Meine Geschichte vom Landespokalfinale beginnt bereits 10 Tage vor dem Spiel, denn eigentlich war ich am 27.Mai eingebunden. Doch ich konnte meine Verpflichtungen problemlos eine Woche vorverlegen, so dass der Neuauflage zwischen dem FCM und Titelverteidiger HFC nichts mehr im Wege stand. Am Tag des Derbys ging es bereits 13.16 Uhr los gen Norden. Erste Zwischenstation war die Heimat des frischgebackenen Thüringer Pokalssiegers. In Erfurt wurde am Kiosk kurz ein Blick durch den Thüringer Blätterwald geworfen, um schon mal rot-weiße Pokalsieger aus der Nähe zu sehen.
Gegen 17 Uhr war dann in Halle Abfahrt über die übliche Route (Schönebeck) ging es zur beschaulichen Maggi-Schüssel. Dank der Elbbrücke war man erst eine Dreiviertelstunde vor Spielbeginn am Stadion, um noch schnell ein Bier zu genießen und ein paar Prognosen auszutauschen. Im Stadion verriet die Aufstellung, dass mit Neubi und Hebe auf den alt(bewährt?)en Sturm gesetzt wird.
Der Einmarsch der Teams brachte die nächste Überraschung, Rot-Weiß lief in brandneuen Pokaltrikots auf („Seit wann gibt’s die?“ „Seit heute!“). Beide Choreos ganz nett, aber nicht die Art von Choreographie, über die man in 10 Jahren noch spricht. Warum die FCM-Fans ausgerechnet mit den Magdeburger Stadtfarben, die ja nicht die ihrigen sind, werben – bleibt ihr Geheimnis. Den Bogen von „FCM als Verein der Stadt“ konnte man damit nur schwer schlagen. Die Stimmung war auf jeden Fall würdig, auch wenn die Gäste vom vielen Feiern etwas müde wirkten. Im Vergleich zum Vorjahr war es auf jeden Fall ein Heimspiel für den FCM.
Zum Spiel: die zuletzt ausgelaugten Hallenser mit der ersten Chance, Ronny Hebestreit verlängert auf Pavel David, der ballert drüber. Dann das 1:0 für den FCM durch Vujanovic... denkste! Der erfolgreichste Torschütze Magdeburgs tanzt Christian Kamalla aus und während ich mich mit einem frühen Rückstand abfinde, schiebt er das Leder an den Außenpfosten. Darko Horvat muss seine Vorderleute vielfach zusammenfalten, Jan Benes vertendelt an der Auslinie das Leder und hat Glück, dass die Maggis den Fehler nicht bestrafen. Andere Seite: Freistoß Rene Stark, der gescholtene Benes leitet das Leder an Hebe weiter, der sich die Ecke aussuchen kann, aber sich für das Toraus entscheidet. Noch eine letzte Randnotiz bevor sich die Geschehnisse überschlagen: der starke Catalin Racanel trifft per Freistoß ans hallesche Außennetz.
Es läuft die 27.Spielminute, langer Ball aus der Magdeburger Hälfte gen Horvat. Adli Lachheb hat das Leder unter Kontrolle, ruft seinen Torwart herbei, der klären soll. Doch Darko ist zu weit weg, Adli schirmt das Leder nicht entschlossen genug ab, ein Blauer 25er stürmt heran. Darko springt von der Strafraumgrenze ab und steigt zum Kopfball hoch, kracht in der Luft mit Najeh zusammen, beide purzeln auf den Rasen hinab, Adli kann klären. Der Schiri pfeifft, alle orientieren sich zur Mittellinie, bloß ein einzelner Blauer peitscht seinen Fanblock an. Kann er gerne machen, gehört schließlich dazu. Sekundenbruchteile später verstehe ich die Geste, Schiri Gunnar Melms pfeifft Elfmeter. Okay, die Fernsehbilder werden sicherlich Aufschluss geben; die Analyse der TV-Mitschnitte spare ich mir jetzt. Magdeburgs Bester tritt an. 1:0 Racanel.
