Groundhopping-Berichte

  • 2.11.
    Olimpia Warszawa - Dolcan II Zabki (Warschau-Liga (6.) Staffel I)
    Drukarz Warszawa - Mszczonowianka Mszczonow (5. Liga Masowien Staffel Süd)
    Legia Warszawa - Zaglebie Lubin (Ekstraklasa (1. Liga))


    Am Feiertag war nicht viel los in Polen. Der Fahrkartenschalter am Szczecin Glowny war fast leer. Dennoch stresste ein Typ, der mit seiner Glatze und dem zerschnittenen Gesicht wie aus einem Horrorfilm entsprungen aussah. Die PKP-Tante musste mir die Reservierungen zweimal
    ausdrucken, da sie sich im Datum irrte. Das brachte den Assi richtig auf die Palme. Der Zug stand schon da, also nichts wie rein. Bis Warschau-Central verging die Fahrt wie im Fluge und das sogar mal wieder komplett im Liegen. Das hat's schon eine Weile nicht mehr gegeben. Na gut, so oft fährt man ja auch nicht mehr. Die Qualität der Spiele hat ja in Polen ziemlich nachgelassen. Von Central musste ich zum Legia-Stadion. Karten ohne Fancard zu bekommen, ist dort kein Problem. Dann kann man den Mist auch gleich abschaffen, was hoffentlich irgendwann wieder passieren wird. Mit der S-Bahn ging es
    dann rüber nach Warschau-West. Mein favorisiertes Spiel von Hutnik wurde nach Tluszcz verlegt. Das passierte sogar noch am Freitag. 20 Minuten vor Abfahrt musste ich mir noch einen Plan B suchen und wurde zähneknirschend mit Olimpia Warszawa fündig. Der Ground von Olimpia ist idiotensicher zu finden. Vom Bahnhof aus immer Richtung Norden und
    einmal links. Ein wenig Zeit war noch vorhanden, also gleich mal eine Verbindung für zurück gesucht und die Reservierung geordert. Dann kam das, was bei unserer Bahn nie vorstellbar sein wird. "Bitte eine Reservierung von West nach Ost." Die Frau am Schalter, der einzig nur für Reservierungen dort war, antwortet: "Ach, die brauchen sie gar nicht. Auf der Strecke kontrolliert sowieso keiner. Einfach reinsetzen." Ich wusste zwar, dass Olimpia einen größeren Ground hat, aber was einen dort erwartet, ist genial. Die Haupttribünenseite existiert praktisch nicht mehr. Es ist nur noch ein zugewachsener Wall mit ein paar Stufenresten übrig. Hinter den Toren stehen wuchtige Kurvenblöcke, ziemlich monumental und Ostblock-verdächtig. Mit dem Spielbeginn sammeln sich ca. 30 Jugendliche in der einen Kurve. Plötzlich tauchen noch 20 weitere auf. Letztere waren die Gästefans. Da beide Vereine durch Freundschaft verbunden sind, stellen sich beide neben einander. Fix wandern noch zwei Fahnen an den Zaun und Fußballatmosphäre kommt auf. Schlachtrufe und ein ganz einfaches Shalala-Lied. Aber es wird nicht oft gesungen. Erst ab der zweiten Hälfte wird es besser und die Trommel wird eingesetzt. Für ein 11h-Spiel, bei dem man nichts erwartete, keine schlechte Ausbeute. Die Stadionkneipe bot so einiges an, also wurde ein Cheesburger probiert - so wie früher, mit viel Kraut! Trotz vielleicht 100 Zuschauern machen die gut Umsatz. Olimpia gewinnt und die Spieler kommen sofort zum Fanblock. Sogar der Gegner wird durch sie gegrüßt. Nun soll Dabki auch kommen. Es kommen nicht alle, um zu danken und gerade einmal zwei Spieler grüßen Olimpia. Ganz schwache Vorstellung. Die Zabki-Fans waren ziemlich sauer auf ihre Spieler. Zurück zum Bahnhof, rein in den Zug und weiter nach Ost. Dort sind es ca. 15 Minuten bis zum Ground von Drukarz. Eine Viertelstunde war bereits gespielt, da erreichte ich den kleinen Platz. Die Hälfte der Tribüne ist neu und unüberdacht, die andere Hälfte verwarlost und zugewachsen. Viel wurde nicht geboten. Im Heimblock standen Jugendliche und supporteten auch zwischendurch mal. Aber außer "Drukarz Warszawa" und "Drukarz spielt sehr schlecht" kam nichts. In der zweiten Hälfte war komplett Ruhe und die Gruppe hatte ihren Platz verlassen. Der Name der Gästemannschaft ist ja total krank - Mszczonowianka Mszczonow. Nach 5 Konsonanten kommt der erste Vokal. Fans brachten sie nicht mit. Nun setzte auch noch Regen ein. Ein ziemlich trostloser Kick vor vielleicht 70 Zuschauern lässt den blick ziemlich häufig auf die Uhr wandern. Das Spiel endet und ich hatte jetzt noch über 4 Stunden Zeit. Natürlich bietet es sich an, den Weg zum Legia-Stadion dann zu Fuß zu bewältigen. Zwar nur 5,5 km, aber frisst schon ein paar Minütchen. So schon ewig früh auf meinem Platz gewesen und gewartet. Legia betritt das Feld zum Auffwärmen und bekommt gleich vom eigenen Anhang ein lautes "Legia spielt totalen Dreck" um die Ohren gehauen, da sie unter der Woche das Prestige-Duell in Bydgoszcz verloren. Lubin wird empfangen mit "Heute bekommt Zaglebie den Schwanz in die Fresse". Nach dem "Traum von Warschau" - Gänsehaut! - laufen die Mannschaften auf. Die Legia-Kurve Zyleta komplett in Weiß! Die Gesänge sind irre laut. Die 150 Lubiner können da nicht gegenhalten und gehen komplett unter. Zwischendurch pöbelten sie in einem günstigen Moment auch mal gegen die Regierung. Und immer wieder kommt die gleiche Ansage, dass Beleidigungen gegen Gegner,
    Verband und Regierung zu unterlassen seien. Die Ansage wurde bestimmt mal aufgenommen und nun wird immer nur auf die Play-Taste gedrückt, wenn die was rufen, was die nicht rufen dürfen. Was die auf den Rängen anbieten ist natürlich erste Sahne und europäische Spitzenklasse. Nach der Melodie "I am sailing" schallt es laut: Nur Legia, geliebtes Legia, heute wartet Warschau auf einen Sieg von dir". Zwei weitere von diesen vielen genialen: "Von der Wiege bis zum Grab, eine Stadt - ein Verein, für die Farben unserer Hauptstadt ziehen deine Fans in die Schlacht"; "Schule, Arbeit, Freundin, Familie - das zählt heut alles nicht, wenn unser geliebtes Legia spielt, dem wir schon sehr lange unser Herz widmen..., wir grüßen die Brüder hinter den Gittern, erinnert euch an diese einfachen Worte, wir werden immer an euch denken, bis ihr wieder hier sein werdet". Das absolut überraschendste Ding heut war so eine Art Marschmusik, nach der alle wie bescheuert tanzten und dann irre laut losbrüllten, dass Legia ein Tor schießen soll. Gewannen am Ende verdient 2:0. Auch bei absoluten Mistgegnern ist hier bessere Stimmung als sonstwo auf diesem Kontinent. Das normale Publikum zieht hier auch vorbildlich mit. Da merkt man erst, wie schwer es die deutschen Ultras in der Bundesliga haben. Von den Kosten lag übrigens die ganze Fahrt unter den einer Fahrt zu einem Bundesliga-Spiel!


