Zufrieden und erschöpft schaue ich aus dem Zugfenster, mein Blick kann die vielen vorbei rauschenden Bilder nicht richtig erfassen. Ich bin nicht konzentriert genug. Ich bin in Gedanken woanders. Ich bin noch im Steigerwaldstadion. Das Spiel der Spiele ist jetzt gut 20 Stunden vorbei, der neue Thüringenpokalsieger ist der Alte. Aber das Drumherum ist eben immer besonders. In meinem Kopf spielt sich das ganze Spiel noch einmal ab. Aber diesmal muss ich nicht so leiden, immerhin etwas, wozu das Kopfkino gut ist. Noch bevor der gedankliche Anpfiff erfolgt, fasse ich für mich das Theater mit dem Endspielort (erst Gotha und dann doch Erfurt) zusammen. Nun soll es aber genug Vorspiel sein, jetzt geht’s (wieder) los. Einzige Änderung zum Vortag für mich ist, dass in meiner Fantasie Lars Sänger der Stadionsprecher ist. Das Lied Hells Bells von AC/DC läutet das Spiel ein und die Mannschaften laufen auf. Es sind immerhin 10750 Zuschauer zu diesem Klassiker gekommen. Davon knapp ein Viertel aus der Stadt, die ich in meinem Kopfkino gar nicht kenne (die Realität sieht ja anders aus). Mit dem Anpfiff geht’s auch gleich ganz dicke los. Leider nicht im positiven Sinne. Nein unsere Abwehr spielte (wie am 15.08.2008 ) das Spiel „nimm du ihn, ich hab ihn sicher“ und schon stand es Eins zu Null für Jena (Gut, dass es kein Eigentor war, aber Norman Loose spielte ja auch nicht mit, Torschütze war „Heinz Schembri“). Was dann kam, brauch ich nicht zu erzählen, das Gehirn besitzt hier eine Vorspulfunktion, Fußball jedenfalls wurde größtenteils von beiden Teams nicht gespielt. Kurz vor der Halbzeit wollte Peßolat das Publikum nochmals wecken, aber sein Hammer aus 5m parierte Nulle, sie blieb es bei der Führung der Falschen. Das Gelaber während der 15 Minuten habe ich inzwischen auch von der Festplatte gelöscht, so dass es damit weitergeht, dass in Halbzeit zwei erstmal nichts ging. Irgendwie war das „Not gegen Elend“ nur noch schlimmer geworden. Einzige Ausnahme war der Freistoß von der Mittellinie (so um die 55. Minute), den Schmidt ins Tor verlängerte (ja Orle, ich spule das in Gedanken vor und zurück, aber da hast du gepennt). Es ist echt schlimm mit anzusehen, wie die Falschfarbenen in Erfurt jubeln. Und dann auch noch so ein „uneinholbares“ 0:2. Ich dachte ehrlich gesagt ans Heimgehen, aber soweit kam es dann zum Glück nicht. Ein Trostkaffee (gibt’s im SWS für 1 Euro je Becher) richtete mich wieder auf. Und irgendwer in meiner Nähe war unbedingt der Meinung, dass der (bis dahin wirklich schwache) RWE das Spiel noch drehen kann. Und die ersten Anzeichen dafür kamen so in der 70. Minute auf. Die Heinze im Gästeblock zündelten ein wenig rum. Aber das Feuer griff nicht auf die Jenaer Mannschaft über (die waren nämlich ausgebrannt), nein die Erfurter entfachten nun einen Angriffssturm. Die Hereinnahme von Cannizaro und Semmer wirkte sich positiv aus. Und es kam wie es kommen musste, Erfurt schaffte das 1:2 (Gedankereplay an) und Jena kam mächtig ins schwimmen. Plötzlich waren auch die 8000 Erfurter Zuschauer voll da. Die Stimmung war nicht nur auf die Fanblöcke beschränkt, nein das ganze (Rest)Stadion machte mit. Es war einfach klasse und gehört wohl ab jetzt zu Augenblicken, den die kleine Videothek zwischen meinen Ohren gespeichert hat. Keine 5 Minuten später stand dann das Stadion endgültig Kopf, denn Pagenburg markierte den Ausgleich. Ab jetzt wurde gebrüllt bis zur Heiserkeit (kleine Anmerkung vom Kopfkinoabspielgerät, „du bist auch jetzt noch heißer und musst deshalb den Bericht schreiben und kannst ihn nicht erzählen“). Irgendwie war ich in diesem Moment perplex und froh zugleich. Denn eine Zwei Tore-Führung gegen Jena biegt man nicht alle Tage um (ich erinnere mich da an den Herbst 2008, als es an gleicher Stelle andersrum lief, aber das Spiel endete 2:2, genauso erinnere ich mich an das Pokalspiel im März 2009 (das vorletzte Spiel unter dem alten Flutlicht), als eben diese Falschfarbenen hier 2:0 im Pokal gewannen). Zurück in die jüngere, ein Tag alte, Vergangenheit. Es waren noch gut 12 Minuten mit Nachspielzeit zu spielen und der Angriffsdruck der Erfurter ließ nicht nach. Immer wieder wurde der Ball nach vorne gespielt. Erst vergab Schnetzler einen Freistoß, ehe Semmer eine Schnetzlerflanke in das Tor köpfte. Bei diesem Kopfball (soweit ich mich erinnern kannm schließlich wurde ich beim Jubel kräftig durchgeschüttelt) spielte der Junge Semmer wie der alte Uwe Seeler mit dem Hinterkopf. Wahnsinn dachte ich mir und denke es auch jetzt gerade. Im Spiel passierte nichts Aufregendes mehr, Jena mühte sich zwar, aber heraus kam nichts mehr. Dann kam die Siegerehrung mit der Pokalübergabe. Endlich mal wieder das schöne Gefühl etwas in den Händen zu halten (auch wenn es eher symbolisch gemeint ist). Es gab an diesem Abend mehrere Jubelarien im Steigerwald. Nur eben 2500 Falschfarbene plus 11 Spieler wirkten deprimiert, denn der Gästeblock leerte sich sehr schnell. An der Stelle will ich dann auch mal das Kopfkino wieder ausstellen, denn mein Zug ist gleich am Zielort. Eine Reise geht zu Ende, es war eine, die sich gelohnt hat.
In diesem Sinne
Sport Frei