An der Seitenlinie wird es nun lauter als im gesamten Stadion. Der vierte Offizielle Reiner Thrun wird den eigenen Morgen bereuen als er vergaß Ohropax mitzunehmen. HFC-Manager Ralph Kühne redet erbost auf Herrn Thrun ein, es gesellen sich Markus Müller, Thorsten Görke und Torwarttrainer Jens Adler dazu. Und beim 50-jährigen Offiziellen zwischen den Trainerbänken wird es nicht ruhiger, keine 60 Sekunden nach der Führung liegt „Natsch“ Braham am Boden. Der Tunesier dürfte mit seinen ca. 5 „medizinischen“ Behandlungen am Spielfeldrand im Laufe des Abends einen neuen Rekord aufgestellt haben. Fußballerisch passiert nichts mehr, Braham und Racanel schmeißen sich abwechselnd schreiend zu Boden. HFC-Kapitän Nico Kanitz reißt der Geduldsfaden und versucht die Darbietung zu Wiederholen, bekommt aber keinen Freistoß. 42.Minute: Ronny Hebestreit im Zweikampf mit Martin Zander, der dabei zu Boden geht. Der Erfurter bleibt am kullernden Zander hängen und sieht Rot, für den Schiri äußerst kontraproduktiv. Hebe war neben Köhler noch der einzige HFCer mit ruhigem Gemüt, der Spießrutenlauf für Melms war perfekt. Gott sei Dank gibt’s erst mal eine Halbzeitpause.
In diesen 15 Minuten sammelten sich alle Akteure noch einmal. Es kursieren die wildesten Gerüchte. Vujanovic soll im Spielertunnel einen Hallenser geschlagen haben, nicht Hebestreit sondern Zander soll nachgetreten haben. Motto für die zweite Halbzeit konnte nur lauten: „Wir haben keine Chance, nutzen wir sie!“
Der 1.FCM, wesentlich frischer und mit einem Mann mehr, suchte die Entscheidung, fand sie aber nicht. Horvat stand dem 2:0 nach einem Zander-Kopfball im Weg. Maximillian Watzka konnte eine Vujanovic-Vorlage auch nicht am Keeper vorbeibringen. Der HFC ging mehr Risiko, erstmals in der Saison schlich sich Innenverteidiger Christian Kamalla bei Ecken in den gegnerischen 16er. 66.Minute: Thomas Neubert geht, Markus Müller kommt. Und eben jener Müller spielte sich nun mit jeder Aktion in die rot-weißen Herzen. Der Aue-Youngster bewies großen Kampf und riss sich den Allerwertesten auf und ging keinem Zweikampf und keiner Auseinandersetzung aus dem Weg. Binnen einer Viertelstunde hatten die 11 Blauen mehr Respekt vor ihm, als sich Neubert in den 4 Derbys insgesamt erarbeitet hat.
Braham tauchte mal wieder auf, dieses mal nicht bei der medizinischen Abteilung sondern vor dem HFC-Tor. Erst passt er frei vor Horvat ins nichts, dann köpft er drüber. Der HFC hatte kein echtes Konzept für den Ausgleich, die Magdeburger Konter waren meist zu pomadig. Markus Müller prüfte mit einem Freistoß (fieser Aufsetzer) Christian Beer, der mit dem Schuss alle Hände voll zu tun hatte. Vujanovic, der eher an einen Chancentod als einen Stürmer erinnerte, schoss am rechten Pfosten vorbei. 90.Spielminute, die berühmte letzte Chance vor dem Abpfiff vergibt David mit einem Schuss über das Tor. Ein letzter Konter für die Blauen, Benes ist fertig und bleibt liegen. Vier Magdeburger marschieren auf den einsamen Lachheb zu. Der tunesische Abwehrrecke kann den Pass auf Radovan nicht verhindern, der auf dem Weg zum sicheren 2:0 ist... wenn er das Tor treffen könnte. Wäre der Serbe ein ehrlicher Sportsmann hätte er die Strafe in Form von mindestens 30 Liegestützen freiwillig an Ort und Stelle ausgeführt. Abstoß Horvat, Abpfiff Melms, Jubel in Blau-Weiß.
