Knedliky-Tour mit der Tartan Army (Tschechien – Schottland 1:0)

  • Vor einigen Monaten - als die Auslosung und Ansetzungen der EM-Qualigruppen feststand - wurde ich gefragt, ob ich nicht Lust hätte mit zum Spiel der Schotten in Prag zu fahren. Prag? Bier? Fußball? Die Rahmenbedingungen stimmten und ließen mich sofort zustimmen. Lediglich die Ticketsuche gestaltete sich schwierig. Bestellung via Internet musste 30 Tage vorher aus dem Ausland gemacht werden - zu der Zeit wurden aber online noch keine Tickets angeboten. Die Hotelrezeption zeigte sich gänzlich unmotiviert den eigenen Gästen Karten zu besorgen und das die Partie nicht ausverkauft werden würde, wusste bis dahin niemand. Erst drei Tage vorher meldete sich ein guter Bekannter aus England, der noch Karten übrig hatte. Wir sagten sofort zu und machten uns Donnerstagmittag auf die Reise. Bei Teplice begann die Staumisere und so landete man erst gegen abends halb 7 in der Tschechenmetropole.


    Bereits bei der Ankunft schlichen einige Kilts der "Tartan Army" durch die Straßen Prags. Anschließend wurde gleich die Suche nach den zwei größten Köstlichkeiten des Landes gestartet: Bier und Knödel. Wir wurden schnell fündig und satt. Die zweite Kneipe erwies sich als Glücksfall, denn wir gerieten an ca. 20 sanges- und trinkfreudige Schotten, die uns als Deutsche sofort in ihr Herz schlossen. Mesut Ozil, Thomas Muller und Schwejnstejger hatten ihnen schließlich im WM-Achtelfinale viel Freude gemacht und so waren wir gleich in die Jägermeister-Runden integriert. Jugendschutz beim Alkohol schien es bei den Schotten nicht zu geben. Und so holten die Jüngsten – um die 13 Jahre alt – nicht nur die Schnäpse – sondern tranken auch ausnahmslos jeden mit. Folgerichtig wurden sie betrunken halb 12 von einem Teil der – ebenfalls stark alkoholisierten – Ältesten nach Hause geschleift. Wir diskutierten dagegen ausgelassen über den Stellenwert des schottischen Fußballs. Ein Schotte war als britischer Soldat in Deutschland stationiert, kramte seine deutschen Brocken raus und versuchte mit seinen Fremdsprachkenntnissen zu glänzen. Doch er sprach nicht nur wesentlich besser deutsch als der Rest, sondern auch ein verständliches Englisch und musste zeitweise die Ansagen seiner Kollegen übersetzen, denn der „strong Scottish dialect“ war nicht jedermanns Sache. Wir hatten teilweise große Mühe das Kauderwelsch des Gegenübers zu verstehen, während wir z.B. mit der tschechische Bedienung problemlos englisch kommunizierten. Begleitet wurden die Gespräche von ausgelassenen Gesängen, einigen Bierchen und gemeinschaftlichem Zuprosten. Spätestens als „Stand up, if you hate England“ angestimmt wurde, hatte sich eine deutsch-schottische Freundschaft entwickelt.


    Am nächsten Morgen ging es nach dem Frühstück in die Altstadt um nach 13monatiger Abstinenz mal wieder ein kurzes Sightseeing durch eine der schönsten Städte Europas zu machen, die mittlerweile mit Schottenröcken gefüllt war. Nicht wenige transportierten ihr „flüssiges Mittagessen“ in Kastenform gleich mit über den Wenzelsplatz & Co. Gegen Nachmittag trafen wir unterhalb der Karlsbrücke in einem Café auf unseren Britisch-Schottischen Bekannten, der die Karten im Gepäck hatte. Nun konnte nichts mehr schief gehen, wir steuerten noch mal unser Hotel und Heimatviertel an und fanden 3-4 Stunden vor Spielbeginn kaum noch Schotten in der Nähe, die sich wohl überwiegend Richtung Stadion aufgemacht hatten. Nach einem ausgezeichneten Abendbrot – das wie immer auf Knödeln & Bier basierte – ging es mit der Straßenbahn zur Synot Tip Arena, der Heimstätte von SK Slavia Praha. In der StraBa waren auch erstmals tschechische Fans akustisch und optisch wahrnehmbar.


    Um das Stadion herum herrschte ein buntes Treiben – auch wenn viele Schotten den Eindruck machten, den Abpfiff nicht mehr bewusst miterleben zu können. Uns schickte ein Tscheche bei der Frage nach dem richtigen Eingang auf eine drei/viertel-Stadionrunde, die wir nutzten um noch ein Bier auf dem Weg mitzunehmen – das mit Abstand teuerste der gesamten Fahrt mit umgerechnet fast 2,50€.


    Also ab ins Stadion, viel Zeit war nicht mehr bis zum Anpfiff, der Einlass verlief zügig, die Kontrollen eher sporadisch und der Weg zum Sitzplatz war recht kurz. Das Stadion macht von außen und innen nen schicken Eindruck. Eine moderne Fußballarena mit Holzverkleidung unterm Dach und einem halben Oberrang auf der Tribünenseite. Man ist relativ nah am Spielfeld und es gibt keine Fangnetze, die die Sicht behindern. Obwohl es nur 21.000 Plätze fasst, wirkt es als reine Sitzplatzarena wesentlich größer. Uns wurden ca. 6.000 Schotten versprochen und so viele waren es am Ende wahrscheinlich auch – insgesamt pilgerten aber nur 16.000 Zuschauer zum Quali-Spiel „Cesko – Skotsko“. Außerdem erspähten wir eine Zaunfahne von der neugegründeten ASG Vorwärts Dessau.


