Zeit, aber kein Geld zu verbrauchen sparte man sich die Metrofahrt für freche sieben Cent und bewältigte die Strecken per pedes. Stadion Lokomotiw und von DFK Ewrobis: so lala; Stadion Start: schon besser. Das ist wohl sogar das Stadion, wo die Kiewer Auswahl 1942 gegen die deutschen Besatzer spielte und gewann.
    Dass Wahlkampf war, hatte ich mittlerweile mitbekommen, was mich dann aber in der Innenstadt erwartete übertraf alles. Dort standen, wie wohl in jedem demokratischen Staat üblich, Wahlstände, aber die Anzahl ließ mich doch stark an den Ukrainern zweifeln. Erst kamen zehn Stände der orangen, dann fünf Stände der blauen, dann wieder 13 Stände der Orangen und dann zehn Stände der weißen Partei – diese Kette ist endlos fortzuführen. Natürlich gab es an den jeweiligen Parteiständen immer die gleichen Materialen; an Sinnlosigkeit also kaum zu überbieten... .
    Kurz was gegessen und es ging ab ins Internetcafe, immerhin wollte man die Ansetzungen mal wieder checken. 2. Liga-Ansetzungen für Freitag stimmten noch – gut so. Anschließend mal die, für die 3. Liga am Samstag kontrolliert - inakzeptabel wäre wohl der richtige Ausdruck. Alle, bis auf die Spiele auf der Krim waren verschoben; Sewastopol und Jalta luden ein. Also wurden die Zugverbindungen Chmelnizki - Krim überprüft: Negativ. Autobus war auch nicht machbar. Schön, dass ich schon das Zugticket nach Chmelnizki gekauft hatte... Einziges sinnvolles Spiel, das auch ohne 10-maliges Umsteigen auf Provinzbahnhöfen zu erreichen war, sollte Donetsk versus Arsenal Kiew sein. Von dort weiter nach Harkiv wäre auch kein Problem. Da das Montagsspiel in Zytomir auch abgesagt war, konnte man dann direkt mit dem Zug von Harkiv in die Slowakei. Zurück am Bahnhof wollte ich mir natürlich gleich alle Zugtickets für die restlichen Tage sichern. Das Ticket Chmelnizki - Donetsk gab es erst am nächsten Morgen zu kaufen, die Karte Donetsk - Harkiv war verfügbar und den Fahrschein Harkiv – Kiew - Uzgorod konnte man gar nicht mehr bekommen – der weitere Tourverlauf in der Ukraine war also sehr theoretisch.
    Zum Glück war es auch schon 21 Uhr, so dass ich nur noch sechs Stunden abasseln musste. In der warmen Gepäckabgabe erst einmal Sprotten mit Brot gegessen, allerdings nur bis ein Securitytyp kam und mich und einen richtigen Landstreicher vertrieb. So blieben noch fünfeinhalb Stunden im zugigen Durchgang. Ungefähr fünfeinhalb Stunden später waren diese fünfeinhalb Stunden auch Vergangenheit...
    Der erster sprachlicher Erfolg wurde dann im Zug gefeiert. Lag da doch ein Typ in meinem Bett, woraufhin ich ihm zu verstehen gab, dass er im wahrsten Sinne des Wortes falsch liegt. Er erklärte, er wolle nur bei seinem Sohn liegen und ob ich nicht sein „richtiges“ Bett ein paar Meter weiter nehmen könnte. Kein Problem – will ja keine Vater-Sohn-Beziehung zerstören. Und das Beste war noch immer: ich verstand ihn und er verstand mich.
    Kurz vor 10 Uhr war Chmelnizki erreicht. Touristen und Globetrotter, die was von sich halten, müssen hier herkommen. Trägt diese Stadt doch Beinamen wie: Hoyerswerda der Ukraine, Bremerhaven des Ostens oder Lens der Ex-Sowjetunion. In der hiesigen Toilette gab es dann mal wieder Körpererfrischung – Zähneputzen und Deoroller. Anschließend wurde das Gepäck abgeben und, das Wichtigste: Tickets kaufen. Nachdem die Abfahrtszeit des Zuges nach Donetsk auf dem Abfahrtsplan überprüft wurde, ging es ohne „Hilfe ich bin Touri“-Hilfszettel zum Ticketschalter. Meinen Wunsch geäußert erhielt ich einen Orkan verbaler Aggressionskunst. Da war sie wieder, die Servicewüste Ukraine. Meine Situation war nun zu vergleichen mit dem täglichen Studium der Bild Zeitung – ich war nicht schlauer, eher dümmer als vorher. Da es zwei Ticketschalter gab, probierte ich es kurzerhand noch einmal am anderen, diesmal dann doch mit Hilfszettel. Die Frau sah auch schon netter aus und sprach langsamer und ruhiger – verstanden hatte ich trotzdem nichts. Endlich nahm sie meinen Zettel und schrieb 16.00 Uhr rauf. Wollte sie ein Date?! War es eine mystische Zahl?! Oder sah sie mir einfach nur an, dass ich zum Fußball wollte und bestätigte sie mir die Anstoßzeit?! Fragen über Fragen, also sicherheitshalber lieber erst mal den Bahnhof verlassen und den Busbahnhof suchen. Schließlich sollte es angeblich einen Direktbus nach Donetsk geben. Der erstbeste Passanten wurde nach dem Weg befragt und ich erfuhr, dass es gibt drei Autobusbahnhöfe gibt. Zum Glück kannte er sich aus und zeigte mir eine Bushaltestelle von wo Minibusse zum Busbahnhof 1 verkehrten, von wo wiederum Busse nach Donetsk fahren. Etwas außerhalb gelegen, in seiner in kommunistischer Plattenbauarchitektur erbauten, kaum zu übertreffender Pracht, empfing mich der Busbahnhof. Schnell zur Infodame und den Preis erfragt – 130 Griwna. Danke und Tschüß. Über 20 Euro also knapp der 3-fache Preis einer gemütlichen 18-stündigen Zugfahrt waren mir doch zuviel um das Donbass zu besuchen. Also Retour zum Hauptbahnhof und den dritten Versuch einer Informationsbeschaffung gestartet. Ich landete wieder beim Schreihals, der das bereits bekannte Programm darbot. Gott sei Dank schrie sie so laut, dass auch die hinter mir stehenden Personen alles hörten. Ein ukrainischer Offizier, des Englischen mächtig, sah meine Verzweiflung und übersetzte: Ob noch ein Platz frei ist wusste der Schreihals erst ab 16.00 Uhr. Warum nicht gleich so?! Da der Anstoß sich zeitlich mit diesem Termin überschnitt hieß es schnellstmöglich ein Internetcafe zu finden und einen möglicherweise benötigten Plan E auszuarbeiten. Nach ein wenig umherirren in der trostlosen Innenstadt – kein Haus scheint hier älter als fünfzig Jahre zu sein – fand ich ein Internetcafe: 30 Cent für eine Stunde, 14,4 kB Verbindung – für bahn.de und paar Spielplansseiten sollte es reichen. Wenn, wie vermutet der Zug schon voll ist, blieben folgende Optionen: Mit einem anderen Zug bis L’wiw, dort rumasseln, am Nachmittag nach Strij - Strij versus L’wiw angucken, zurück nach L’wiw und mit dem Nachtbus nach Katowice. Diese Option bekam aber eine schlechte Bewertung. Die nächste Option wäre: Mit dem Zug nach L’wiw, von da mit dem ersten Bus nach Przemysl und dort Cracovia und Sonntag Chorzow gucken. Vorteil: sehr billig aufgrund des polnischen Wochenendtickets. Nachteil: Grounds habe ich schon. Die letzte Option lautete: Mit dem Zug nach Uzgorod, über die Grenze laufen und weiter mit dem Bus nach Kosice. Dort sollte MFK Kosice spielen und anschließend würde ich per Nachtzug weiter nach Zlate Moravce fahren, wo Sonntag ein Doppler möglich wäre. Problem war nur die Zeit; sollte der Zug doch 12.33 Uhr in Uzgorod ankommen und der Bus vom slowakischen Grenzdorf 12.15 Uhr abfahren. Klingt utopisch aber aufgrund der Zeitumstellung wäre es machbar. Zur Not blieb um 15 Uhr noch Michalovce vs Humenne, hatte man zwar schon, würde man aber locker schaffen. Mit diesen Optionen ging es erst einmal zum örtlichen Fußballstadion wo die tägliche Pflicht erledigt wurde.


    24.03.2006 Podillja Chmelnizki 0:0 Stal Dniprodserschinsk

    Stadion Podillja – 2. ukrainische Liga


    Die Haupttribüne war ein neuwertiger Mehrzweckbau, bot er doch an der Außenseite sinnlosen Geschäften Unterschlupf während die Seite zum Stadion hin eine überdachte Tribüne war. Die Gegengerade war auch komplett mit Sitzschalen ausgestattet und hatte ungefähr acht Reihen, verzichtete bis auf Toiletten aber auf weitere sinnlose Zusatzausstattungen.
    Da sich sogar die Sonne zeigte wollte man diesen erhabenen Augenblick nutzen und versuchen wieder so etwas wie Wärme zu spüren. So wie ich dachten viele des anwesenden Fachpublikums und zogen zur Gegengerade wo sich aber schon Uniform formierte. Kein Zutritt, schließlich ist die Haupttribüne ja geöffnet, wo eisiger Schatten und Schneemassen warteten. So blieb man am Flutlichtmast stehen, fühlte so etwas wie Leben im Körper aufkommen – der Sonne sei Dank – und schaute sich das Gekicke an. Ein spannendes Spiel, normalerweise geht so etwas 5:5 aus, boten die 22 Spieler. Ich würde mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen wenn ich behaupte, dass Chmelnizki 51% Ballbesitz hatte und, und, und...