Brahams Jubel vor der HFC-Kurve blieb eine Randnotiz. Neubi fand es peinlich, dass der Gegner es in Überzahl nicht geschafft hat, den HFC zu besiegen. Sicherlich die ersten frustrierten Worte nach dem Abpfiff, geprägt von vielen Emotionen. Die unterlegene Mannschaft wurde keineswegs schlechter gefeiert, als die siegreiche. Nachdem man im Vorjahr die Siegerehrung im Schnelldurchlauf durchführte, um den unliebsamen Gast schnell rauszuscheuchen, wurde dieses Jahr bewusst getrödelt. Denn die Gästefans wollten trotz Niederlage im Prestigeduell einfach nicht das Stadion verlassen. Während die Einheimischen nicht mit Bier geizten, feierten die Roten ihre eigenen Helden. Es kam dann im halbleeren Stadion doch noch zur Siegerehrung. Als die Hallenser entweder schon den Heimweg antraten oder auf dem Rasen ihre Lockerungsübungen machten, konnte die Party endlich steigen. Braham sorgte nachdem er seine medizinische Abteilung in Dauerstress versetzt hatte für einen neuen Rekord und legte die kürzeste HUMBA (man kennts im Osten auch als UFTA) hin, die ein deutsches Fußballstadion je gehört hat. Ich persönlich war etwas enttäuscht, dass Natsch auf ein „Scheiß Chemie Halle“ verzichtet hatte, aber wen will man provozieren, wenn keiner mehr da ist? Zumal er sich in Anwesenheit von Müller doch eher für die kürzere Feier entschied. Fazit: Mageburg hat den Pokal, Halle zieht den kürzeren – aber das schlimmste wurde verhindert: ein Triumphzug des FCM. Selten war es so schmerzlos im Landesderby zu verlieren.
Nach einer kurzen Begegnung mit FCM-Kapitän Daniel Rosin, der enttäuscht zur Kenntnis nehmen musste, dass sein Status als Magdeburger Spieler nicht allein dafür reichte, dass ich ihm die Tür aufgehalten habe, ging es zurück gen Süden. An der Elbe ließen es sich die Maggis nicht nehmen, Autos mit dem schönen Kürzel „HAL“ in ihre Feier einzubeziehen. Das wäre beim Kleinbus direkt vor uns fast schief gegangen, denn als Gastgeschenk zum Pokalsieg wurde aus dem Auto noch eine volle Bierflasche spendiert. Auf der A14 schienen noch mehr Bierflaschen auf dem Weg verloren gegangen zu sein. Die Polizei brachte kurzerhand die gesamte Autobahn zum Stehen und schaffte mit einer Schaufel Scherben und Silvester-Überbleibsel von der Fahrbahn. Halb 12 war man erstmal wieder daheim angekommen.
Donnerstag früh ging es mit einem Pokalfighter vom Vortag weiter gen Süden und man richtete den Blick voraus. Was wäre wenn... ganz heimlich durfte nachdem das Thema Pokal 09 zu den Akten kam wieder von Liga 3 geträumt werden. Als DFB-Pokalgegner für MD einigte man sich auf die TuS Koblenz, dürfte immerhin das erste Aufeinandertreffen dieser Art sein. Auch was schönes. Einen besonders warmen Empfang bekam ich Donnerstagvormittag von einigen Nicht-Magdeburgern, die mich mit etwas Schadenfreude und einem fröhlichen „1.FCM“ empfingen und sich erkundigten, wie der Elfmeter denn so aussah. Keine Ahnung. Nächstes Jahr gibt’s vielleicht wieder 10 Elfmeter.
Hallescher FC - 1.FC Magdeburg 0:1 (0:1)
Tor: 0:1 Racanel (27./FE)
Zuschauer: 12.988
HFC: Horvat - Schubert, Lachheb, Kamalla (77. Kittler), Benes - Re. Stark, David, Finke, Kanitz (82. Kunze) - Hebestreit, Neubert (64. Müller)
FCM: Beer - Bankert, Rosin, Prest, Dragusha - Watzka, Racanel - Zander, D. Bauer - Vujanovic, Braham