    Da ein Zug ausgebucht war und mein Programm für Sonntag so nicht zu packen wäre, ging es direkt nach dem Legia-Spiel zurück in die Heimat, sodass ich es sogar noch zu unserem Heimspiel gegen SC Staaken II schaffte!


    Pilka nozna dla kibicow!

  • Hey!


    Toller Bericht. Hatte damals bei Legia leider nicht das Vergnügen, anscheinend bahnbrechenden Support mitzuerleben. Ich sah letzte Saison Legias Heimspiel gegen Bialystok, wobei Gäste nicht da waren und auch der komplette Fanblock bei Legia leer blieb. Lag meines Wissens nach an irgendeinem Boykott. Legia verlor damals 1:2, was die erste Saisonniederlage bedeutete, wobei Legia immer noch auf Rang 1 verblieb. Dennoch war die Stimmung der knapp 12.000 Zuschauer extrem eisig. Scheint recht typisch für Polen zu sein. Spielt die Mannschaft gut und gewinnt, wird gefeiert, verliert sie (und wenn es nur das erste Mal in der Saison war), wird gnadenlos gepfiffen und geblökt.


    Nun denn, ne Erfahrung war es in jedem Fall. Auch wenn der Ground jetzt nicht so prall war.
    Was ich dir mal ans Herz legen kann, wenn du in Szczecin bist: Stal Szczecin. Echt geiles kleines Stadion. ;)


    PS: Hab von der FuWo aus eure Heimniederlage gegen den CFC gesehen. Hat mir echt gefallen und selbst Murat Tik meinte noch letztes Wochenende zu mir, es sei der bisher stärkste Gegner gewesen. Chapeau! ;)