Zivilcourage? Fehlanzeige
Landsberg/MZ. Es gibt Tage, an denen es schwer fällt, über Fußball zu berichten. So wie an diesem kalten Samstagnachmittag: Der Wind pfeift eisig über den Landsberger Sportplatz. Vier große Fahnen flattern an weißen, sich biegenden Metallmasten, die steife Brise hat sie zum Teil schon in Fetzen gerissen. Unter dem Wellblechdach der kargen Tribüne haben sich vielleicht 50 Zuschauer verkrochen. Die letzten Herbstblätter sausen raschelnd an ihnen vorbei.
Dennoch ist es nicht das Wetter, das dieses unbehagliche Gefühl auslöst, sondern ein hünenhafter Mittdreißiger aus dem Landsberger "Fanblock". Schon während der bisher knapp sechzig Minuten des Landesliga-Spiels zwischen dem SSV und dem FSV Bennstedt fühlt er sich bemüßigt, sich wahlweise über den Schiedsrichter oder einen etwas klein gewachsenen Stürmer der Gastmannschaft aus Bennstedt zu belustigen. Doch nun, als sich der Nigerianer Adulphus Ofodile am Spielfeldrand auf seine Einwechslung vorbereitet, scheint der Wind dem breitschultrigen Mann endgültig den Verstand weggeblasen zu haben. Erst gibt er Affenlaute von sich, und als Ofodile dann in der 69. Minute aufs Spielfeld kommt, ruft der Chaot über den ganzen Platz: "Der hat sich nicht richtig geduscht. Der Stinker, das schwarze Schwein!"
Der routinierte Stürmer der Bennstedter, der vor elf Jahren mit dem damaligen Oberligisten 1. FC Magdeburg den großen FC Bayern München aus dem DFB-Pokal warf, lässt sich glücklicherweise nicht auf die Provokationen ein und versucht lieber, die drohende Niederlage des Tabellenletzten noch abzuwenden.
Nach dem Schlusspfiff sind die Trainer wütend über das Verhalten gegenüber Ofodile. "Er fährt jede Woche von seiner Arbeit in Erfurt zu uns, um uns zu helfen. Und dann muss er sich hier so bepöbeln lassen", sagt Bennstedts Coach Silvio Uhlmann kopfschüttelnd. Und auch sein Landsberger Kollege Maik Ritschel findet deutliche Worte: "Solche Rufe sind nicht zu entschuldigen. Das ist wahrscheinlich der Neid auf einen tollen Fußballer."
Doch sich verbal zu distanzieren, ist das eine. Das andere ist das Handeln des Vereins. Und warum der nicht eingreift, ist rätselhaft. Weder verbannen die Ordner den Mann nach draußen, noch reagiert der Stadionsprecher. Vereinssprecher Sven Lehneis erklärt: "Die Ordner haben mir von dem Vorfall erzählt. Aus ihrer Sicht war es kein Rassismus."
Man kann diese Bewertung der Ordner als lächerlich bezeichnen. Auf jeden Fall ist sie beispielhaft für den naiven Umgang mit Rassismus auf dem Fußballplatz. Und blind und taub gegenüber den Äußerungen eines Halbstarken zeigen sich leider auch die übrigen Zuschauer an diesem Tag. Einige seiner Freunde lachen sogar über die Kommentare. Zivilcourage? Fehlanzeige.
Quelle: Mitteldeutsche Zeitung