Fundsache im Netz und bei foros.de
Pünktlich zur Bundestagswahl haben BAFF und PROFANS Fragen an die Parteien bezüglich der Datei Gewalttäter-Sport und allgemeinen Überwachungsmaßnahmen gerichtet. Hier die Fragen und die Antworten:
Die Fragen an die Parteien:
1. Wie bewerten Sie die Datei Gewalttäter-Sport in Bezug auf demokratische Kontrollgremien? Wie bewerten Sie die Begründung, die zu einer Erfassung führt *) Welche Stellen dürfen in welcher Form Zugriff auf diese Daten haben(**) und wie bewerten Sie die Tatsache, dass ein Betroffener nicht informiert wird, wenn ein Eintrag vorgenommen wird? Welche Möglichkeiten sollen Ihrer Ansicht nach bestehen, um falsch vorgenommene Einträge zu löschen und daraus folgende Konsequenzen (Ausreiseverbote, Meldeauflagen, etc.) für den zu Unrecht Betroffenen zu verhindern?
2. Zur WM 2006 werden vielerlei öffentliche Überwachungsmaßnahmen, auch ausserhalb von Fussballereignissen, eingeführt. So z.B. auch Videoscreening, teilweise mit computergesteuerter Gesichtserkennung, an öffentlichen Plätzen. Wie hoch sind die Kosten für die Installation und den Betrieb dieser Systeme und wer bezahlt dies? Wie sicher und Aufgrund welcher Referenzen und Tests sind die Ergebnisse zu bewerten? Was passiert nach dem WM, wenn die Hooligan-Prävention nicht mehr im Vordergrund steht? Wie erfolgt eine demokratisch legitimierte und datenschautzrechtliche Kontrolle der Systeme, um Missbrauch zu verhindern? Werden diese Systeme nur für den Zeitraum der Fussball-WM, oder auch im Alltag eingesetzt?
(*) = Die Formulierung für die Aufnahme in der Datei liest sich wie folgt: "Dort werden Personen gespeichert (...) wenn zu befürchten ist, dass die betroffenen Personen sich in Zukunft an anlassbezogenen Straftaten beteiligen werden.
(**) = Routinekontrollen, Personalienüberprüfungen, Passkontrollen, usw.
Gefragt wurden die Parteien, die in mindestens einem Bundesland bzw. der Bundesregierung mitregieren, und die Datenschutzbeauftragten der Länder.
Die Antworten:
Erst die Parteien (in alphabetischer Reihenfolge):
* Bündnis 90/Die Grünen
* CDU
* CSU
* FDP
* Linkspartei.PDS
* SPD
dann die Datenschutzbeauftragten:
* Brandenburg
* Berlin
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Bündnis 90 / die Grünen
Bündnis 90/Die Grünen sehen die Fan-Kultur als eine wichtige Säule des Fußballs an. Die zahlreichen Fan-Initiativen, von denen hier das Bündnis Aktiver Fußball-Fans (BAFF) oder die Initiative Pro Fans stellvertretend genannt sein sollen, sind zu Botschaftern für Fußball und Verein und zu Trägern der Begegnung und des Kulturaustausches geworden.
Besonders im zusammenwachsenden Europa hat der Fußball eine große Bedeutung. Tatsache ist: Kaum ein Bürger kennt die maßgeblichen Regelungen zum Sport in der EU-Verfassung. Es gibt jedoch nur wenige Wissenslücken, wenn es im Fußball um Mannschaftsaufstellungen, Fan-Gesänge oder die Nennung des Trikotausrüsters geht.
Die Fan-Initiativen bringen sich aktiv in die Weiterentwicklung des Fußballs ein. Sie starten Aktionen für mehr Toleranz und gegen Rassismus im Stadion und verdeutlichen auf diesem Weg, dass der Gedanke der Fairness ein konstitutiver Bestandteil des Sports ist. Auch deswegen liegt es im Interesse der Fans, dass Hooligans keine Chance für Gewalt bekommen und aus den Stadien ferngehalten werden können.
Datei "Gewalttäter Sport" - Ombudsstelle muss Problemfälle klären
Kein Zweifel: Für alle Fußball-Fans ist die Fußball-WM 2006 in Deutschland ein Höhepunkt. Dies sollte Anlass sein, auf mehr Verständnis und Kooperation zwischen allen Beteiligten zu setzen. Die schon lang andauernde Kritik von Fan-Initiativen an der Datei "Gewalttäter Sport" nehmen wir sehr ernst.
Wesentliche Kritikpunkte der Fans sind durch defensive Kommunikation der Polizeibehörden sowie die Zunahme von umstrittenen Erfassungen in der Datei sogar noch verstärkt worden. Aus unserer Sicht müssen verhärtete Fronten endlich aufgelöst werden. Auch die Verantwortlichen von DFB oder DFL müssen da mit an den Tisch. Niemand darf ungerechtfertigt vom Besuch der Sportveranstaltungen ausgegrenzt werden. Es muss nachvollziehbare Regeln für Erfassung und Speicherung von Daten geben.