    Nach diesem grausamen Kick ging es schnellstens zum Bahnhof zurück – jeder Passant, den ich überholte, hätte ja der Käufer des letzten Tickets nach Donetsk sein können. Angesteuert wurde dann die Freundlichere der beiden Verkäuferin, welche auch sofort eine Auskunft gab: „Njet Plazkart. Njet Kupe – Ljuks 220 Griwna.“ Bei diesen Möglichkeiten brauchte man wenigsten nicht lange überlegen, also wurde Plan E realisiert. Plazkart nach Uzgorod war noch verfügbar, 27 Griwna wechselten den Besitzer und der geplante Aufenthalt in der Ukraine verringerte sich von ursprünglichen elf auf drei Tage. In der Wechselstube wurden schließlich noch die restlichen Griwna in Dollar gewechselt und das Kleingeld für Wodka und Fressalien ausgegeben. Schon war es 19 Uhr, vor dem Bahnhofsgebäude herrschte ein eisiger Wind und ich musste nur noch knappe sechs Stunden warten. Die Mütze ganz tief ins Gesicht gezogen, Kapuze auf und mit dem Schal Mund und Nase bedeckt – so ließ es sich nicht etwa draußen, sondern im Warteraum aushalten. Buch gelesen, Zines gelesen, ukrainische Bettler beobachtet – Freitag Abend – Mensch, was willst du mehr?! Irgendwann war es dann soweit und der Zug konnte geentert werden, Assidecke ausgerollt, eingekuschelt und Augen zu. Gute neun Stunden entfloh man in die Traumwelt, wollte dann aber doch noch ein wenig von den Karpaten sehen. Im Zugklo wurde auf artistische Art und Weise ein kompletter Klamottenwechsel auf räudigen und vollgepissten drei Quadratmetern vollzogen. Anschließend noch ein wenig mit der Oma gegenüber gesprochen, die mir Ihre Familie auf Fotos zeigte und die eine oder andere Information über die durchfahrenen Städte zu erzählen wusste, etwas gelesen und die ersten Pferdewagen entdeckt – die Slowakei konnte nicht mehr weit sein. Der Zug rollte sogar ohne Verspätung ein, so dass ich, Wellness- und Sportwoche in Chemnitz sei Dank, schnellstmöglich ein Taxi erreichte. Durch diese selbsterzwungene Hektik blieb aber meine geliebte 1-Euro-Coburg Wintermütze im Zug zurück, nur Kenner der Szene können wohl diesen Verlust deuten.
    Einmal zur Grenze bitte; „Dawei!“ „Dawei!“ 12.50 Uhr war man an der Grenze, wusste aber nicht was einen erwartete. Wäre hier so ein Aufkommen wie in Przemysl, wäre der Bus nicht zu schaffen aber Glück gehabt – ein paar Autos und nur wenige Fußgänger waren vor mir. Noch ein wenig mit dem ukrainischen Zoll rumgealbert und ich betrat um 11.58 Uhr slowakischen Boden. Passkontrolle ging schnell vonstatten, nur der Zoll wollte es genauer wissen. 12.08 Uhr war auch das erledigt und ich lief in die erstbeste Richtung wo Häuser standen. 12.11 Uhr erreichte man eine Bushaltestelle, kurze Nachfrage ob man richtig sei – „Tak“, und das Gefühl eines Sieges kam auf. Der Bus kam pünktlich angerollt, reingesetzt und erst mal erholt. In Michalovce schnell ne Sportzeitung gekauft, zwecks Sichergehung und Bestätigung der Ansetzungen. Zlate Moravce sollte am Sonntag auch um 10.30 Uhr spielen und – schau an – es gab tatsächlich ein paar Drittligaspiele in der Gegend am Sonntag – schien ja alles glatt zu laufen.
    Um 14.30 Uhr wurde Kosice erreicht, der Stadtplan gecheckt, der Tramplan gecheckt und es mussten wieder einmal die Füße als Transportmittel herhalten.


    25.06.2006 MFK Kosice 6:0 Spartak Trnava B

    Lokomotiva Stadion – 2. slowakische Liga


    In der 10. Minute wurde der Ground erreicht. Zwar verpasste ich das 1:0, dafür konnte endlich der Rucksack ablegt und ein Pivo genossen werden. Erstaunt war ich über die doch ansehnliche Zuschauerzahl. Nach kurzem Studium des Programmheftes wusste ich, dass der neue Verein in Kosice, auch Dank des sportliches Erfolges, gut angenommen wird – im Schnitt bestimmt 3000 Zuschauer. Auf dem Platz kontrollierte Kosice nach Belieben und hätte eigentlich schon zur Halbzeit 6:0 führen müssen. Eine kleine Fanszene gibt’s auch wieder zu bewundern und das Stadion ist auch für höhere Aufgaben geschaffen. Wenn es normal läuft, sollte die erste Mannschaft von Trnava hier nächste Saison wieder spielen...


    Nach dem Spiel ging es erst einmal zum altbekannten McDoof um bestimmte Bedürfnisse zu befriedigen und anschließend zum Bahnhof um nach dem Preis für den Zug nach Zlate Moravce zu fragen. Knapp 400 Kronen wollte die slowakische Bahn haben – geht’s noch? Dafür kann ich in der Ukraine ne Rundreise buchen. Also ging ich schleunigst in die Innenstadt um ein Internetcafe zu suchen. Da ich keine Lust hatte umherzuirren, wurde nach Kompetenz Ausschau gehalten und schnell gefunden. Ein Ladenlokal, das sich StudentAgency nennt wurde gesichtet. Das klingt doch schön englisch; also rein da und die junge Empfangsdame gefragt: Im Zentrum sind gab’s schon paar, nur ob diese auch offen sind wusste sie nicht. Klingt nicht so toll. Daraufhin fragt sie was ich denn machen will, woraufhin ich entgegnete, dass ich die eine oder andere Zug- und Busverbindungen suchen müsste. Na ja, das könnte ich auch hier machen – also an ihren Schreibtisch gesetzt und zwei Stunden kostenlos gesurft.
    Ein Doppler wäre in der Slowakei aufgrund der schlechten Busverbindung nicht möglich, aber man könnte in der Nacht nach Tschechien und am Sonntagmorgen Kunovice und abends Brno machen. Montag wäre sogar noch Olomouc II möglich – perfekt! Bedeutete zwar im Endeffekt eine zweite, nicht eingeplante Übernachtung, aber die Tour war eh schon „verschandelt“. Beim Anblick auf die geöffnete Regionalbusseite der Slowakischen Busgesellschaft fragte sie erstaunt: „From where do you know this site? I’m slovakian and I don’t know this site.” Tja, wer billig reisen will...
    Der Plan wurde weiter verfeinert und ein nebenher ein wenig Small-Talk geführt. Später ging es zum Bahnhof um ein Ticket zur tschechischen Grenze zu ordern. 350 Kronen sind zwar alles andere als billig, aber was soll’s. Mit den restlichen Kronen sollte dann mal der Magen verwöhnt werden, also ging es in ein Restaurant. Nette Bedienung, leckeres Essen und drei Bier für vier Euro – passt. Pünktlich zur Einfahrt des Zuges kam ich am Bahnhof an, es wurde ein leeres Abteil gefunden und die Äuglein für vier Stunden geschlossen. In Horni Lidec verließ ich den Zug und er war entdeckt: der perfekte Asselbahnhof. 24 Stunden offen, beheizt, Sitze, keine Assis, Wechselstube „Nonstop“, geflieste und kostenlose Toilette und das wichtigste: ein „Heiße Schokolade“-Automat. Dank Zeitumstellung ging es eine Stunde früher über Vsetin und Hranice na Morave weiter nach Kunovice. Da der Körper aber seinen Tribut forderte, pennte man gehörig ein und wachte erst kurz hinter Kunovice wieder auf. Die Bahnfrau fand aber schnell eine Rückverbindung und so enterte ich nur zehn Minuten nach dem Anpfiff den Ground.


    26.03.2006 FK Kunovice 2:2 Viktoria Ziskov

    Stadion Na Belince – 2. tschechische Liga


    Das Stadion besteht aus einer größeren Tribüne, einem überdachten Bereich daneben und kleinen Steh- und Sitzblöcken hinter den Toren – reichlich sinnlos also. Am Verpflegungsstand eine leckere Klobasa genehmigt und dem Gebolze zugeschaut. In der Halbzeit standen plötzlich bekannte Personen aus Dresden vor mir, so dass man wenigstens ein wenig reden konnte. Der Schiri schien auf Unentschieden gewettet zu haben, pfiff er doch drei merkwürdige Elfmeter.
    Nach dem Spiel ging’s wieder zum Bahnhof von wo die Dresdner nach Zlin wollten und meine Wenigkeit nach Brno. Beim Schaffner das Ticket bestellt und festgestellt, dass er hat mir eines für eine falsche Verbindung ausgestellt hatte. Ihm erklärt, dass ich ein Ticket via Breclav brauche, was sein mobiler Computer aber nicht anzeigte. Dieser spuckte nur die Verbindung via Breclav mit einem EC aus. Also in den sauren Apfel gebissen und ein Ticket bis Breclav bezahlt und von Breclav noch mal nach Brno – ein Bier dürfte dabei draufgegangen sein. Eine Station vor Brno hl. n. wurde dann ein riesiges Plakat an einer Bruchbude gesichtet – Hostel. Station gemerkt und mit dem Nahverkehrzug zum Stadion gefahren und dort nach einer Unterkunft geschaut. Alles restauriert – alles nicht meine Preisklasse. Also ging es erst mal mit schmerzenden Füssen und Rucksack zum Stadion.


