Ronny Blaschke (BLZ 1.6.) freut sich über den Aufstieg RW Erfurts und Dynamo Dresdens in die Zweite Liga:
Es sind zwei Geschichten. Sie spielen vor verschiedenen Kulissen, mit verschiedenen Darstellern. Und doch haben sie die gleiche Handlung. Am Ende steht das Glück. So überschwänglich, wie es selten im Fußball zu sehen ist. Tausende fluteten in Erfurt und Dresden die Spielfelder, sie sprangen über Zäune, das war nicht verboten, es war erwünscht. Sie feierten die Flucht aus der Regionalliga. In Erfurt, am Sonnabend, besiegte der FC Rot-Weiß den 1. FC Saarbrücken 2:1, vor 20 000 Zuschauern, so viele Menschen waren zuletzt vor 16 Jahren ins Steigerwaldstadion gekommen - der Gegner hieß BFC Dynamo, eine Eintrittskarte kostete 1,10 Ostmark. Erfurt steigt aus der Südstaffel in die zweite Liga auf, zwölf Jahre Versteckspiel haben ein Ende. Es lag an den Farben, dass das Glück tags darauf an anderer Stelle eindeutig zu identifizieren war. Nicht rot und weiß, sondern gelb und schwarz war das Meer der Menschen in Dresden gekleidet. 1:0 hatte der 1. FC Dynamo, achtmaliger DDR-Meister und gestählt in 98 Europapokalspielen, in der Nordstaffel den VfR Neumünster geschlagen; nur noch theoretisch ist die Beförderung in die zweite Liga zu verhindern. Neben Cottbus und Aue werden mit Erfurt und Dresden zum ersten Mal seit sechs Jahren wieder vier Teams aus den neuen Ländern in der Liga vertreten sein. René Müller muss weit ausholen, um die Renaissance zu erklären. Er sitzt in seinem Büro auf einem verbleichten Sessel, in der Geschäftsstelle von Rot-Weiß Erfurt, einem grauen Betonklotz, wie auch einer in Dresden steht. Müller, 45, hatte es weit gebracht im DDR-Fußball, er war Nationaltorwart, eine Art ostdeutscher Sepp Maier. Seit dieser Saison ist er Trainer in Erfurt, den Aufstieg hätte er selbst nicht für möglich gehalten, nicht den seines Teams und auch nicht den der Dresdner, für die er jahrelang spielte. Müller ist ein hervorragender Redner, er spricht gerne in Bildern. Er sagt: ‘Sechs Oxford-Studenten gehen zu IBM, top-studiert, mit perfekten Koteletten. Ein Gebräu von Besserwissern. Aber sie kriegen nichts geregelt, weil sie sich nicht unterordnen können. So war es nach der Wende auch in den Ost-Vereinen.’ Müller spielt auf die Vergangenheit an, als Unternehmer mit zweifelhaftem Ruf über den Osten kamen. In Erfurt hinterließen sie 1,5 Millionen Euro Schulden, in Dresden neun Millionen. Trainer wurden verschlissen, Funktionäre wie Schachfiguren verschoben. In Leipzig gipfelte der schleichende Verfall im Nichts, in Erfurt und Dresden gelang die Wende zum Guten. René Müller und Christoph Franke, Dresdens Trainer, vertrauen auf junge Spieler aus der Region, ihnen bleibt nichts anderes übrig. Der entscheidende Fortschritt aber wurde in den Vorstandsetagen vollbracht. Die Geschäfte werden nun von lokalen Größen geführt, wie in Rostock und Cottbus, von Leuten, die Umfeld und Strukturen kennen.’