Das Gastspiel von Trainer Luigi del Neri bei Champions-League-Sieger FC Porto, das erst im Juni festgemacht wurde, ist bereits 22 Tage vor dem Saisonstart der portugiesischen Meisterschaft wieder beendet. Der Verein und der italienische Coach haben in beiderseitigem Einvernehmen den Dreijahres-Vertrag "aus persönlichen Gründen" aufgelöst.
(www.kicker.de)
Dazu zwei Artikel aus der Presse:
Artikel 1:
‘In der Nacht zu Samstag bin ich um ein Uhr in Porto gelandet. Im Flughafen rief mich der Präsident an: Ich solle sofort in die Geschäftstelle kommen. Merkwürdige Uhrzeit für ein Zusammentreffen, habe ich noch gedacht. Um drei Uhr hatte ich verstanden warum, im Morgengrauen war ich arbeitslos.’ Wegen Unpünktlichkeit, was den disziplinversessenen Del Neri (‘Scheißvorwand’) besonders wurmt. Unpünktlich er, der eiserne Nussknacker aus dem Friaul! ‘Mein Flugzeug hatte Verspätung, es gab technische Probleme. Ja, muss man denn vom Himmel fallen, um in Porto ein Training zu leiten?!’ Nach Portos Tournee durch Nordamerika hatte der Cheftrainer zwei Tage freigenommen, um in Italien den Umzug nach Portugal vorzubereiten. Für Del Neri, der durch den Triumphzug des winzigen Vorortklubs einer Provinzstadt, Chievo Verona, von der Serie B zum wochenlangen Spitzenreiter der Serie A und einer Uefa-Cup-Qualifikation auch international bekannt geworden war, ist die Abfuhr ein Desaster. Jetzt bringt ihn Portos Präsident Pinto da Costa um die Krönung der Karriere. ‘Wenn ich mich abgeregt habe, erfahrt ihr meine Version. Von wegen unpünktlich.’ Die alte Spieler-Garde von Vorgänger Mourinho habe gegen den Italiener intrigiert, mutmaßten am Sonntag die italienischen Zeitungen. Del Neris Spielsystem habe die Portugiesen nicht überzeugt, die wohl, so höhnte die Gazzetta, einen Hohepriester des Catenaccio erwartet hätten, ‘so einer ist ja im Grunde genommen auch Mourinho. Aber in Porto mussten sie entdecken, dass es italienische Trainer gibt, die linkeren Fußball spielen als die Holländer in den 70er Jahren.’’
Birgit Schönau, Süddeutsche Zeitung (09.08.2004)
Artikel 2
‘Auch wenn einige Medien die Trennung als einvernehmlich bezeichnen, stimmte die Chemie offenbar schon länger nicht mehr. Nach der Zeitung A Bola wirkte del Neri nach der Entlassung verbittert und versprach, in Kürze ‘einige Dinge zu erzählen’. Laut italienischen Gazetten hatte er mehrmals unentschuldigt im Training gefehlt, die Zäsur somit selber provoziert. Dass die Dimension eines europäischen Spitzenklubs, der die Stadt Porto, die metropolitane Region und weite Teile der nördlichen Provinzen in Bewegung hält, den erdverbundenen Norditaliener überfordert hat, ist der einleuchtendste Grund für die Trennung; allfällige disziplinarische Probleme wären dann eine Folge von Missbehagen gewesen. Und anders als in den Lissabonner Traditionsklubs ist Disziplin in Porto ein Wert an sich. Nur wer sich einordnet und den rigiden Verhaltenskodex befolgt, findet vor dem fast omnipotenten Präsidenten Pinto da Costa und seinen Adlaten Gnade. Freilich hatte del Neri als Nachfolger des Motivationskünstlers José Mourinho a priori einen schweren Stand. Die Aura des jetzigen Chelsea- Trainers wird auch über dem nächsten Mann wie ein Damoklesschwert hängen.’
Georg Bucher, Neue Züricher Zeitung (09.08.2004)