    26.03.2006 1.FC Brno 0:0 1. FC Slovacko

    Mestsky Stadion – 1. tschechische Liga


    Der Ordner schaute erst ein wenig verwundert, aber Hundeblick und „Tourist“ ließen ihn von einer Kontrolle in meinem Rucksack absehen. Das Stadion war gar nicht mal so übel, aber vor dem Verschandeln mit Sitzplätzen sicherlich noch besser gewesen. Die Heimsupporter boten ein kleine Choreo und trällerten ab und zu ein Lied. Slovacko zündete ein wenig Pyro und sang ganz anständig – Ligaalltag eben. Das Spiel – welches Spiel?


    Nach dem Kick unter Schmerzen, Blasen sei Dank, zum Bahnhof gerannt, um den frühen Zug zur vermeintlichen Unterkunft zu bekommen. Das ganze ging sogar kostenlos vonstatten, woraufhin ich gut gelaunt in die Herberge ging. Laut Preisschild kostete die Nacht 200 Kronen. Also akzeptabel. Die junge Dame an der, nennen wir es mal freundlich: Rezeption konnte weder Englisch noch Deutsch. Die Kommunikation war nun ein Russisch-, was sie ein wenig konnte, Tschechisch-Mix. Daraus ging jedoch eindeutig hervor, dass alle Zimmer belegt waren. Hundeaugen und tausendfaches Bitten um ein Bett für eine Nacht ließen sie kalt. Plötzlich kam ein junger Typ vorbei, der angeblich Deutsch konnte. Er erzählte mir, dass das Hostel voll sei – das wusste ich mittlerweile auch. Da auf der Preisliste noch ein weiteres Hostel in Brno für 140 Kronen erwähnt war, wurde er nach dem Weg gefragt und er solle die Rezeptionsdame doch bitten dort zwecks Verfügbarkeit anzurufen. Das war ihm wohl zu viel Arbeit, also bequatschte er nun zehn Minuten die Dame mir ein Zimmer zu geben und siehe da: Es gab einen 200 Kronen-Schlüssel Tausch.
    Sofort wurden die Klamotten abgelegt und ich hatte die erste Dusche seit 6 Tagen – ich muss sagen, das hat was. Zum Abendbrot gab’s Pivo und Sprotten mit Brot und dann ab ins Bett. Zwölf Stunden Schlaf, der Körper vermisste wohl was, und schon ging es weiter – wer rastet der rostet. Da ich noch genügend Zeit bis zur Abfahrt des Zuges nach Olomouc hatte, wurde der Busbahnhof erkundet. Ein Schlaraffenland an Verbindungen und schau an sogar ein Nachtbus nach Nitra. Zwar war die Ankunft auf 5.00 Uhr terminiert, doch ist das in der Slowakei besser als fünf Stunden Nachtaufenthalt in Prerov am Bahnhof. An der Auskunft den Preis erfragt – 176 Kronen – und mit einem Lächeln den Supermarkt gestürmt um fürs Frühstück zu sorgen. Zwei Bananen und Jogurts später kam auch schon der Zug und 30 Minuten vor Anpfiff erreichte man Olomouc. Am Stadtplan Lage und Nahverkehrserreichbarkeit des Stadion gecheckt und rein in den Bus.


    27.03.2006 Sigma Olomouc B 2:2 FK Kladno

    Spartakiadni Stadion – 2. tschechische Liga


    Sonne von oben und das Spiel ist im großen Nebenstadion – Hopperherz was willst du mehr? So pflanzte man sich in die Kurve, Jacke aus, Schuhe aus, dazu Mittag aus der Einkaufstüte – so macht das ganze schon viel mehr Spaß. Aus Kladno reisten acht Unentwegte an einen Montag an und zogen das komplette Programm durch. 90 Minuten Gesang, kleine Pyroshow und einfach nur bescheuert sein – das erinnert mich doch stark an alte Greifswald Zeiten. Das Stadion trotzt der Moderne - weit weg vom Spielfeld, nur Stehplätze, kein Catering, kein Merchandising – so und nicht anders!


    Nach dem Spiel schnell noch ne Eigenfütterung vorgenommen und am Hauptbahnhof paar Stunden abgeasselt und schon ging es weiter nach Brno. Dort kam ich gegen 22 Uhr an und überlegte was man mit den letzten Kronen so machen könnte. 180 wollte ich für den Bus aufheben und den Rest umsetzten – also nichts wie rein in die Kneipe am Busbahnhof, ein Bier gestürzt, zurück in den Warteraum und dort gewartet bis dieser zumachte. Nun fehlten nur noch zwei Stunden bis zur Abfahrt des Busses. Assidecke also raus und auf der Bank an der Abfahrtsplattform eingekuschelt. Mit 20 Minuten Verspätung rollte der Praha-Nitra Bus ein, schnell Sachen gepackt und hineingestürmt. Einmal nach Nitra bitte – 190 Kronen entgegnete mir der Fahrer. Hm, da ich nur noch 180 Kronen hatte, wurden ihm die gegeben. Er bestand auf seine 10 Kronen, also fragte ich ihn ob er slowakische Kronen nimmt, immerhin ist der Bus von einem slowakischen Unternehmen. Das sein natürlich nicht möglich – prima, und nun? Da am Busbahnhof ein Bankomat auch in der Nacht Geschäfte macht, wurde ihm diese Möglichkeit angeboten – negativ, er wartet nicht, entweder ich bezahle jetzt 190 Kronen oder ich kann aussteigen. In solchen Fällen bleibt nur noch die Attacke: Ich fragte die Insassen des Busses ob jemand slowakische in tschechische Kronen tauscht; ein Insasse war bereit. Den einen Euro Tauschverlust nahm ich in Kauf und dem dämlichen Fahrer wurde sein Geld auf die Ablage geschmissen. Im Morgengrauen war dann Nitra erreicht. Der Warteraum am Busbahnhof öffnete um 5 Uhr seine Pforten, also sofort rein da und die erstbeste Bank in Beschlag genommen. Strategisch ein Fehler, stand diese doch an der Wand hinter der sich der Kaffeeautomat, der Treffpunkt aller Ankommenden und Abfahrenden in Nitra, verbarg und somit nicht gerade eine friedliche Einschlafkulisse war. Für drei Stunden Schlaf reichte es trotzdem. Danach ging es zu einem Schrottplatz/Parkplatz um sich frisch zu machen. Den aufkommenden Körpergeruch erfolgreich, wenigstens für 24 Stunden, Rexona-24h sei Dank, unterdrückt, ging es auf Unterkunftssuche, da ich am Mittwoch nach Budapest wollte und aufgrund der geringen Entfernung ein Nachtzug nicht möglich war. Nach zwei Stunden vergeblicher selbständiger Suche vertraute ich dann doch lieber der Hilfe der Touristeninformation. Diese fand auch etwas sehr billiges, per Anruf wurde ich angemeldet und mir eine Wegbeschreibung mitgegeben. Die Unterkunft lag mitten im Zentrum und war eine Art Sanatorium. Man war so freundlich und überließ mir aufgrund der Kapazitätsproblemen ein Doppelzimmer zum Preis für ein Einzelzimmer. 270 Kronen wechselten den Besitzer und ich konnte mein Glück kaum fassen – Balkon, edles Bad, weiches Bett und das Ganze für 6,50 Euro. Sachen abgelegt und in die Innenstadt gegangen; schließlich musste man Essen für die nächsten 2 Tage kaufen. Da ich für Ungarn mit 20 Euro, inklusive Zugfahrten, Eintritt und Metro plante über die Runden zu kommen und der Nachtzug Budapest - Bucuresti erst am Donnerstag um 13 Uhr ankommen sollte, mussten die restlichen Slowakischen Kronen nun für Essen, Fahrtkosten und Eintritt verplant werden. Eine Packung Würstchen, anderthalb Liter Wasser, ein halbes Brot und delikate Leberwurst waren vom Budget her machbar – es konnte also sein, dass in nächsten Tage hin und wieder ein Hungergefühl auftreten könnte...
    Nachdem das touristische Programm abgespult wurde (Burgbesteigung etc.) ging es zum Stadion.

