Knapp in Leipzig angekommen musste die Mannschaft sofort zurück in den Bus. Ein kleiner Leipziger Fußballverein wollte 150 Euronen für die Benutzung seines Trainingsplatzes und so stellte Lok dankenswerterweise und kostenlos einen Nebenplatz des Bruno-Plache-Stadions zur Verfügung – doch der lag am anderen Ende der Stadt. Aber allein der Blick ins altehrwürdige Stadion war die Fahrt allemal wert und die Mannschaft brachte nach der 6-stündigen Busfahrt ein wenig Bewegung in die müden Beine. Der Abend wurde dann gemeinsam vor dem Fernseher verbracht, wobei 2 Schönberger Spieler sich über den Erfolg Russlands ganz besonders freuten.
Am nächsten Morgen wurde die Anspannung langsam greifbar. Frühstück, gemeinsamer Spaziergang mit Lockerungsübungen, bei denen insbesondere Schönbergs Schatzmeister Wolfgang Trottnow eine gute Figur machte, Mannschaftsbesprechung im Hotel und Abfahrt zum Zentralstadion – es wurde immer ruhiger im Team. Als der Bus in den Katakomben des Zentralstadions verschwand wurde endgültig klar – jetzt wird es ernst. Der erste Blick in die WM-Arena von 2006 brachte vor allem die Erkenntnis, dass es unfassbar heiß auf dem Platz war. Es wehte kaum ein Lüftchen, vor allem auf der Ersatzbank war es nicht auszuhalten. Das Stadion füllte sich so langsam und bereits beim Warmmachen bekam man deswegen einen Eindruck davon, wie großartig die Kulisse beim Spiel werden würde. Und beim Auflaufen der beiden Mannschaften war einfach nur Gänsehaut angesagt.
Doch die Schönberger zeigten sich davon wenig beeindruckt. Kapitän Serkan Rinal und Paul Manthey waren sich einig: „Mit dem Anpfiff haben wir die Kulisse komplett ausgeblendet. Da kriegst Du im Spiel gar nichts mit.“ Hochmotiviert wollten die Grün-Weißen das Ergebnis aus dem Hinspiel drehen. Noch einmal Serkan Rinal: „Alle auf dem Platz einschließlich Trainer wollten aufsteigen.“ Und so bekamen die Maurinestädter nach einem Kopfball von Steven Aßmann, den Norman Köhlmann erst im Nachfassen unter Kontrolle brachte, zunehmend Oberwasser. Christian Klingenberg erreichte eine Fogel-Flanke nicht und als Yuzuru Okuyama sich auf der rechten Seite gegen Holger Krauß durchsetzte, brannte es lichterloh im Leipziger Strafraum. Der Gastgeber hatte mit einigen gefährlichen Flanken und einer Eckenserie zwar noch die optische Überlegenheit für sich, brachte Schönberg damit aber nicht ernsthaft in Verlegenheit, weil sich vor dem Tor keine Abnehmer fanden. Nur einen weiteren Aßmann-Kopfball nach einer Kunert-Flanke in der 36. Minute musste Norman Köhlmann mit einem Reflex zur Ecke klären.
Nach der Pause ging den Blau-Gelben die Puste aus und Schönberg übernahm nun endgültig das Ruder im Zentralstadion. Lok verlegte sich auf’s Kontern, brachte dabei aber bis auf einen Gewaltschuss von Rico Engler nach einer Schreiber-Vorlage wenig zustande. Doch auch die Gäste machten zunächst zu wenig aus ihrer Überlegenheit. Ein gefährlicher Freistoß von Alexander Frank in der 70. Minute – das war’s eigentlich auch schon. „Unser Spiel nach vorn ist das Problem“, analysierte Serkan Rinal später. So begannen die Leipziger Fans sehr früh ihren Aufstieg zu feiern, doch in der 79. Minute gelang Schönberg der verdiente Führungstreffer. Der gerade eingewechselte Dmytro Grybkow kam eindrucksvoll über die rechte Außenbahn und flankte hoch auf den langen Pfosten. Dort flog Yuzuru Okuyama in den Ball und ließ Jan Evers keine Chance. Und die folgenden 11 Minuten dürften zu den längsten gehören, die die Leipziger auf einem Fußballplatz erlebten. Schönberg bekam die zweite Luft und spielte den Gastgeber an die Wand. Marcel Hensgen beschwor die Balljungen: „Ihr könnt Euch Zeit lassen!“ – Lok war mit den Kräften am Ende und sehnte den Abpfiff herbei. Und wenn Alexander Fogel in den Schlusssekunden resoluter zum Ball gegangen wäre – wer weiß… „Ich wollte den Leipziger Torwart nicht verletzten“, erklärte Schönbergs Stürmer nach dem Spiel diese Szene.