Daher begrüßen wir, dass in Zukunft eine Ombudsstelle die umstrittenen Fällen rund um die Datei "Gewalttäter-Sport" klärt. Zusätzlich sollten aus unserer Sicht Vorschläge für eine bessere und dauerhafte Berücksichtigung der Faninteressen erarbeitet werden. Denn der Fußball endet ja schließlich nicht mit dem Abpfiff nach dem WM-Finale in Berlin.
Diese Ombudsstelle sollte in der Zuständigkeit der Koordinationsstelle für die Fußball- Fan-Projekte (KOS) dauerhaft eingerichtet werden, die bei der Deutschen Sportjugend (dsj) angesiedelt ist. Die KOS hat sich in den letzten Jahren durch die Unterstützung und Koordinierung der Fan-Projekte viel Vertrauen bei den Fans erworben. Das sollte für die Fußball-WM und langfristig auch für weitere Veranstaltungen besonders im Fußballbereich genutzt werden.
In dieser neuen Ombudsstelle sollten vertreten sein:
- KOS
- Bundesinnenministerium
- DFB
- Fan-Initiative
- Bundesbeauftragter für den Datenschutz
Diese Ombudsstelle sollte kurzfristig ihre Arbeit aufnehmen. Wir bewerten es positiv, dass im Jahr 2004 ein Dialog zwischen Bundespräsident Johanns Rau und Vertretern der Fan-Initiativen begonnen wurde, der in diesem Sommer auch mit dem Bundesinnenministerium fortgeführt werden konnte. Dieser Dialog ist weiter voranzubringen, um eine für alle Seiten dauerhafte Verständigung zu erreichen. Das wäre ein wichtiger Schritt für mehr Toleranz und gegen Gewalt und Rassismus.
Sicherheitskonzept Fußball WM 2006
Sportliche Großereignisse wie die Fußball-WM 2006 werden zunehmend zu einer öffentlichen Präsentation und zu einem Testfeld neuester Sicherheitstechnik. Dies war bei den Olympischen Sommerspielen 2004 in Athen der Fall und dies ist faktisch auch mit dem Sicherheitskonzept WM 2006 in Deutschland geplant.
Aber: Die schwierige Balance zwischen den Sicherheitserfordernissen auf der einen Seite und einer zugänglichen WM auf der anderen Seite kann nur gefunden werden, wenn das Sicherheitskonzept transparent ist und von den Parlamenten und einer kritischen Öffentlichkeit kontrolliert werden kann. Dies entspricht einer Grundregel des demokratischen Rechtsstaats. Daher dürfen Pläne zur Anwendung neuester Überwachungstechnik wie Videoscreening gegenüber den Parlamenten, den Datenschutzbeauftragten und der Öffentlichkeit nicht geheim gehalten werden. Auch über die Sicherheitskosten und deren Aufteilung muss es einen offenen Bericht geben.
Schon heute ist klar: die Fußball-WM wird zu einem Feldversuch für neueste Sicherheitstechnik. Gegen den Einsatz moderner Technik in der Polizeiarbeit ist vom Grundsatz her sogar nichts einzuwenden; der Einsatz kann effizient und verhältnismäßig sein. Die Gefahr liegt aus unserer Sicht jedoch in der Vernetzung, Weiterentwicklung und in den zukünftigen Anwendungsmöglichkeiten der Überwachungstechnik.
Die biometrische Gesichtserkennung in Stadien, auf Fußball-Partymeilen, Innenstädten, Bahnhöfen und Flughäfen und der automatisierte Abgleich mit Fahndungsdateien mag technisch möglich sein. Eine permanente Videofahndung richtet sich jedoch gegen alle Bürgerinnen und Bürger. Sie ist nicht verhältnismäßig und mit den Grundrechten eines demokratischen Rechtsstaates nicht vereinbar. Geplante Modellversuche zur Erprobung der biometrischen Gesichtserkennung dürfen deshalb nicht im Geheimen stattfinden, sondern müssen in der Öffentlichkeit gekennzeichnet sein.
Fazit: Wir wollen eine sichere Fußball-WM, aber wir warnen auch vor den Möglichkeiten der neuen Überwachungstechnik. Wir fordern einen verhältnismäßigen und transparenten Umgang mit der Sicherheitstechnik und wir wollen eine kritische öffentliche Auseinandersetzung mit dem Sicherheitskonzept zur Fußball-WM 2006.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Informationen weiterhelfen konnte. Ich wünsche den Fan-Initiativen und allen angeschlossen Fans eine spannende Fußballsaison.
Winfried Hermann
Mitglied des Deutschen Bundestages
Umweltpolitischer Sprecher und Sportpolitischer Sprecher
Bündnis 90/Die Grünen
winfried.hermann@bundestag.de
http://www.WinfriedHermann.de