  • 28.03.2006 FC Nitra 1:3 Spartak Trnava

    Futbolovy Stadion – ½-Finale slowakischer Pokal


    Kurz durch das Programm geblättert traute ich meinen Augen kaum. Der Fußballgott aus grandiosen alten Gladbacher Zeiten, Igor Demo, schnürt seine Töppen nun für Nitra. Das Stadion besitzt Flair: Eine große Haupttribüne und der Rest Stufen beziehungsweise Holzbänke, die zum Teil schon abmontiert wurden. Aus Trnava reisten 150 bis 200 Mann an, die, wenn sie sangen, eine beachtliche Lautstärke entwickelten. Der Heimmob formierte sich in der anderen Kurve – gut 100 Mann, alles Jugendliche. Dazu das Ambiente des Stadions: Sah schon gut nach Polen aus. In der zweiten Halbzeit zeigten sie kurz ihre Heimfahne, nahmen diese aber nach zwei Minuten wieder ab. Vom Support her war es erstklassig was sie boten. 15 Minuten durchklatschen, fast durchgängig gesungen und je näher die Niederlage rückte um so lauter wurden sie. Ich wechselte dann den Standort, hin zu einem Nachwuchs Berti Vogts, der unentwegt taktische Anweisungen auf Feld rief und die beste Fahne von allen hatte. Im Spiel wurde es nur kurz spannend als Nitra der Ausgleich gelang; am Ende gewann der Favorit aber souverän. Nach dem Spiel wurde noch kurz im Internet gestöbert und bevor es in die Haia ging drei mal der falsche Pin ins Handy eingegeben – gesperrt – wozu braucht man schon einen Wecker? Am Morgen sah ich für die folgenden sieben Tage zum letzten Mal einen Duschkopf. Dann ging es zum Busbahnhof, um die letzte Stunde vor Abfahrt des Busses ein wenig rumhängen. Also in den bekannten Warteraum gesetzt und sich ein wenig über den Kauz gegenüber gewundert. Auf den ersten Blick machte er nichts anderes als die restlichen Wartenden, er saß auf der Bank, jedoch wechselte er alle zehn Sekunden die Sitzposition. Das Schauspiel ging über gut und gerne fünf Minuten; dann endlich stand er auf und schau an, gerade gehen war nicht mehr drinne. Er wankte zum Fenster. Dort angekommen richtete er sich in seiner ganzen Pracht auf und ließ die Hosen runter. Nun dachten alle der gute Mann uriniert gleich los, aber Fehlalarm. Er richtet nur seine Boxershorts, zog die Hose wieder rauf und verließ den Warteraum. Die Normalität war gerade erst wieder eingekehrt als die Tür wieder aufging und der Bärtige wieder da war. Nun setzte er sich wieder auf seinen Platz und man war erstaunt wie viele Sitzpositionen doch möglich sind. Da dies aber auf Dauer auch langweilig war, begann er mit seiner Hand in seinen Boxershorts umherzuwühlen, die Hand wieder für die Außenwelt sichtbar emporzurecken um anschließend daran zu riechen. Da dies wohl jeder schon mal in einer freien Minute und einem unbeobachteten Moment gemacht hat, nahm man es nur zur Kenntnis. Das Prozedere wiederholte sich allerdings drei Mal und plötzlich war Ruhe. Kein umherrutschen, kein Genitalien befassen, er stellte nun wieder den normal wartenden Passagier dar. Drei Minuten später stand er auf, nahm seinen Rucksack, drehte sich einmal und schau an, entweder es regnete in Beinhöhe oder aber er tätigte ein kleines Geschäft auf der Bank. Herrlich, solche Leute müssen ins Fernsehen, solche Leute gehört Aufmerksamkeit gewidmet – and the oscar goes to: Der Bärtige! War dies schon sehr lustig, gab es abschließend aber noch den krönenden Abschluss – keine fünf Minuten später betrat ein junger Mann den Warteraum – um in der Masse bloß nicht aufzufallen natürlich mit trendigen Klamotten, Gel in den Haaren und ungesunder Bräune. Sofort erspäht er einen freien Sitzplatz, sieht aber nicht die starke Lichtreflexion des Holzes, die eigentlich nur Flüssigkeiten erzeugen, und setzt sich – alle starren ihn an, aber keiner sagt was – ganz großes Kino in Nitra um 11 Uhr. Dann hieß es aber Abschied nehmen und so ging es per Bus über Nowe Zamky nach Komarno. Schnell zu Fuß über die Grenze, Geld getauscht und mit dem Zug nach Budapest. In Budapest ein Ticket für neun Euro nach Lököshaza besorgt und mal am internationalen Schalter gefragt, was die Sitzplatzreservierung, angeblich obligatorisch, Budapest - Bucuresti kostet. 800 Forint, aber sie möchte doch erst einmal mal mein Ticket sehen. „Das ist ja nur ein nationaler Fahrschein“ – das geht so nicht auch wenn ich Euro-Domino Rumänien habe. Ich bräuchte noch einen Fahrschein Lököshaza - Curtici. Also nach dem Preis gefragt, welcher 25 Euro betragen sollte – ist doch richtig! Da man die wenigen verbliebenen Forints zusammen halten musste, vielleicht mag der Schaffner die ja heute Abend, ging es mit Gepäck nach Kispest.

    29.03.2006 Honved Budapest 1:0 FC Sopron

    Bozsik Josef Stadion – ¼-Finale ungarischer Pokal


    Das Stadion hatte man zwar schon, aber stellte diese Pokalbegegnung die einzige vom Zeit- und Geldaufwand realisierbare Begegnung dar. Die Anabolikaordner guckten natürlich nicht schlecht, als sie den Rucksack erblickten, ließen mich aber passieren. Der Eintritt kam unverschämte 4 Euro für einen Stehplatz. Wenigstens regnete es nicht mehr und man konnte trocken das Grauen auf dem Platz verfolgen. Ab der 65. Minute begann der Heimblock ganz ordentlich zu singen und Honved schoss in der 80. Minute das Entscheidende 1:0 welches zum Einzug ins Halbfinale reichen sollte – mehr gibt’s nicht zu berichten. Nach dem Spiel, um das Geld für die Metro zu sparen, ging es vom Bahnhof Kispest mit einem IC zum Nyugati Bahnhof und von dort zu Fuß zum Keleti Bahnhof. Budapest bei Nacht soll ja was haben – hab ich nicht gefunden. Der Nachtzug nach Bucuresti hatte natürlich 30 Minuten Verspätung, so dass man gepflegte drei Stunden vor sich hin vegetierte. Freies Abteil war natürlich auch nicht vorhanden, also fiel die Wahl auf eines mit vier Ü50 Damen besetztes. Alsbald kam der Schaffner und erkundigte sich ob ich wirklich in Lököshaza aussteigen möchte oder doch über die Grenze will. Auf die Frage wie teuer denn der Grenzübertritt wäre meinte er die üblichen 25 Euro – in Forint natürlich. Habe ich nicht, also ein wenig so getan als würde ich mich bei anderen Passagieren um einen Wechsel bemühen, kam er auf mich zu und meinte er kenne eine Möglichkeit die mir Geld spart und ihm Arbeit: Zehn Euro für seine Portokasse und ich war in Rumänien. In Curtici dann in ein leeres Abteil gewechselt und mich lang gemacht. Bucuresti wurde mit einer ansehnlichen Verspätung erreicht und beim Ausstieg, helle Haarpracht sei Dank, gleich von den Taxifahrern umzingelt. Ihr Fahrangebote reichten von Sofia bis Istanbul – ob sie Euro-Domino akzeptieren konnte nicht geklärt werden. Nachdem endlich wieder eine warme Mahlzeit genossen werden konnte, ging es zum Rapid Stadion, sollte das Derby im UEFA-Cup doch angeblich ausverkauft sein. Gegengerade für den doppelten Preis – das Spiel sollte es Wert sein, also wurde zugeschlagen. Die restliche Zeit im Einkaufszentrum rumgelungert erreichte ich eine Stunde vor Anpfiff das Stadion.

    30.03.2006 Rapid Bucuresti 1:1 Steaua Bucuresti

    Stadion Giulesti – ¼-Finale UEFA-Pokal


    2900 Polizisten sollten heute für einen UEFA konformen Ablauf sorgen. Das hieß im Klartext: drei Polizeiringe ums Stadion, Hubschrauber und massig berittenen Ordnungshüter. Schon einen Kilometer vorm Stadion hörte man die brachial laut vorgetragenen Gesänge der Heimkurve. Nach der x-ten Kontrolle endlich im Block angekommen, ging es in den zweiten Stock. Der Heimblock war voll wie nichts Gutes, auf der Gegengerade drängten sich die Leute und im Gästeblock war eh kein Quadratmeter ohne menschliche Haut oder Haare zu sehen, nur was war denn da hinterm Tor – da blieben locker 500 Plätze frei. Aber auch wenn es nicht ausverkauft war, war es ein Erlebnis. Rapid in der ersten Halbzeit zwar nicht gerade abwechslungsreich aber wie viele, also praktisch das gesamt Stadion, machten mit– beeindruckend. Steaua rockte dagegen, beflügelt auch durch das frühe Tor, die komplette erste Halbzeit durch. Halbzeit Zwei wendete sich das Blatt und was nach dem Ausgleich los war kam man nicht in Worte fassen. 16.000 Leute am Hüpfen und Singen – Armes Deutschland. Spielerisch gefiel mir Steaua besser, denn das wirkte schon sehr abgeklärt und das alles auf hohen technischem Niveau. Nach dem Spiel zurück zum Hauptbahnhof und einen Ösi getroffen, der bestätigen konnte, dass es Karten im offiziellen Verkauf gegeben hatte. Der Zug nach Baia Mare fuhr natürlich nicht, aber das dachte ich mir schon – bahn.de ist in der Hinsicht nicht vertrauensvoll. So entschied ich mich für Deva, in der Hoffnung sie würden auch spielen, denn außer dem Rahmenspielplan hatte ich keine Quelle. Morgens um 7 Uhr durfte man in Lugoj zwei Stunden den örtlichen Bahnhof erkunden bevor mich eine Bimmelbahn die letzten Kilometer nach Deva beförderte. In Deva gleich mal zum Stadion gegangen und Glück gehabt – Heimspiel um 16.00 Uhr. Die restliche Zeit wurde auf der Burg (fantastische Aussicht) und beim Postkartenschreiben im Zentrum vertrödelt.