Mit dem Schlusspfiff begann auf der einen Seite der grenzenlose Jubel und auf der anderen Seite die unendliche Enttäuschung. Da war es den Grün-Weißen völlig egal, dass sie auswärts ihre weiße Weste behielten und Leipzig die erste Niederlage im neuen Zentralstadion beibrachten. „Dafür gibt’s keinen Preis“, meinte der traurige Torvorbereiter Dmytro Grybkow.
In der Pressekonferenz nach dem Spiel gab’s nicht mehr viel zu sagen, die Bilder auf dem Platz hatten dies bereits getan. Schönbergs Trainer Dinalo Adigo: „Obwohl wir alles gegeben haben, sind unsere Pläne leider nicht aufgegangen. Aber wir bleiben auswärts weiter ungeschlagen. Glückwunsch an Lok zum Aufstieg und Kompliment an die enthusiastischen Leipziger Fans!“ Und Lok Trainer Rainer Lisiewicz: „Wir wussten, dass das kein Selbstläufer wird. Ich hätte nichts gegen ein 0:1 in der Nachspielzeit gehabt, aber so hat das mächtig Nerven gekostet. Aber an Ende zählen immer 2 Spiele.“ Schönbergs Geschäftsführer Marcel Bartsch ergänzte: „Riesenkompliment an unsere Mannschaft. Ein Spiel geht leider nur 90 Minuten.“ Und der sichtlich erleichterte Steffen Kubald: „Wir haben ein Riesenspiel gemacht. Ich bin sehr froh und stolz auf die Mannschaft. Was wir in 4 Jahren erreicht haben, dürfte deutschlandweit einmalig sein.“
Kapitän Serkan Rinal, der noch lange fassungslos auf dem Platz stand, sagte noch: „Wir waren 3 Halbzeiten die bessere Mannschaft – das ist alles ziemlich bitter.“ Und mit den Gedanken an Sven Wittfot, der sich im Hinspiel so schwer verletzte, fügte Rinal hinzu: „Wir haben heute auch für Sven gespielt.“ Und so floss dann auch die ein oder andere Träne, während die Leipziger wenige Meter weiter ihren Aufstieg euphorisch feierten.
FC Schönberg 95: Norman Köhlmann, Alexander Frank, Paul Manthey, Yuzuru Okuyama, Andre Kalbau (74. Dmytro Grybkow), Mamadou Sabaly (85. Marcus Klaczinski), Thomas Manthey, Christian Radom, Serkan Rinal, Alexander Fogel, Christian Klingenberg (46. Benjamin Brügmann)
1. FC Lokomotive Leipzig: Jan Evers, Marcel Hensgen, Alexander Kunert, Stephan Knoof, Kevin Rienaß (80. Sven Hellmund), Manuel Starke, Holger Krauß, Steven Aßmann, Anton Köllner, Rico Engler (59. Rene Heusel), Ralf Schreiber (70. Matthias Hellmund)
Gelbe Karten: Christian Klingenberg, Andre Kalbau, Christian Radom - Stephan Knoof, Kevin Rienaß, Steven Aßmann
Tor: Yuzuru Okuyama (79.)
Zuschauer: 9949
Schiedsrichter: Matthias Klatte (Wildau)
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Bereite das 0:1 vor: Dmytro Grybkow