An diesem Juni-Sonntag (Wie bitte? Juni? Et is een Wetta wie'm Oktoba!) sollte es nach langer, langer Zeit mal wieder nach Polen gehen. Während in den meisten europäischen Staaten die Saison bereits beendet ist, rollt in einigen Ländern jenseits der Oder noch der Ball in der 1. Liga. In Begleitung von Matze startete man (endlich mal) ausgeschlafen und mit ein wenig Vorfreude eine schöne, kleine Tour.
Nachdem man dem Ground von Victoria Seelow noch einen kurzen Besuch abstattete (eine Seite des Plätzes ist komplett mit Wohnhäusern bebaut, die andere Seite ist mit unüberdachten Stufen und Vereinsheim versehen), erreichte man gegen 14 Uhr die deutsch-polnische Grenze in Küstrin. Binnen kurzer Zeit hatte man dem Zoll die Ausweise unter die Nase gehalten, das Auto abgestellt, Geld gewechselt, den Grenzmarkt beschnarcht und natürlich getankt.
Über Skwierzyna und Miedzychód ging es nach Wronki, wobei man in Skwierzyna noch beim "Netto" einkehrte.
Wronki, ein kleines Nest, dass 50 Kilometer nordwestlich von Poznan liegt und durch das die Warthe fließt, macht vor allem auf eines aufmerksam: "AMICA". Der Waschmaschinen-Hersteller unterstützt nicht nur den ansässigen und gleichnamigen Verein, sondern prägt mit seiner Werbung auch das Stadtbild Wronkis.
Das kleine, aber feine Amica-Stadion, dass wir aufgrund der Flutlichtmasten schon aus der Ferne erkennen konnten ist relativ untypisch für polnische Stadionverhältnisse. Knapp 6.000 Zuschauer fasst es. Ein piekfeines Hotel samt verglastem Turm und Restaurant erhebt sich hinter einer kleinen Hintertortribüne. Die wenigen Heimsupporter von Amica befinden sich in einer Kurve neben der überdachten Haupttribüne, der Gästeblock (der einzige Bereich in dem keine Sitzschalen installiert sind) ist am anderen Ende der Haupttribüne zu finden. Eine weitere Hintertor-Tribüne gibt es nicht, lediglich die Anzeigetafel und die Policja stehen dort.
Wir beiden setzten uns für 15 Zloty auf die Gegengerade, die aus zwei geteilten Stahlrohr-Tribünen besteht und durch einen Sprecherturm getrennt wird.
Vor dem Spiel wurden wir von einem Blasorchseter "empfangen", das mit einigen hübschen Mädchen auf dem Platz ein paar Runden drehte.
Dass Amica mehr oder weniger ein Retorten-Verein ist, wird nicht zuletzt an der kleinen Anzahl von aktiven Fans deutlich. Zwar hingen zwei schöne Zaunfahnen in der Kurve, akustisch war jedoch von diesem 50-Mann-Haufen fast nichts zu vernehmen.
Ganz anders sind da die Gästefans aus Krakow. Die etwa 150 Anhänger vom Aufsteiger Cracovia schmückten den Gästesektor ebenfalls mit großen Bannern und konnten mit gutem Support über die gesamte Spielzeit voll und ganz überzeugen. Kurz vor Anpfiff (19 Uhr) wurden die Gästefans vom Stehbereich in den etwas kleineren Sitzplatzbereich getrieben... Warum weiß der Henker!?
Das muntere Spielchen hatte nach 7 Minuten seinen ersten Höhepunkt: 0:1 durch Bojarski!
Von hier an war nun von Heimsupport gar nichts mehr zu hören, ganz im Gegensatz zu den "PASY"-Fans. Pasy ist der Spitzname für das Gästeteam und bedeutet "gestreift" bzw. "Die Gestreiften". Die sonst in rot-weiß gestreiften Krakauer spielten heute allerdings in hellblau und wussten vor allem durch ihre starke Abwehrleistungen im ersten Durchgang zu bestehen. Da versuchte der Kapitän von Amica, ein gewisser Kryszalowicz (ehemals Eintr. Frankfurt) ein ums andere mal die Abwehr zu knacken und auch sein Kollege Dembinski (Ex-HSVer) scheiterte immer wieder vergeblich.
In der Halbzeit holte ich mir eine typisch polnische Wurst, die vor Fett nur so glänzte! Egal, die Verpflegung ist hier immerhin schön billig (nicht mal ein Euro für Wurst, Brötchen und Senf).
Als Baran auf 0:2 für die "Goschies", wie Matze sie nannte (Goscie = Gäste) erhöhte, schien das Spiel gelaufen und der Sieger fest zu stehen.
Die Gästefans, die übrigens einen Tag später den 100. Geburtstag von Cracovia feiern sollten, sangen alles nieder. Dabei waren die meisten Melodien unseren Ohren natürlich vertraut, aber es machte schon einen tollen Eindruck, wie geschlossen und lautstark sie waren!
Nachdem Marcin Burkhardt mit einem Sonntagsschuss zum 1:2 traf, kam wieder etwas Hoffnung auf. Wie aus dem nichts wurden kurze Zeit später elf Bengalos auf Amica-Seite gezündet. Eine kleine Entschädigung dafür, dass sonst von ihnen nichts rüber kam.
Quasi als Antwort brannten die Cracovia-Ultras einige Minuten später weiß blitzende Fackeln ab. Diese Aktion rundete einen sehr guten Away-Support ab. Aber halt! Mittlerweile hatte man das 2:2 gar nicht mitbekommen! Fünf Minuten vor Schluss war der nicht mehr für möglich gehaltene Ausgleich durch Skrzynski gefallen. Und es kam noch schlimmer für die Gäste: Mit dem Abpfiff erzielte Banaczek das 3:2 für Wronki! Das Spiel war gedreht und die Saison beendet! Cracovia hatte durch diese Niederlage Platz 4 verspielt, Amica beendete die Saison auf Platz 6.
Ein tolles Spiel vor 2000 zahlenden Zuschauern. Einige Cracovia-Fans waren noch auf den Platz gekommen um ein beliebtes Trikot ihrer Elf zu ergattern. Mit Erfolg!
Matze und ich waren sehr zufrieden, auf der Rückfahrt wurde noch einiges ausgewertet und noch vor 1 Uhr erreichten wir die Bundeshauptstadt.
Es war ein netter, kleiner Ausflug in das Nachbarland, aus dem man sehr viel mehr als nur eine Tankfüllung Benzin mitnahm.
Bericht ist von Ultrabant
Bilder von mir