    31.03.2006 CS Deva 3:1 A.C.U. Arad

    Stadion Cetate – 3. rumänische Liga Staffel 7


    Zum Glück war der Eintritt frei denn meine Leis neigten sich langsam dem Ende entgegen. Programme gab es umsonst und auf der einzigen Tribüne tummelten sich gut 300 Leute. Der Wettergott wollte mich ärgern und schickte ne Ladung Regen. Aber Pech gehabt, nicht mit mir, Schirm auf und fertig. Auf dem Rasen ging es hoch her oder war es langweilig? Nach dem Spiel ein neues Brot und Fleischpastete gekauft und dabei fachkundig von einer jungen Dame beraten lassen. Sie meinte zwar das bestehe nur aus Abfällen und so was essen nicht mal die Leute hier, aber hey – der Preis zählt. Danach ging es schlafend mit dem Zug nach Timisoara und von dort sofort weiter nach Bucuresti. Die Hauptstadt begrüßte mich um 6 Uhr morgens. Sogleich wurde sich fix um die Verbindungen am Abend zur Grenze gekümmert. Bahn.de verkündete das um 20 Uhr ein Zug von Bucuresti Progresu nach Giurgiu fährt, cfr.ro meinte das Gegenteil; also den Verbindungscomputer am Gara de Nord befragt. Zug fährt – also sollte es am Abend einen kleinen Sparziergang geben und auf den frühen und sicheren Zug ab Gara de Nord sollte verzichtet werden. Mit einer überfüllten Bummelbahn, die mir ungefähr zehn Kettenraucher bescherte, ging es weiter nach Ploiesti. Am Vest Bahnhof raus und es folgten die geilsten 30 Minuten der Tour. Um 8 Uhr in der Früh, die Sonne spendete schon eine Menge Wärme, ging ich ein paar hundert Meter abseits des Bahnhofs zu Fernwärmerohren und vollzog einen kompletten Kleidungswechsel. Dann einfach nur auf die Rohre gesetzt, die Füße gelüftet, die Wärme am Arsch und von oben genossen dazu lecker Supermarkt Frühstück und Walkman – Freiheit pur. Leider zogen meine Essensabfälle immer mehr streuende Hunde an und da der Spielort für das Zweitligaspiel auch noch nicht lokalisiert war hieß es aufbrechen. Dreimal fragen und fünf Kilometer Marschweg später erreicht man das Stadion.

    01.04.2006 Petrolul Ploiesti 2:1 FC Sibiu

    Stadion Ilie Oana – 2. rumänische Liga Staffel B


    Das Stadion liegt versteckt in einer Häusersiedlung. Einen Euro Eintritt bezahlt und auf den oberen Stufen Platz genommen. Das Stadion ist mehr als ansehnlich und fasst gut 15.000 Zuschauer; komplett unüberdacht versteht sich. Eine Fanszene, zwar jung aber sangesfreudig ist auch vorhanden. Der abgeschlagene Tabellenletzte ging recht schnell in Führung und hätte eigentlich einen Punkt verdient gehabt, aber am Ende fragt keiner mehr danach. Nach dem Spiel ging er mal wieder mit dem billigsten Transportmittel ungefähr drei Kilometer zurück zum Bahnhof Sud. Dort in den Zug nach Bucuresti und bei der Schaffnerin für Verwunderung gesorgt. Hielt sie doch geschlagene fünf Minuten das Euro-Domino Ticket in der Hand und konnte damit nichts anfangen – na ja, nicht mein Problem. Am Frühen Nachmittag brannte die Sonne in Bucuresti schon sehr stark und ließ mich gut schwitzen. Dank der eigentlichen Reiseplanung waren vorwiegend dickere Klamotten für die Ukraine eingepackt worden. Da ich schon immer den Traum hatte einen Halbmarathon mit Gepäck zu laufen wurde dies in die Realität umgesetzt. So wurden die knapp vier Kilometer zum Spielort des FC National Bucuresti zu Fuß zurückgelegt.

    01.04.2006 FC National Bucuresti 2:0 Gloria Bistrita

    Stadion Cotroceni – 1. rumänische Liga


    Mitten im Villenviertel ist der Ground vom Sinnlosverein FC National gelegen. Am Einlass durfte ich meinen Rucksack entleeren und die billigen Karten zu sieben Lei waren auch nicht mehr verfügbar – die Vorzeichen diesen Verein in mein Herz zu schließen waren also von Beginn an schlecht. Beim Spiel das ein oder andere mal weggenickt; kann ich also nicht viel berichten. Die Tore fielen kurz vor Schluss und ab und zu versuchte sich ein 10-köpfiger Kinderchor im Stimmung-machen. Gäste waren 0 anwesend also eine reichlich sinnlose Veranstaltung aber ich wollte es ja nicht anders. Nach dem Spiel ging es weiter, schließlich wartete noch das größte Teilstück meines Halbmarathons. Im Supermarkt noch ein wenig Flüssigkeit und Nahrung gekauft und sechs Lei überbehalten, um diese dann in Giurgiu zu verjubeln; immerhin musste hier eine Nacht rum gebracht werden. Kurz von einem netten alten Mann die Wegrichtung bestätigen lassen und seine Warnung, dass es sehr weit sei, ins Reich der Fabeln verwiesen. Zwar fährt auch eine Tram aber ich hatte ja Zeit, das Wetter passte und überhaupt – Hopping muss weh tun. So wanderte ich also durch die Vorortghettos von Bucuresti in der Hoffnung bald möglichst den wunderschönen Bahnhof am Horizont zu erkennen. Nach circa zwei Stunden gab ich aber auf – ich hatte schon locker über zehn Kilometer zurückgelegt und immer noch war kein Ende in Sicht. Ob Weichei oder nicht – egal – ab in die Tram und zur Endhaltestelle. Dort kam ich dann um 19.30 Uhr an und muss sagen: zu Fuß hätte ich es zeitlich nicht geschafft. Waren bestimmt noch fünf bis zehn Kilometer, die die Tram zurücklegte. Kurz verwundert geschaut; war dort doch kein Bahnhofsgebäude zu erblicken. Aber nach kurzer Rückfrage sah ich es endlich: Das Ziel einer langen Reise – Bucuresti Progresu. Eine kleines Gebäude und paar Güterzüge standen bereit aber von einem Personenzug keine Spur. Also mal vorbeigeschaut, woraufhin gleich ein Security Typ zu mir kam. Hätte man mein Gesicht gefilmt beim Aufnehmen der Informationen die mir der Typ gab, um dies zu verstehen reichte mein rumänisch, wäre es sicherlich eine 1:1-Kopie der Szene als Lisa Simpson Ralph Wiggums Herz bricht. Es folgte multilinguales Fluchen und gegen den Rucksack treten. Was war passiert? Der gute Mann meinte, dass keine Züge ab hier verkehren. Also kurz beruhigt und nachgedacht – Lösung: Autobus. Also fragte ich ob denn Autobusse nach Giurgiu verkehren und die Antwort war ein kleiner Hoffnungsschimmer, denn sie lautete „Ja“. Also zurück zur Straße gelaufen und einen jüngeren Rumänen nach seinen Englischkenntnissen gefragt – vorhanden – sehr schön. Autobusse sollten von hier verkehren, Fahrplan gab es natürlich nicht, wenn einer kommt muss man halt winken und der Fahrpreis würde wohl knappe 10 Lei betragen. Gut, die hatte ich nicht und ein Bankomat war auch nicht in der Umgebung. Da er gut informiert war, wurde er auch gleich mal nach dem Zug gefragt und schau an, eine Brücke ist zusammengestürzt und daher die Strecke gesperrt. Was lernen wir daraus? Cfr.ro hat immer Recht! Der Kumpel von meiner Informationsquelle stoppte plötzlich ein Auto, zwei Arbeiter stiegen ein und plötzlich winkte mich dieser Kumpel zum Auto. Der Typ fährt nach Giurgiu und hat noch ein Platz frei. OK, kurz nachdenken, der Fahrer war jung und doch sehr dunkelhäutig, aber was soll’s, besser als am Ende auf einen Bus zu warten der nicht kommt. Rucksack in den Kofferraum und schon ging die Reise los. Was man sich dachte wurde bestätigt, erzählte mir der Fahrer doch mit seinen zehn Worten Deutsch, dass er schon mal in München war – Geigenspieler. Mit starker Gestik war eine Kommunikation über die nächsten 50 Kilometer möglich. Die beiden anderen Fahrgäste gaben dem Fahrer 5 Lei und stiegen im Zentrum aus. Ich ließ mich weiter in die Nähe der Grenze kutschieren, verabschiedete mich und gab ihm die letzten 6 Lei – gibt es eben kein Abendbrot, aber das war man ja mittlerweile gewohnt. Der Fahrer nahm das Geld, zählte es und meinte es sei zu wenig. Ich entgegnete ihm, dass die anderen auch nicht mehr bezahlt haben, er bestand aber auf zehn Euro – für 50 Kilometer – ist doch richtig! Plan A konnte nicht gelingen denn einfach aussteigen war nicht möglich, der Rucksack war noch im Kofferraum. Also Plan B – handeln. Der Zigeuner wich nicht von seiner in der Grundschule geformten Kleingeistmeinung ab, dass Benzin teuer sei und Deutsche reich. Ach, Scheiß drauf, 30 Lei und wir sind quitt! Er willigte ein und ich gab ihm zu verstehen dass ich ein Bankomat benötige worauf hin er was vor sich hin blubbert. Bankomat gefunden, Auszahlung von 30 Lei nicht möglich – 50 ist das wenigste. Was man nun ahnt wurde Wirklichkeit – ich gebe ihn 50 und bekomme 5 zurück. Auf die Frage wo die restlichen 15 Lei sind bekomme ich folgende Antwort: Benzin, Granica-Bankomat-Granica. F**K DICH! Da man absolut kein Bock auf eine sinnlos Diskussion mit dem Zigeuner hatte, wurde der Rucksack geschultert und sich auf dem Weg zur Grenze gemacht. Glücklicherweise war es schon stockfinster und die Strasse führte durch ein Zigeunerghetto. Zogen sich diese Kreaturen erst einmal nur an den wartenden LKW hoch um nach Geld zu betteln veränderte sich die Situation natürlich, als ein nicht südländisch aussehender Typ die Straße entlang trabte. Plötzlich kommen die Gören auf mich zugelaufen und ziehen an meinen Rucksack und an der Jacke – paar Lufttritte mit den Bundeswehrstiefel später verzogen sie sich und versuchten ihr Glück wieder bei den LKW-Fahrern. War meine Meinung über diese Minderheit vorher schon nicht die Beste, ist sie nun nicht mehr zu revidieren. Nach knapp einem Kilometer Abendsparziergang kam mir glücklicherweise eine rumänische Grenzpatrouille entgegen und nahm mich in ihrem Transporter bis zur Grenze mit. Da man die Brücke zwischen Rumänien und Bulgarien nicht zu Fuß überqueren durfte, organisierte er mir einen Bulgaren der mich im Auto mit rüber nahm. Dieser schimpfte erst einmal über die rumänischen Zöllner, musste er diese doch mit zwei Tafeln Schokolade und zehn Euro bestechen. Auf der bulgarischen Seite ließ er mich raus, natürlich ohne Geld dafür zu verlangen, und ich passierte die Grenze. Schnell noch nach der Entfernung zum Bahnhof gefragt – zehn Kilometer, nein danke. Also Taxi angehalten und schnellstens zum Bahnhof fahren lassen, wäre es doch theoretisch sogar noch möglich den Nachtzug nach Sofia zu bekommen. Am Bahnhof raus und Glück gehabt, noch eine Stunde Zeit gehabt. Also wurde ein Ticket für sieben Euro gekauft und die zweite Mahlzeit, nach dem Frühstück in Ploiesti, dem Körper zugeführt. Der Zug war mehr als leer, so dass ein Privatabteil gesichert und eine Trockenrasur mit einem Nassrasierer durchgeführt werden konnte. Die Assidecke ausgerollt und friedlich eingeschlummert, weckte mich die Kontrolleurin wieder. Ziemlich verschlafen wurde ihr das Ticket gegeben und ein kurzer Blick nach rechts und ich traute meinen Augen nicht, lag da doch ein Landstreicher mit Stock und Beutel. Den Gestankwettbewerb gewann er locker gegen mich. Das war das Eu-de-Toilet „Katowice Glowny“ in Vollendung. Beim nächsten Halt flog er aus dem Zug und ich erwachte erst wieder in Sofia. Klasse, 6 Uhr morgens in Sofia. Also wurde erst einmal der Park aufgesucht um Zähne zu putzen und dann um die Rückfahrt gekümmert. War diese doch geklärt wie der Fundort vom Bernsteinzimmer. Zwei Möglichkeiten boten sich an: Sonntag Abend nach Wien und von dort irgendwie weiter oder aber ein Hostel nehmen, was mindestens zehn Euro kostet und am nächsten Morgen mit einem Direktbus bis nach Praha. Da man aus Prinzip auf ein Hostel kein Bock hatte, wurde der Nachtbus nach Wien für 40 Euro klargemacht. Schnell ein Tagesticket für den Nahverkehr besorgt um die Füße zu entlasten, ging es über die Stationen Internet Cafe und Frühstück im Park zum Rakovski Stadion um die Anstoßzeit für die Drittligapartie zu klären. Ein jungscher Typ in so einer Art Büro meinte 15 Uhr, was mir gut passte, konnte man so das Spiel wenigstens komplett sehen. Auf dem Markt vorm Stadion rannte man dann gleich mal dem Erkner, einem Bielefelder und einem Meppener in die Arme. So verquatschte man erst einmal die Stunden, aß lecker Pizza und wurde fast von einem Mordsweib überrannt. Gegen halb Drei ging ich dann ins Stadion und schau an: Das Mordsweib drehte hier ihre Runden.