    Die Stimmung war zu Beginn bei den Schotten noch sehr euphorisch, während die Heimfans kaum wahrzunehmen waren. Besonders in der Anfangsphase war das Liedgut der „Tartan Army“ lautstark zu hören, während später der Support immer mehr einschlief.


    Die Startphase gehörte auf dem Feld klar den Hausherren. Nach ca. einer halben Stunde bilancierten wir: „Die größte Chance der Schotten war die eine Situation, als sie auf Außen fast zur Flanke kamen.“ Schottland spielt offensiv nicht etwa schlecht, sie spielen erbärmlich. Wenn man Reporter die Phrase „am 16-Meter-Raum ist Schluss“ rausholt, kann man zusammenfassend sagen: ab der Mittellinie gelang den Gästen nichts. Tschechien spielte jeden Spielzug über Mittelfeldstar Tomas Rosicky. Doch der Ex-Dortmunder kann der harmlosen Czechy-Offensive auch nicht zum Torerfolg verhelfen – besonders Rangers-Keeper Alan McGregor stemmte sich gegen das Gegentor. Symptomatisch: die größte Schottenchance resultierte dagegen aus einer abgefälschten Flanke, die Petr Czech – von den Schotten liebevoll als „Chelsea Wanker“ liebkost – mit dem Gesicht entschärft.


    Fazit zur Halbzeit: mit beiden Mannschaften hätten Jogis Jungs kein Problem gehabt. Mittlerweile trudelte auch das 1:0 von Klose beim Heim-/Auswärtsspiel in Berlin auf dem Handy ein.


    Die zweite Hälfte begann mit ein paar lichten Momenten der Insulaner, die aber unbelohnt blieben. Die Tschechen verstärkten ihre Bemühungen, trafen jedoch entweder das Tor nicht oder blieben im dicht besetzten schottischen Strafraum hängen. Einen Kopfball von Jan Polak fischt McGregor sehenswert aus dem Eck. Kurz darauf passiert es doch. Ecke Rosicky, der eingewechselte Roman Bednar verlängert und Roman Hubnik köpft zur 1:0-Führung ein (69.). Nach der Drangphase durchaus verdient.


    Schottland bemühte sich zwar um den Ausgleich, kam aber kaum zu nennenswerten Chancen. Dagegen versiebten die Gastgeber gute Gelegenheiten zur Vorentscheidung. Die große Unterstützung der betrunkenen Gästemeute blieb aus. Lag teilweise auch daran, dass manche ihren Rausch bereits während des Spiels ausschliefen. Die meisten Lautäußerungen bestanden aus einem lallenden Schwall, der größtenteils aus „fuck“ bestand. Es blieb im Stadion aber rundum friedlich und auf dem Rasen auch beim verdienten 1:0 in einem Spiel, dass mit einer Europameisterschaft gar nichts zu tun hatte.


    Nach dem Spiel ging es noch kurz an einer Fernsehstation vorbei, die es jedem Flitzer denkbar leicht machte ein paar Sekunden live im tschechischen Fernsehen zu erhaschen. Vor dem Stadion waren alle Bahnen und Taxen hoffnungslos überfüllt und wir fanden erst nach ein paar hundert Meter ein freies Taxi zurück Richtung Zentrum. Dort waren die Schottenröcke schon aus dem Stadtbild weitestgehend verschwunden. Zu betrunken und zu deprimiert schienen die Erben Macbeth' zu sein. Zwei einsame Schotten beteuerten uns den „best Sunday of the summer“ gehabt zu haben, als es am Wochenende des NOFB-Turniers für England nichts zu holen gab. Wir suchten uns noch ein paar Abschiedsbier, denn Samstagmittag sollte es zurück in die Heimat gehen. Auf dem Heimweg wurden in Usti nad labem die letzten „knedliky“ getankt und noch ein paar Bier/Becherovka-Präsente eingesackt.


    Fazit: Auch abseits der Deutschland-Länderspiele gibt es was zu erleben. Prag wird immer eine Reise wert sein und am Dienstag hab ich mich doch etwas geärgert, als die liebgewonnenen und wie ausgewechselt spielenden Schotten knapp an Spanien scheiterten.

    Tschechien – Schottland 1:0 (0:0)

    Tor: 1:0 Hubnik (69.)
    Zuschauer: 16.000
    Tschechien: Cech, Suchý, Kadlec, Hubník, Necid (84.Holek), Polák, Magera (59.Bednár), Rosický, Pospech, Plašil (90.Rajnoch), Hübschman
    Schottland: McGregor, Hutton, Whittaker, McManus, Weir, G. Caldwell (76. Miller), D. Fletcher, Mackie (76.Iwelumo), Naismith, Morrison, Dorrans


    R.I.P. Fußball: TeBe Berlin, SSV Reutlingen, Eintr. Bamberg, RW Essen, Bonner SC, Waldhof Mannheim, SpVgg Weiden, SSV Ulm, 1.FC Kleve, LR Ahlen, Sa. Leipzig, Germania Windeck, TuS Koblenz, VfL Kirchheim, Borea Dresden, GW Wolfen, Türkiyemspor, Kickers Emden, 1.FC Gera, Eintr. Nordhorn, RW Kemberg, Germania Schöneiche, VfB Lübeck, OFC Kickers, Wuppertaler SV, FC Oberneuland, MSV Duisburg... [to be continued]

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