    02.04.2006 Levski-Spartak Sofia 2:0 Spartak Petschera

    Stadion Rakovski – 3. bulgarische Liga Staffel 3


    Die junge Dame hatte einen ziemlichen Selbstdarstellungsdrang drehte sie Ihre Runden nicht oberhalb der Zuschauerränge sondern auf der Laufbahn was eine ziemliche Beeinträchtigung der sich warmmachenden Spieler bedeutete. Kurzfristig wurde der Anstoß noch mal vorverlegt nun auf 14.45 Uhr – Planungssicherheit in Bulgariens Liga 3 ist garantiert. Wie üblich stellten sich die 22 Spieler und die drei Schiedsrichter nun auf dem Mittelkreis auf um den knapp 60 Zuschauer zuzuwinken, als just in diesen Moment „Mrs. Joggerin 2006“ auf ihrer Höhe war. Wie sich 25 Paar Augen von der Tribüne zur Aschebahn und dort weiter in einen Ausschnitt bewegten bleibt unvergessen. Einem Ersatzspieler reichte es und er schickte die Dame nach oben zum laufen, wo sie zur unserer Freude weiter ihre Runden drehte. Das Stadion, letztes Jahr noch gespottet, dieses Jahr gekreuzt, ist etwas für Feinschmecker. Eine große Betonschüssel mit einem Fassungsvermögen von ungefähr 25.000, dazu schneebedeckte Gipfel und Hochhäuser im Hintergrund. Im Laufe der ersten Halbzeit traf dann auch die Multikulti-Besatzung bestehend aus zwei Zwickauern, einem Magdeburger und einem Nürnberger ein – für diese vier Herren zählt der Ground natürlich nicht – die Groundhoppingpolizei sieht alles! So verquatsche man den Rest des Spieles welches wohl auch stattgefunden haben soll. Nach dem Spiel ging es dann per Bus und einen Jugendmob von Levski zum Nationalstadion wo das Derby ausgetragen wurde. Kurz vorm Ticketkauf verlor man den Bielefelder und den Meppener - so ging’s mit Erkner allein in die Schüssel.

    02.04.2006 ZSKA Sofia 0:1 Levski Sofia

    Stadion Vassil Levski – 1. bulgarische Liga


    Die Polizei trennte strikt nach Farben und so war genau die eine Hälfte Rot und die andere Blau. Selbst auf der teueren Haupttribüne bildeten die Bullen einen Puffer. Kurz vorm Anpfiff gesellte sich noch Magdeburg und Zwickau zu uns und man wartete gespannt auf die Darbietungen der 15.846 Fans. Vorteile würde ich ZSKA zusprechend – war schon eine immense Lautstärke die aus ihren Kehlen kam. Hüpf- und Klatscheinlagen der gesamten Kurve und ein bisschen Pyro kamen dazu. Aber auch Levski müsste sich vor keiner Kurve in Europa verstecken. Auf dem Platz spielte sich das gleiche wie nun schon seit zwei Wochen ab – ununterbrochene Misshandlungen der runden Kugel. Insgesamt hatte sich das Derby aber gelohnt und es war schön den Unterschied auch wenn es geografisch nicht die Entfernung ist, zwischen Rumänien und Bulgarien zu sehen. Die einen eher melodisch und die anderen rustikal. Nach dem Spiel gab es noch eine Blocksperre die aufgrund der Einsätzenden Kälte alles andere als gemütlich war. Die beiden anderen wurden verabschiedet und es ging mit Erkner in die Innenstadt Pizza essen und anschließend zum Bahnhof. Dort verabschiedete man sich und ich dachte nur noch an Heimat, waschen und Musik – Chemnitz, ich komme! Neben mir platzierte sich eine undefinierbare junge Dame, deren Mutter es doch für tatsächlich nötig hielt den abfahrenden Bus laufend und winkend zu begleiten. Gerade war ich eingeschlummert als ich meinen Namen hörte: Der bulgarische Zoll wollte meinen Rucksack filzen – wenn die Jungs auf stinkende Unterwäsche stehen, bitte. Das nächste mal erwachte ich völlig verspannt an der serbisch-ungarischen Grenze. Kurz frisch gemacht und auf die Uhr geschaut – man lag gut in der Zeit. Mit Glück würde man noch einen Zug von Wien nach Olomouc bekommen um noch den Ground von Sigma zu kreuzen. Um 13 Uhr erreichte der Bus Wien-Südbahnhof. Schleunigst ging’s hinaus zur Info: Pech gehabt, Hochwasser, die Züge wurden über die Slowakei umgeleitet, was Verspätungen nach sich zog. Also doch die „einfache“ Heimfahrt: Mit dem Bus nach Brno, von dort bis zur deutschen Grenze, kleiner Fußmarsch und ich bin wieder in meinem Exil. So ging es zur Nahrungsaufnahme in den Nahe gelegenen Park und eine Stulle wurde geschmiert. Blick auf die Uhr – noch vier Stunden. Mmh, was mache ich da? Wie wäre es mit merken, dass die Kamera aus der Tasche gefallen sein muss und daher noch im Bus sein liegt?! – Perfekter Zeitvertreib. Schnell zum Eurolines Ticketschalter am Südbahnhof gelaufen und erkundigt wo der Bus aus Sofia ist. „Der ist zur Reinigung in einem Gewerbegebiet außerhalb von Wien und gegen 20 Uhr wieder hier. Sind sie dann noch hier?“ Nicht wirklich, also den Busfahrer anrufen lassen und den Fund der Kamera bestätigen lassen. Der freundliche Eurolines Typ druckte mir einen Bus- und Tramplan zum Abstellplatz aus und los konnte die Reise gehen. 40 Minuten schwarze Hinfahrt mit ungefähr viermaligem Buswechsel und das ganze Retour. Wieder am Busbahnhof und nach den freien Kapazitäten des Busses nach Brno erkundigt. Da noch ne Menge frei war ging es zu Fuß zum Abfahrtort, der laut Auskunft Südbahnhof und Internet die bekannte U-Bahn Station Erdberg sein sollte. Gegen 16.00 Uhr, nach einen einstündigen Marsch, war ich vor Ort und bestellte mit einem Lächeln ein Ticket nach Brno. „Die Busse nach Brno verkehren seit dem 1. April von Wien Praterstern“, war die Antwort. Nun gab es eine Explosion. Zum Glück konnte ich die Verkäuferin mit dem vollen Vokabular meiner Muttersprache anbrüllen, wieso diese Informationen denn weder im Internet stehen noch am Südbahnhof bekannt sind. Achselzucken. Mit der geballten Wut ging es also knapp fünf Kilometer weiter zum Praterstern – Hunger spürte ich nicht, links und rechts existierten nicht mehr, mein Blick war strikt geradeaus gerichtet. Eine Viertelstunde vor Abfahrt erreichte ich den „neuen“ Abfahrtort und Eurolines hatte Glück, denn sie hatten keine Filiale vor Ort an der ich meine Wut auslassen konnte. Eine kleine dämliche Bushaltestelle war das einzige was auf internationalen Verkehr hindeutet. Langsam beruhigte ich mich wieder, der Bus fuhr ein und für 4,70 Euro erreichte ich drei Stunden später Brno. Bis zur Grenze sollte ein Ticket 260 Kronen kosten, also wurde mit dem letzten 10 Euro Schein die Wechselstube betreten und sich erkundigt, wie viele Kronen das wären. 260 – passt. Ticket gekauft und vom restlichen Kleingeld das vom letzten Wochenende noch übrig war beim Asiaten den Magen voll geschlagen. Der Rest der Münzen reichte auf den Heller genau für eine 0,5 Liter Flasche Wasser, welche zusammen mit einem trockenen Stück Kuchen aus Bulgarien, bis morgen reichen musste. Nachdem die letzten drei Stunden dieser Tour erfolgreich auf dem Bahnhof abgeasselt werden konnten, fiel ich ins leere Abteil und wachte dank zu leiser Lautstärke der Armbanduhr zu spät auf. Der Schaffner hatte ein Einsehen und schrieb eine Notiz auf mein Fahrschein, mit der ich zwar verspätet aber immer hin in Dolni Zleb ankam. Theoretisch sollte ich nun über eine Brücke gehen und dann immer an der Elbe entlang bis zur Grenze – so meinte ich es gehört zu haben. Leider fehlte eine Brücke komplett und die Elbe hatte Hochwasser. Also folgte ich dem einzigen Pfad Richtung Deutschland, der aber nach einem Kilometer im Dickicht endete. So machte ich einmal kehrt und fragte den tschechischen Bahnmitarbeiter nach dem Weg. Eine Brücke wäre in Decin aber die Grenze sei wegen des Hochwassers eh gesperrt. Geld für den Zug hatte ich nicht mehr, also wurde weitergefragt ob es nicht noch eine andere Möglichkeit gibt nach Deutschland zu kommen. Ich könnte an den Schienen entlang gehen, aber solle vorsichtig sein, da dies eine Hochgeschwindigkeitsstrecke ist. Gesagt – getan. Den ersten Kilometer kam ich noch recht schnell voran, da man bequem neben dem Gleisbett laufen konnte. Jedoch verengte sich das Ganze und ich musste letztlich auf den Schienen laufen. Von Weitem hörte ich die Grenzbimmelbahn entgegenkommen, so dass sich schnell ins Gebüsch geschmissen werden musste, damit mich die mitfahrenden Grenzer nicht sehen konnten. Danach ging es die letzten zwei Kilometer abwechselnd über die Gleise oder wenn begehbar durch den Wald und da waren sie plötzlich vor mir zu sehen – deutsche Signalanlagen – Schöna. Das letzte Stückchen durch den Wald und schau an ein Grenzschutzvehikel stand dort im Nichts. Drei Köpfe drehten sich in meine Richtung, sprangen aus dem Auto und forderten meine Papiere. „Wo kommen Sie denn her?“ „Aus dem Wald, aus Tschechien.“ „Das ist doch nicht Ihr Ernst? Das hier ist doch kein Grenzübergang!“. „Mir doch Wurst!“ Papiere stimmten, also die an sich selbstzweifelnden Grenzschützer hinter sich gelassen und in die S-Bahn nach Dresden gestiegen – Chemnitz ich komme!

  • Die Tour muß der Wahnsinn gewesen sein - ich habe schon Lust bekommen, mich auch mal ihn so ein Abenteuer zu stürzen. Doch in "hohem" Alter will man auf ein paar Annehmlichkeiten nicht mehr verzichten.


    Ich habe mir dafür erlaubt, diesen Reisebericht über ein paar Kanäle bundesweit zu streuen - natürlich mit kompletter Quellenangabe ... :ja:



    EDIT: Ich bekam gerade einen Anruf > So ein Bericht verdient es, in bestimmten Magazinen als Fortsetzung zu erscheinen. Oder in einer Sammlung von Nordostfussball zum Thema Hopping. Vielleicht kann man daraus ein Extra-Heft machen - finanzierbar?


    SRT - übernehmen Sie!

    Es gibt keinen besseren Grund, höflich zu sein, als die Überlegenheit.
    (M. von Ebner-Eschenbach)
    Höflichkeit ist der Versuch, Menschenkenntnis durch gute Manieren zu mildern.
    (Jean Gabin)

    Einmal editiert, zuletzt von yhdk ()

  • zu spät! Die Redaktion der Beziehungskiste war schneller...

    Kiedys zatrzymam czas - I na skrzydlach jak ptak - Bede lecial co sil - Tam gdzie moje sny - I wroclawskie kolorowe dni

  • Klasse Bericht.


    Besonders der UA-Teil hat mich besonders interessiert,
    da ich mich dort ganz gut auskenne.


    Statistische Ergänzung zu den 2 UA-Spielen:


    Lwow - Dinamo Kiew vor ausverkauftem Hause, offiziell
    28.000 Zuschauer, Kenner behaupten es waren noch mehr...


    Offiziell wird in der Statistik +3 Grad Celsius angegeben... =)


    Lwow wird nach Lage der Dinge wieder in die höchste Spielklasse
    aufsteigen. Im Pokal hatte man gegen Kiew das Hinspiel schon
    0:1 verloren.
    Immerhin hatte man eine Runde vorher mit Schachtyor Donezk
    einen Europacuperfahrenen Gegner rausgekegelt.
    Im Finale am 2.Mai steht mit Metallurg Saporoshyie auch ein totaler
    Außenseiter gegen Dinamo Kiew.


    Podilla Chmelnitzki waren offiziell 3.500 Zuschauer im Stadion.
    Mußtest Du Eintritt zahlen ?
    Oft kommt man ja (selbst in der höchsten Spielklasse) für lau rein
    und die Zuschauerzahlen werden dann so Pi mal Daumen geschätzt...


    PS: Donezk lohnt sich immer, zwei Mannschaften in der höchsten Liga,
    Schachtyor mit gut 20.000 Zuschauern im Schnitt, dazu Olympik Donezk
    in der 3.Liga...mehrere Stadien: Olympiastadion, Schachtyor-Stadion,
    Metallurg-Stadion, Olympiastützpunkt, Avantgardstadion im Vorort
    Makeewka (2./3.Mannschaft Schachtyor) u.a.

  • Zitat

    Original von Per-Oehr
    Klasse Bericht.


    Besonders der UA-Teil hat mich besonders interessiert,
    da ich mich dort ganz gut auskenne.


    Statistische Ergänzung zu den 2 UA-Spielen:
    ....


    mit der temperatur hast recht, spielberichtsbogen meint 3 grad. habe aber den wert der anzeigetafel zum anpfiff genommen - kalt war es aber allemal :wink:
    inoffiziell waren sicherlich 30-32.000 im stadion da ziemlich viele noch auf dem "stadionrundweg" standen.
    eintritt in chmelnizki war 50cent - ansonsten musste ich in der ukraine ab liga 2 (ausser zska) immer blechen - aber dat bleibt ja im rahmen...


    donetsk: gereizt hätte es mich da ich so tief im osten der ukraine noch nicht war dazu der wahlkampf damals aber ich habe halt auch gewisse "grundsätze" und von daher war ich nicht bereit den preis zu zahlen...


    yhdk:
    wie feno schon schrieb - die von der beziehungskiste haben mich gezwungen einen knebelvertrag blanko über 5 jahre zu unterschreiben
    ich brauchte aber das geld... :rofl:

  • Mensch - dann verlänger Deinen Bericht doch noch um ein paar Zeilen ... wie ich die Jungs der Beziehungskiste (nicht) kenne, reicht das Zeilenhonorar sonst höchstens für 'ne Kiste Sternburger ... =)

    Es gibt keinen besseren Grund, höflich zu sein, als die Überlegenheit.
    (M. von Ebner-Eschenbach)
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    (Jean Gabin)

  • Zitat

    aber ich habe halt auch gewisse "grundsätze" und von daher war ich nicht bereit den preis zu zahlen...


    Danke für Deine Antwort.
    Ich kenne das Dilemma mit den "Preisen für Ausländer" recht gut.
    Hotel, Taxi, Zugfahrt usw. hat kurioserweise immer eine andere
    Preisklasse, wenn ich die Sache ordere, als wenn ein "Eingeborener"
    dies tut. Da nützen auch die russischen Sprachkenntnisse nix.


    Mit der Zugfahrerei ist es ohnehin problematisch, ich bin mehrfach
    Donetsk-Kiew und retour gefahren, da werden ja nur so viele Karten
    verkauft, wie Sitz/Liegeplätze im Zug und fertig.
    Kommt man dann noch als Ausländer heißt es natürlich "Ausverkauft"
    aber "Ljuks" gäbe es eventuell noch... =)


    Habe mich auch schon geärgert, aber wenn man fahren MUSS...


    Dafür habe ich aber auf dem Flughafen Donetsk im Nachhinein mal richtig
    Ramba-Zamba gemacht, nachdem man das Gepäck durch Aufsetzen der
    Füße des Flughafenbeamten etwas schwerer gemacht hatte und dann
    natürlich einen Phantasieüberpreis in "harter Währung" abkassiert hat.
    Als Kenner der Szene war mir klar, daß ich zwar eine "Sinnlos"-Quittung
    bekomme, auf dem Flughafen selbst nix machen kann (sarkastisches
    Grinsen "Sie wollen doch jetzt keinen Ärger machen und das Flugzeug
    verpassen", aber mir war ebenso klar, das die das Geld in die eigene
    Tasche stecken. Da habe ich dann Dank Connection zu Einheimischen
    von Deutschland aus beim Flughafenchef persönlich die Angelegenheit
    vorgebracht - und siehe da..natürlich konnte ich im Nachhinein nicht
    beweisen, wie schwer unser Gepäck wirklich war...aber unsere
    Quittung und die Abrechnung des arroganten Arschgesichts auf dem
    Flughafen stimmte nicht überein, da stand das WIRKLICHE (und damit
    niedrigere) Gewicht drauf...und so bekam ich die Knete zurück und
    der korrupte Fatzke war seinen Job los.


    Ich habe allerdings nicht mal in DDR-Zeiten so eine viehíge Behandung
    erlebt, wie bei der Abfertigung auf dem Flughafen.
    Das war kommunistische Willkür in Reinkultur und man weiß genau,
    man kann in dem Moment absolut nichts machen. Außer uns nur Eingeborene,
    die sich das gewohnt widerwillig gefallen liessen.


    Zitat

    ansonsten musste ich in der ukraine ab liga 2 (ausser zska) immer blechen - aber dat bleibt ja im rahmen...


    Ich war u.a. oft bei Metallurg Donetsk, da war meist freier Eintritt.
    Habe allerdings in Donetsk auch einen Kumpel der beim Hauptsponsor
    arbeitet und so konnte ich beim Ortsderby schon für lau beste Plätze
    auf der Haupttribüne belegen.
    Ansonsten hast Du Recht, Peise sind ja sehr im Rahmen.


    Selbst beim Handball-Europapokal kostete der Eintritt nix. Und ich bin
    extra (weil mir keiner sagen konnte, wie das abläuft) einen Tag vorher
    zur Halle, wo mir dann die Putzfrau (!) sagte, wird nicht voll und Karten
    gibt es nicht, weil "kostenloser Eintritt"...der Gag ist dann gewesen,
    daß es nicht nur umsonst war, sondern daß es auch noch ne Lotterie
    gab, wo wir noch einen Ball als Peis abstauben konnten...


    Futsal (Landesmeisterschaft/Donetsk ist Top-Team) war auch freier Eintritt,
    dafür wollte man beim Basketball 50 Cent.


    Die Informationspolitik über Termine/Eintrittskarten ist halt echt bescheiden.
    Selbst bei CL-Spielen von Schachtyor Donetsk habe ich massiv Probleme
    gehabt, herauszufinden, wann und wo nun der Vorverkauf stattfindet.


    Wenn Du noch mal fährst, der Osten der Ukraine ist empfehlenswert,
    da lassen sich immer paar Spiele kombinieren, zumal ja auch Mariupol,
    Odessa u.a. in Reichweite liegen und selbst die zweiten Mannschaften
    in einem eigenen Stadion spielen, so daß man einiges kennenlernen
    kann.

  • ich war bislang überrascht von den verhältnissen in der ukraine. bei meinen besuchen noch nicht einmal über gebühr abgezogen worden, obwohl meine russisch-kenntnisse nicht unbedingt spektakulär sind. finde es in anderen ländern vieeeell vieeeell schlimmer.

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  • Zitat

    ich war bislang überrascht von den verhältnissen in der ukraine


    Ich finde das Ausmaß von Korruption und Abzocke in der Ukraine
    gigantisch. Kann natürlich jetzt nicht sagen wie es im Vergleich zu
    Gambia oder Nigeria ist... =)


    Ich war von der Selbstverständlichkeit der Korruption völlig fasziniert.
    So bin ich z.B. mit dem Reisebus gefahren (als einziger Ur-Deutscher)
    und an der Grenze zur Ukraine wurde Geld gesammelt...alle wußten
    Bescheid und auf meine Frage (denken konnte ich mir meinen Teil schon)
    antworteten mir die "alten Hasen". daß es für den Zoll ist, damit wir
    unkontrolliert (was das Gepäck anbelangt) durchkommen...und
    so war es auch.


    Vor dem CL-Spiel in Donetsk habe ich die offizielle Miliz beobachtet,
    wie sie völlig ungeniert bei allen fliegenden Händler Schmiergeld oder
    Zigaretten abkassiert haben, jeder Einheimische kannte das...


    Taxifahrten kosten für mich (auch der russischen Sprache mächtig)
    ein Mehrfaches als was die gleiche Marschroute für meine Frau kostet. =)


    Von der Korruption auf Behörden will ich nicht erst anfangen.
    Von der Möglichkeit alle möglichen Dokumente auf dem Basar zu kaufen,
    auch nicht.


    Könnte ich jetze Geschichten ohne Ende erzählen...


    Von Bettelei und Kriminalität (Kiew!) mal ganz zu schweigen.


    Allerdings gebe ich Dir in einem Recht, wenn man als Westeuropäer
    russisch spricht, hilft das ungemein und hält auch gewisse Abzocke
    und Probleme im Rahmen.


  • och, dass ist doch fast überall in osteuropa noch so. Hab da auch schon lustige Erfahrungen sammeln können. Zigarettenschmuggel am Grenzübergang Dorohusk, wo jeder automatisch einen Dollar in den Pass legt und paar Stangen direkt an den Grenzer gehen. Einmal bin ich mit einem polnischen Schmuggler über die Grenze von Polen gen UA, da ein Fussübergang verboten ist. Auch hier tat ein 10 Zloty-Schein an den ukrainischer Grenzer gut, da ihm wohl irgendwas auf unserer Migrationskarte nicht gefiel. Wunderte mich aber nach den genialen Geschichten meines neuen Schmugglerfreundes aus Chelm überhaupt nicht mehr. Jener kannte übrigens auch jeden Grenzer persönlich und befragte schon bei der Einreise, ob er denn diesmal Schokolade oder was anderes sollte. Wer also auch mal in der Richtung was verdienen will... 100 Zloty reichen aus und der Kofferraum bleibt zu ;-)


    Drei größere getätigte Taxifahrten stehen bei mir zu Buche, nur einmal gabs eine Art Touristenbonus und das auch noch bei einem der wenigern Ur-Polen in Lvov (Lviv) vom Avtobus Voksal zum Zug-Voksal. Satte 15 Griwna kostete der Spass. Von Lvov (Lviv) bis zur polnischen Grenze fuhr uns ein weiterer Fahrer für 100 Griwna (17 Euro für 90km Fahrt sind sicher sehr fair) und ein anderes Mal nutzte ein Fahrer seine Monopolstellung und beförderte uns für etwas überzogene 37 Euro die 140km von Hrebrenne nach Luck. Aber von richtiger Abzocke ala Budapest, Praha & Co. kann man da wirklich nicht sprechen.

    Kiedys zatrzymam czas - I na skrzydlach jak ptak - Bede lecial co sil - Tam gdzie moje sny - I wroclawskie kolorowe dni

    Einmal editiert, zuletzt von FENOMEN ()

  • Zitat

    och, dass ist doch fast überall in osteuropa noch so.


    Da fehlen mir die Erfahrungen (Tschechei empfand ich als nicht
    so extrem, Bulgarien ist ähnlich)...


    Glaube ich Dir aber gern. =)


    Da ich in der Ukraine nicht nur touristisch unterwegs war, sondern
    auch viele Behördengänge machen mußte etc., hat mich das "Theater"
    schon viele Nerven gekostet...

  • Schöner Bericht.
    Habe ihn ausgedruckt und gelesen.
    Hätte ich mir das vorm Bildschirm angetan hätte ich jetzt wahrscheinlich Augenkrebs oder so
    :cyclop:

    Deine Mudder is so fett, die isst Meloneneis mit ganzen Früchten !!

  • Zitat

    Original von RalleRalinski


    :bindafür:


    falls doch noch kosten anfallen bitte an meinen verlag wenden:
    verlag für fankultur
    redaktion beziehungskiste
    strasse der neureichen


    zwigge


    Per oehr: interessante begebenheiten!
    äusser mich mal ende der woche dazu da zur zeit zu viel alkstress.
    zum thema korruption pro und contra dürfte aber irgendwann in der bk noch ein bericht über 10tage belarus/moldova/ukraine erscheinen - der darf hier leider nicht veröffentlicht werden...

  • Zitat

    Original von RalleRalinski



    aber sag mal, ist dies das einzige gelungene bilddokument deiner fahrt, welches deine high-tech-kamera hergegeben hat oder muss ich mich an den verlag für fankultur wenden um mehr davon zu sehen?!


    ein hoffnungsloser fall, dieser verlag ist für bildlose publikationen über die grenzen westsachsens hinaus bekannt...